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Milchpreis: Kaufland erwartet künftig mehr Kuhmilch-Alternativen

Die einen verlangen Milch mit Mehrwerten, die anderen achten nur auf den Preis. Kaufland ist überzeugt von der Initiative Tierwohl aber skeptisch zum Borchert-Plan.

Lesezeit: 9 Minuten

Patrick Liste, Chefredakteur beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, sprach mit Robert Pudelko, Leiter Nachhaltigkeit Einkauf bei Kaufland.

Herr Pudelko, welche Verbrauchertrends bemerken Sie bei Molkereiprodukten?

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Pudelko: Als frisches und gesundes Lebensmittel sind sie nach wie vor sehr beliebt. Viele Verbraucher achten seit jeher auf die Herkunft der Produkte, sie legen großen Wert auf die Regionalität und eine verantwortungsvollere Tierhaltung. Hinzu kommen Ernährungstrends, die sich in einer verstärkten Nachfrage nach besonders proteinreichen Produkten sowie veganen Kuhmilchalternativen, beispielsweise auf Hafer- oder Sojabasis, zeigen.

Wie reagieren Sie als Unternehmen darauf?

Pudelko: Die Sortimentsgestaltung im Lebensmittel­einzelhandel ist ein sehr dynamischer Prozess. Dabei orientieren wir uns in erster Linie an den Erwartungen und der Nachfrage unserer Kunden. Wir wollen die Ersten sein, wenn es darum geht, Kundenwünsche zu erfüllen. In diesem Sinne erweitern wir laufend unser Sortiment und listen neue Produkte ein.

Milcherzeuger und Molkereien empfinden die Forderungen des Handels als „Diktat des Handels“ – weil sie über dem Gesetz liegen, die Honorierung aber oft nicht ausreichend sei. Wie sehen Sie das?

Pudelko: Wir übernehmen Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt. Dazu gehört auch eine nachhaltige Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Dies gelingt nur gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Betrieben. Die Molkereien sind unser Bindeglied, zu ihnen pflegen wir faire und langfristige Beziehungen. Wir honorieren alle Maßnahmen zur Ver­besserung des Tierwohls und bezahlen entsprechende Aufschläge wie zum Beispiel für eine gentechnikfreie Fütterung.

Ist der Verbraucher bereit, für mehr Tierwohl zu zahlen?

Pudelko: Viele Verbraucher legen großen Wert auf die Nachhaltigkeit der Produkte. Dabei achten sie, neben der Regionalität und Bio-Qualität, insbesondere auf eine verantwortungsvollere Tierhaltung. Gleichzeitig sind viele Verbraucher sehr preisbewusst. Uns ist es wichtig, alle Verbraucher auf diese Produkte aufmerksam zu machen und ihnen den Kauf von guten, gesunden und nachhaltigen Produkten zu ermöglichen, damit der Kauf für sie zukünftig zu einer Selbstverständlichkeit wird.

Wie kann es gelingen, dass auch der Milcherzeuger eine faire Entlohnung erhält?

Pudelko: Die Proteste der Landwirte im Dezember 2020 haben uns noch einmal verdeutlicht, welche Bedeutung die deutsche Landwirtschaft für uns alle hat. Wir brauchen eine zukunftsfähige Landwirtschaft, dafür machen wir uns stark. Da wir in der Regel keine Direktverträge mit den Milcherzeugern haben, sondern von Molkereien beliefert werden, haben wir Anfang dieses Jahres, gemeinsam mit Vertretern landwirtschaftlicher Gruppierungen, anderen Handelsunternehmen sowie dem BVLH, den Agrardialog ins Leben gerufen. Diesem sind mittlerweile auch Verbände, Genossenschaften und Einzelunternehmen aus der Molkereiwirtschaft beigetreten.

Unter Leitung der DLG führen wir Gespräche, um wirksame Lösungen zu erarbeiten, die einen Beitrag zur Stärkung der Landwirtschaft in Deutschland leisten können. In der Arbeitsgruppe Milch/Rind loten wir in dem Modellprojekt „Mehrwertprogramme Milch“ Wege für einen potenziell höheren Verkaufserlös der Landwirtschaft aus. Im Mittelpunkt stehen die Fragen: Welche Leistungen und Qualitäten können zu mehr Wertschöpfung führen? Wie lassen sich die einzelnen Zusatzleistungen und ihr Mehrwert staffeln?

Kaufland unterstützt die Initiative Tierwohl (ITW). Welche Chancen sehen Sie für ITW Rind?

Pudelko: Eine Verbesserung des Tierwohls kann nur gemeinsam gelingen. Im Zusammenspiel mit der ITW und dem Agrardialog sind wir mit allen Beteiligten auf einem guten Weg. Im Agrardialog besprechen wir in der Arbeitsgruppe Milch/Rind wie wir einen höheren Mehrwert für Milch auf den Weg bringen können. In der ITW setzen wir uns für eine Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung ein. In der Schweine- und Geflügelhaltung haben wir bereits ein sehr gutes Fundament gelegt.

Als nächstes gehen wir die Verbesserung des Tierwohls in der Rinderhaltung an. Da hier die landwirtschaftlichen Strukturen sehr viel kleinteiliger und komplexer sind, werden wir die ersten nachhaltigen Erfolge jedoch nicht kurz-, aber mittelfristig erzielen können. An dem ersten Erfolg arbeiten wir derzeit: Wir möchten unseren Kunden zukünftig Trinkmilch aus den Haltungsformen Stufe 2 und 3 anbieten.

ITW Rind verlangt höhere Verkaufspreise. Setzen Sie diese dann auch um?

Pudelko: Die Preisgestaltung für Erzeugnisse der Landwirtschaft unterliegt mehreren Einflüssen. Faktoren sind hierbei unter anderem: Aufwand bei der Herstellung, Betriebsgröße, Aufwand für die Logistik und Einhaltung der Kühlkette. Zudem orientiert sie sich immer an Angebot und Nachfrage sowie am Wettbewerb.

Wie passen ITW Rind und haltungsform.de zusammen?

Pudelko: Rinder zählen zu den wichtigsten Nutztieren in Deutschland, denn sie liefern sowohl Fleisch als auch Milch. Zudem ist Deutschland innerhalb der EU der größte Milcherzeuger und der zweitgrößte Erzeuger von Rind- und Kalbfleisch. Dies ist also ein sehr großer und wichtiger Bereich. Derzeit sind, abgesehen von den Bio-Produkten, die meisten Produkte in Haltungsform Stufe 1. Alles was wir in diesem Bereich unter ITW Rind weiterentwickeln, wird in die Haltungsform Stufe 2 eingeordnet.

Parallel soll mit dem Borchert-Plan noch ein staatliches Tierwohlkennzeichen kommen. Wie stehen Sie dazu?

Pudelko: Mit dem vierstufigen System der Haltungsformen haben wir eine anerkannte und bekannte Haltungskennzeichnung geschaffen, die von den Verbrauchern gut angenommen wird und seit Jahren nahezu flächendeckend am Markt ist. Grundsätzlich stehen wir einem staatlichen Tierwohlkennzeichen offen gegenüber, wenn es einen Mehrwert für unsere Kunden bietet und sich gut in das Raster der Haltungsformen eingruppieren lässt. Um den Verbrauchern weiterhin eine klare Orientierung zu geben, sollte ein zusätzliches Tierwohl-Label vermieden werden.

Aus Ihrer Sicht: Braucht Deutschland überhaupt ein staatliches Tierwohlkennzeichen?

Pudelko: Als Gründungsmitglied unterstützen wir seit 2015 die ITW, hier haben sich Verantwortliche entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammengeschlossen. Sie ist das wichtigste und beste Instrument, um langfristig Verbesserungen für das Tierwohl zu erzielen und den Verbrauchern weiterhin eine hervorragende Qualität und Vielfalt zu gewährleisten. Wir stehen zur ITW und werden diese weiterhin bestmöglich unterstützen. Gemeinsam haben wir bereits sehr viel erreicht und möchten die bestehenden Systeme auch zukünftig nutzen und ausbauen. Eine Verbesserung des Tierwohls kann nur zum Erfolg führen, wenn weitere Initiativen oder Kennzeichnungen in bestehende Systeme wie die ITW und die Haltungsform integriert werden.

Ist Herkunftskennzeichnung eine Chance für höhere Milchpreise?

Pudelko: Eine Herkunftskennzeichnung wie die Haltungsform wird in jedem Fall honoriert. Im Rahmen unseres Wertschätze-Qualitätsfleischprogramms arbeiten wir seit einigen Jahren partnerschaftlich mit vielen Landwirten zusammen. Selbstverständlich erhalten sie für ihren Mehraufwand, den sie durch die Umstellung in der Tierhaltung haben, eine entsprechende zusätzliche Vergütung. Im Agrardialog beschäftigen wir uns ebenfalls mit der Herkunftskennzeichnung und konzipieren Modellprojekte für Milchprodukte.

Wie wichtig ist die deutsche Herkunft für Sie?

Pudelko: Milchprodukte von heimischen Landwirten sind für uns extrem wichtig. Bei unseren Eigenmarken setzen wir auf deutsche Herkunft und beziehen, wo immer möglich, regionale Milch. Damit Verbraucher Lebensmittel aus der deutschen Landwirtschaft auf den ersten Blick erkennen, befürworten wir ein branchenweit einheitliches, klar erkennbares Symbol.

Europa ist bunt und vielfältig. Was wäre ein Kühlregal ohne französischen Camembert, italienischen Mozzarella, griechischen Feta oder irische Butter? Im Gegenzug sind Allgäuer Emmentaler oder deutsche Buttermilch bei unseren europäischen Nachbarn beliebt. Unsere Aufgabe ist es, die deutsche Landwirtschaft zu stärken und unseren Kunden weiterhin ein breites und tiefes Sortiment anzubieten.

Die Preisanpassungen bei den Handelsmarken im Milchbasissortiment der verschiedenen Lebensmitteleinzelhändler laufen meist in einem verblüffenden Gleichschritt. Wie erklären Sie das?

Pudelko: Die Bildung unserer Verkaufspreise unterliegt verschiedenen Faktoren, sie orientiert sich stark an Angebot und Nachfrage sowie am Wettbewerb. Dabei sind wir alle im selben Marktumfeld tätig und haben das gleiche Verständnis von Marktpreisbildung.

Die Molkereien kritisieren, dass der stark konzentrierte Handel seine Marktmacht missbrauche. Was raten Sie Molkereien?

Pudelko: Um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen, empfehlen wir, sich hinsichtlich der Produktionseffizienz und Klimaneutralität konsequent weiterzuentwickeln. In Bezug auf Nachhaltigkeit können sie die regionale Bedeutung ihrer Marken intensivieren sowie die Transparenz und Rückverfolgbarkeit ausbauen.

Zudem werden die Mehrwertkonzepte eine immer stärkere Rolle spielen, damit können sich die Molkereien abheben, dieses Engagement wird honoriert. Dabei sollten sie Trendartikel und Produktinnovationen, wie zum Beispiel Kuhmilchalternativen im Auge behalten, diese werden auch für klassische Molkereien immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Blick in die Zukunft: Wie sieht das Mopro-Regal 2030 aus?

Nach unserer Einschätzung wird es, über alle Warengruppen hinweg, einen signifikanten Anteil an Kuhmilchalternativen geben. Zudem werden sowohl Bio- als auch spezielle Klima- und Tierschutz-Marken und -Konzepte an Bedeutung gewinnen.

Die Wünsche der Verbraucher werden individueller und damit vielfältiger. Neben dem Inhalt wird die Verpackung eine noch wichtigere Rolle spielen. Die Reduktion bzw. der komplette Ersatz von PET-basierten Verpackungen wird perspektivisch die größte Herausforderung sein.

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K O M M E N T A R

Handel zum Milchmarkt: Klar, aber ehrlich?

Druck auf Standardprodukte, Wunsch nach Vielfalt und Erwartungen an die Molkereien: Kaufland hat klare Vorstellungen zum Milchmarkt. Doch zahlt der Händler am Ende auch höhere Preise? Ein Kommentar.

Obwohl wir mit dem Kaufland-Manager Robert Pudelko nur schriftliche Antworten auf unsere Fragen bekommen haben und nicht nachbohren konnten, lässt sich eine klare Marschrichtung erkennen:

  • „Standard-Milchprodukte“ haben es künftig noch schwerer. Der Preisdruck bleibt, auch weil es preisbewusste Verbraucher gibt.
  • Andere Verbraucher und vor allem der Handel wollen Milch mit Mehrwert wie Regionalität, Tierwohl, Klima, Bio – oder vegane Alternativen. Das steigert die Kosten für Erzeuger und Molkereien.
  • Der hohe Eigenmarken-Anteil des Lebensmitteleinzelhandels treibt die gesamte Milchproduktion in diese Richtung. Kauflands Ankündigung, nur Trinkmilch der Haltungsstufen 2 und 3 (Stallhaltung Plus und Außenklima) anzubieten, dürfte erst der Anfang sein.
  • Kaufland schwört auf die „Initiative Tierwohl (ITW)“ sowie die Klassifizierung „haltungsform.de“ des Handels. Die Programme ließen sich integrieren, böten Verbrauchern Klarheit und ein faires Miteinander in der Wertschöpfungskette.
  • Kaufland hält wenig bis nichts vom Borchert-Plan sowie einem staatlichen Tierwohlkennzeichen. Kein Wunder: Die Wirtschaft ist weiter, der Staat hinkt hinterher.

Der Lebensmittelhändler beteuert, dass Landwirte die Mehraufwendungen ausreichend honoriert bekommen müssen. Stimmt! Aber nicht nur die Mehraufwendungen,auch die Basisaufwendungen. Doch bei beidem hakt es gewaltig: Der aktuelle Trinkmilch-Kontrakt erlaubt beispielsweise einen Auszahlungspreis von gut 32 Cent/ kg – damit lässt sich bei explodierenden Kosten nicht wirtschaftlich melken. Und wenn Kaufland antwortet, „Aufschläge wie zum Beispiel für eine gentechnikfreie Fütterung“ zu zahlen, stimmt das nicht für die gesamte Branche: Vielfach ist der GVO-Zuschlag inzwischen eingepreist und die Milcherzeuger bleiben auf den höheren Kosten sitzen.

Deshalb: Wenn der Handel Mehrwerte fordert, muss es verbindliche Garantien für Preisaufschläge geben. Sonst entpuppen sich die Ankündigungen wie so oft als Lippenbekenntnisse.

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