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Betriebsvergleich: Das Erfolgskonzept von Milchviehbetrieben

Damit Milchkuhbetriebe in Betriebsvergleichen an der Spitze stehen, muss alles stimmen: Grünlandpflege, Futterverwertung, Herdenmanagement. Doch auch kleine Stellschrauben tragen dazu bei.

Lesezeit: 7 Minuten

Herr Schnakenberg, seit 31 Jahren ­beraten Sie Milcherzeuger und leiten Arbeitskreise im Landkreis Cuxhaven. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Schnakenberg: Früher gab es noch sogenannte “Vielmaier“. Die Betriebe haben neben der Milcherzeugung auch Bullen gehalten und etwa jeder vierte hat Schweine gemästet. Der Maisanteil war geringer, Futterrüben waren üblich und es stand etwas mehr Getreide auf den Flächen. Inzwischen sind die Betriebe auf Milch fokussiert. Sie haben die Außenwirtschaft ausgelagert und in Technik in den Ställen, wie Brunsterkennung, Hoflader und Milchtaxis, investiert. Die 100 Betriebe, die ich betreue, halten im Schnitt 220 Kühe und bewirtschaften 165 ha. Ihr Herdenmanagement ist jetzt deutlich professioneller. Vor 30 Jahren haben die Landwirte die Tiere so genommen wie sie waren. Der große Sprung in der Milchleistung kam, weil jetzt die bessere Kuh auf dem Stallplatz steht. Und auch mein Tag als Berater war anders. Vor 9.30 Uhr und nach 16 Uhr hat mich niemand angerufen, alle waren im Stall. Das hat sich durch den Wandel vom Familienbetrieb zum Arbeit­geber geändert.

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Welche Gewinne erzielten Milcherzeuger vor 10 Jahren, wo liegen wir jetzt?

Schnakenberg: Im Mittel der letzten drei Jahre lag der Gewinn bei 400 € je Kuh. Und diesen Betrag sehen wir auch im langjährigen Mittel, obwohl die Milchleistung gestiegen ist. Die Mehrleistung brauchten wir, um die Gewinne halten zu können. Insgesamt gibt es eine große Gewinnspanne zwischen den Betrieben, denn auch nach vielen Jahren des Strukturwandels sind sie nicht homogener geworden.

Corona, Krieg, Energiekrise – ein Jahr wie das letzte hat viel durcheinander gebracht. Stehen am Ende wieder die gleichen an der Spitze?

Schnakenberg: Ja, das letzte Wirtschaftsjahr war außerordentlich. Hier lagen wir im Schnitt bei 850 € und die besten Betriebe sogar bei 1.350 € Gewinn/Kuh. Auch in einem solchen Jahr stehen nicht plötzlich andere oben. Die Abstände sind eher größer geworden, weil der Hebel durch den hohen Milchpreis auch größer ist. Durch die hohen Kosten für Kraftfutter haben jedoch solche mit guter Grundfutterleistung besser abgeschnitten. Dieser Effekt wird sich 2023 verstärken, wenn günstigere Futterkontrakte auslaufen.

Was unterscheidet sehr gute von durchschnittlichen Betrieben, in welchen Bereichen sind sie besonders gut?

Schnakenberg: In der Spitze muss ­alles stimmen und es gibt immer handfeste produktionstechnische Gründe für den Erfolg eines Milchviehbetriebs. Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass auch die Leistungsfähigkeit der Familie maßgeblich ist. Schicksalsschläge oder Familienstreit zeigen sich in der Leistung. Sehr große Betriebe können das durch Fremdarbeitskräfte nur besser kompensieren.

Was immer zum Erfolg gehört ist eine gute Milchleistung und Futterverwertung. Das Ziel sollten mind. 40 %, aber max. 60 % Milchleistung aus dem Grundfutter sein. Ein höherer Grundfutteranteil geht auf Kosten der Leistung. Die bessere Hälfte der Betriebe, bezogen auf die relative Grundfutterleistung, verdient 219 € mehr pro Kuh (siehe Übersicht).

Einen Effekt haben auch die Erlöse für Altkühe: Typisch ist eine Verteilung bei den Abgangskühen von 33 % ­O-Kühen, 33 % P-Kühen und 33 % Tieren ohne Erlös. Eine Verschiebung dieses Verhältnisses auf 50:30:20 bedeutet 100 € mehr Gewinn je Bestandskuh. Das ist ein großer Hebel. Dahin kommen jedoch nur Betriebs­leiter, die Abgangsentscheidungen frühzeitig treffen – also Problemkühe nicht mehr besamen, um selbst über den Zeitpunkt des Abgangs entscheiden zu können. ­Wenn diese Tiere erst wieder kalben, ist oft ein plötzliche ­Abgangsentscheidung nötig.

Was ist für den Erfolg noch wichtig?

Schnakenberg: Auch ein absoluter ­Fokus auf das Herdenmanagement macht die besten Betriebe aus. Sie arbeiten im Stall sowie auf dem Feld sehr intensiv. Und nicht zuletzt gehört ein gutes Team dazu. Auswertungen zeigen: Je mehr Lohn ein Landwirt zahlt, desto höher ist der Deckungsbeitrag. Ein guter Lohnaufwand zahlt sich also aus. Letztendlich verdienen Betriebe nicht mehr, wenn sie an Mitarbeitern sparen und sich selbst ausbeuten.

Die variablen Kosten machen in der Bilanz etwa 70 % aus. Welche Kosten fallen besonders ins Gewicht?

Schnakenberg: Das ist an erster Stelle das Futter. Im vergangenen Jahr lagen die Kraftfutterkosten im Schnitt bei 9,5 ct/kg Milch und im Vorjahr bei 8,1 ct. Die Kosten für das Grundfutter stiegen von 5,3 auf 5,8 ct/kg Milch. Hier zeigt sich wieder der Effekt der guten Grundfutterleistung. In unserer Region sind etwa zwei Drittel der Flächen Grünland und ein Drittel Ackerland. Vom Grünland muss man proteinreiches, kurz gehäckseltes Gras ernten. Einige Landwirte gehen dazu über, weniger Silomais zu ernten, den Grasanteil in der Ration zu erhöhen und zusätzlich CCM ein­zusilieren. Das ist ein schmackhaftes Energiefutter und zählt zum Grund­futter. Der Effekt auf die Futteraufnahme ist positiv und zugleich lässt sich Kraftfutter sparen.

Was ist der zweitgrößte Kostenpunkt innerhalb der variablen Kosten?

Schnakenberg: Das sind die Kosten für die Bestandsergänzung. Wir haben die Bewertung der Färsen angehoben. So stiegen die Bestandsergänzungkosten um gut 1 ct auf 7 ct/kg Milch. Von den Betrieben die ich betreue, schneiden Landwirte, die kein eigenes Jungvieh aufziehen, in vielen Punkten besser ab. Die Milchleistung ist im Schnitt um 400 kg höher, sie ­verdienen etwas mehr mit dem Verkauf der Kälber, da sie meist mit Fleischrassen besamen und sie haben einen um 40 € höheren Gewinn/Kuh. Ihr Deckungsbeitrag 2 liegt im Schnitt bei 1.951 €, bei den Be­trieben mit Nachzucht bei 1.937 €.

Letztendlich ist es eine betriebsindividuelle Entscheidung, eigenes Jungvieh aufzuziehen. Die Zahlen zeigen aber, dass der Zukauf von Färsen zumindest kein Nachteil ist. Für Betriebe mit ­begrenzter Fläche ist das in ­jedem Fall eine Alternative.

Ist es immer sinnvoll, viel Aufwand ­bezüglich Futtermitteln, Technik etc. zu betreiben oder sollte Kosten ­sparen die Divise sein?

Schnakenberg: Über einige Mittel zum Erfolg lässt sich nicht diskutieren: mindestens vier Grasschnitte und das Füttern einer Mischration mit kontrolliertem Trockensubstanzgehalt. Für den Schritt von 11.000 auf 12.000 kg Milch pro Kuh muss die Ration exakt gemischt und kontrolliert werden. Aber nicht jedes teure Ergänzungsfuttermittel führt zum Erfolg. Zu viel ­Palettenware ist oft ein Hinweis auf ungünstige Futterkosten. Hilfsmittel im Herdenmanagement wie Wiederkausensoren können hingegen stark zum Erfolg beitragen. Doch auch mit sehr schlanken Kosten sind wett­bewerbsfähige Ergebnisse möglich. Damit verbunden ist oft ein hoher ­Arbeitsaufwand für Familienarbeitskräfte. Aber das wollen viele junge Betriebsleiter nicht mehr leisten.

Was sind aktuell die größten Chancen und die größten Sorgen der Betriebsleiterinnen und -leiter?

Schnakenberg: Im vergangenen Jahr konnten Milcherzeuger Verbindlichkeiten reduzieren und den Zinsaufwand senken. Und das erste Mal überhaupt haben wir jetzt ein zweites gutes Jahr in Folge. Trotzdem kenne ich einige Betriebsleiter, die eher mit 57 Jahren aufhören wollen, wenn die Wirtschaftlichkeit wieder schlechter wird. In Bezug auf das Ansehen der Landwirtschaft habe ich derzeit ein besseres Gefühl – zumindest rückt die Ernährungssicherung stärker in den Fokus, das könnte ein Vorteil sein. Sorge macht in unserer Region die Wiedervernässung der Moore. Viele Landwirte haben einen Teil ihrer Flächen im Moor. Auch die roten Gebiete und entsprechende Einschränkungen werden weiter zunehmen. Außerdem entkoppeln sich die Landpreise. Gesundes Wachstum auf Eigenlandbasis ist kaum noch möglich. Die größte Herausforderung ist aber der Mitarbeitermangel.

Mit welchen Investitionen rechnen Sie in den kommenden Jahren?

Schnakenberg: Die Umstellung auf Melkroboter wird sich fortsetzen – aus der Not heraus, weil es kaum Mitarbeiter für die Melkarbeit gibt. Auch Investitionen in Sozialräume etc. sind geplant, um Arbeitsplätze attraktiver zu machen. Insgesamt wird es mehr kleine Helfer im Stall geben, wie automatische Futter- und Spaltenschieber. Hinzu kommen Notstromaggregate und Gülleseparationen. Vorkühlungen und Frequenzsteuerungen, um Energie zu sparen, sind auf den Betrieben, die ich ­betreue, inzwischen Standard. Wer im Geschäft bleiben will, investiert in Siloanlagen und Güllebehälter, wenn das noch nicht passiert ist. Auch mit neuen Energien wie Photovoltaik auf Dächern und Freiflächen sowie Windrädern beschäftigen sich viele Landwirte. Große Wachstumsschritte sehe ich kaum noch. Die meisten jungen Betriebsleiterinnen und -leiter sind mit ihrer Herdengröße zufrieden.

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