Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Bei Investitionen in die Melktechnik fällt die Entscheidung heute in etwa drei von vier Fällen auf einen Melkroboter, erklärte Klaus Wagner vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) in der vergangenen Woche in Bad Hersfeld. Außerdem steigt die Nachfrage nach automatischen Fütterungs-, Einstreu- oder Entmistungssystemen: Die Milcherzeuger suchen Lösungen zur Verbesserung der Arbeitswirtschaft und -effizienz, ohne dafür einen neuen, modernen Stall auf der grünen Wiese bauen zu müssen.
Hohe Stallbaukosten
Denn das ist trotz Milchauszahlungspreisen von um die 50 Cent je kg vor dem Hintergrund der immens gestiegenen Baukosten für die meisten Betriebe im Moment nicht zu stemmen, wie die gut 100 Landwirte, Berater und Fachschüler beim jüngsten Baulehrschautag der Arbeitsgemeinschaft für Rationalisierung, Landtechnik und Bauwesen in der Landwirtschaft (ALB) erfuhren.
Ein neuer Stall für 175 Kühe mit Automatischem Melksystem (AMS), aber ohne Futter- und Güllelager sowie Fütterungstechnik kostet schließlich mittlerweile mehr als 13.000 € je Kuhplatz, berichtete LLH-Betriebswirtschaftler Herbert Schlosser aus aktuellen Bauprojekten. Davon können zwar gegebenenfalls noch rund 20 % Förderzuschuss abgezogen werden. Die Jahresbelastung pro Milchkuh liegt in einem solchen Neubauvorhaben trotzdem bei rund 1000 €. Zuzüglich der Kosten für Grund- und Kraftfutter (im Schnitt laut Milchreport Bayern aus 2023 zusammen etwa 2600 € pro Kuh), der allgemeinen Direktkosten von durchschnittlich 500 € sowie der Arbeitskosten von rund 1200 € je Kuh und Jahr kommt da eine stolze Summe zusammen. Diese Kosten müssen über den Milchverkauf sowie den anteiligen Altkuh- und Kälbererlös erst einmal wieder eingespielt werden, so Schlosser. Dennoch können die Milchbauern nicht ewig warten: Ohne Investitionen ist auf lange Sicht die Existenz der Betriebe bedroht, mahnte der Berater: Den „richtigen“ Investitionszeitpunkt erfahre man zudem immer erst im Nachhinein.
Füttern, einstreuen, säubern
Derzeit versuchen viele Landwirte zunächst einmal, die Arbeitswirtschaft auf ihren Betrieben zu verbessern. Die Lösung lautet dabei häufig „Automatisierung“, denn das technische Angebot ist in den vergangenen Jahren spürbar größer geworden, wie Maria Trilling von der Landwirtschaftskammer NRW in ihrem Vortrag verdeutlichte:
Das Paradebeispiel für die Automatisierung ist der Melkroboter. Er entbindet den Landwirt vom zweimal täglichen Melken und macht die Arbeit im Milchviehbetrieb damit deutlich flexibler. Im Gegenzug verbringt der Landwirt mehr Zeit mit der Auswertung der AMS-Daten, um die Herde im Blick zu behalten. Auch nächtliche Alarmmeldungen bei technischen Störungen sind nicht unüblich, wobei sich deren Zahl verringern lässt: „Ein leerer Spülmittelbehälter um Mitternacht muss nicht sein. Den kann man tags zuvor auffüllen“, riet Trilling der Zuhörern.
Neben den Melkrobotern haben in den vergangenen Jahren auch etliche Fütterungsroboter in den Betrieben Einzug gehalten. Hauptargument hierfür sind neben der Arbeitszeiteinsparung die Genauigkeit der Futtermischung und das häufige Vorlegen einer frischen Futtermischung. Das animiert die Kühe zum Fressen und erhöht die Futteraufnahme und Milchleistung.
Weitere Arbeitserleichterungen bringen Systeme zum automatischen Einstreuen der Liegeboxen bzw. zur Reinigung der Laufflächen. Diese übernehmen nicht nur eine der unbeliebtesten Aufgaben, sondern sorgen über saubere Stallböden zudem für gesunde Klauen und saubere Tiere.
Sensortechnik in der Praxis
Neben den Lösungen für automatisiertes Melken, Füttern, Einstreuen und Reinigen gibt es seit einiger Zeit auch technische Hilfsmittel zur Überwachung von Tierverhalten und -gesundheit. Verena Hußmann aus Feuchtwangen in Baden-Württemberg beispielsweise nutzt für das Management ihrer 250 Fleckviehkühe unter anderem die Biosensor-Ohrmarken von DeLaval. Die Sensoren kommunizieren mit im ganzen Stall installierten Knotenpunkten und liefern damit Standort- und Aktivitätsdaten der Tiere. Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) wird das Kuhverhalten analysiert und Hußmann erhält wichtige Informationen und Berechnungen zur Brunsterkennung, zum Wiederkäuen sowie zum Fressverhalten. „Über die in den Melkrobotern eingebauten Body-Condition-Score-Kameras und die automatische Zellzahlmessung erhalte ich weitere wichtige Informationen“, erklärte die Diplom-Agraringenieurin: „Dadurch sehe ich Auffälligkeiten bei den Tieren sehr frühzeitig und kann oft schon reagieren, bevor sich ein Problem hochschaukelt.“
Roboter ersetzen Mitarbeiter
Ein Hauptargument für die Automatisierung bleibt jedoch die zuverlässige Arbeitserledigung. Michael Dörr aus Roßdorf bei Darmstadt beispielsweise hat seine 310 Kühe lange Jahre mit Unterstützung durch internationale Fremdarbeitskräfte gemolken. Es wurde aber immer schwerer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Deshalb hat er sich entschieden, das bisherige Melkkarussell gegen sechs Melkroboter auszutauschen und zudem seinen Milchviehstall auf ein automatisiertes Fütterungs- und Einstreusystem umzurüsten. Davon verspricht Dörr sich eine weitere Steigerung der Milchleistung sowie mehr Zeit für Managementaufgaben und Familie.
Apropos Zeit: Diese ist auch im Betrieb von Justus Beier ein knappes Gut. Der Milchviehhalter aus Nüsttal im Landkreis Fulda melkt 130 Kühe, geht aber zusätzlich seinem Job als landwirtschaftlicher Sachverständiger nach. „Für den notwendigen zeitlichen Freiraum sorgen die beiden Automatischen Melksysteme und die zuverlässigen Mitarbeiter bzw. Familienangehörigen“, erklärt Beier. Diese benötigen allerdings ein gewisses technisches Verständnis, um zum Beispiel leichte Störungen beheben zu können. Außerdem hilft es, wenn der nächste Service-Standort des AMS-Herstellers nicht unendlich weit weg ist.