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Molkereiverträge: Neue Trinkmilch-Spielregeln mit Folgen

Die Trinkmilch-Verhandlungen zwischen Molkereien und Lebensmittelhandel haben sich in diesem Frühjahr geändert – mit langfristigen Folgen.

Lesezeit: 5 Minuten

Unser Autor: Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Verband der Milcherzeuger Bayern. Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben 23/2021:

Nur knapp 40 % der deutschen Milch findet über den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) als Molkereiprodukt seinen Weg zum Endverbraucher. Trotzdem stehen die Kontraktverhandlungen zwischen Molkereien und Vertretern des deutschen Handels im Fokus von Milcherzeugern und Medien. Und sind mittlerweile zu einem Politikum geworden. Vor allem, wenn die Ergebnisse unter der Erwartungshaltung liegen.

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Das war auch in diesem Frühjahr bei den Kontraktverhandlungen zur weißen Linie (Trinkmilch usw.) so. Bis zu diesem Frühjahr gab es Halbjahresverträge von Mai bis Oktober sowie von November bis April. Und die Vorzeichen für höhere Preise standen im April recht gut. Bei einem seit der Jahreswende robusten Milchmarkt, flankiert von einer mäßigen Milchanlieferung standen die Voraussetzungen für einen positiven Kontraktabschluss sehr günstig. Damit wäre nicht nur ein wichtiger Eckpfeiler für den Milchpreis der kommenden sechs Monate gesetzt gewesen. Es wäre auch dringend notwendige Liquidität auf die Betriebe gelangt.

Machtspiel des Handels

Doch dann sickerte Ende April durch, dass dem Lebensmitteleinzelhandel wieder eine neue Variante eingefallen ist, die positiven Marktsignale nicht zeitnah in ebensolche Milchpreise umsetzen zu müssen. Teile des Handels wollten die neue Kontraktlaufzeit erst am 1. Juli beginnen lassen.

Und dem Vernehmen nach sind bei diesem Vorstoß schnell bereits erste „Erfolge“ zu vermelden gewesen. So schlossen sich dem Verschieben des Kontraktbeginns wohl alle maßgeblichen Wettbewerber an. Die Molkereien mussten den Aufschub akzeptieren, die Milcherzeuger konnten außer Wut, Verärgerung und Unverständnis auch nichts entgegensetzen.

Trotz bekannter und weiter nicht absehbarer Probleme rund um die Corona- Pandemie zeigt sich der Milchmarkt auch im Frühsommer erstaunlich robust. Die meisten Marktparameter zeigen grüne Signale, auch wenn Euphorie sicher nicht angebracht ist. Allein Milcherzeuger und Molkerei konnten an dieser Entwicklung nicht profitieren, vor allem wenn die Molkerei einen hohen Anteil der Produkte über den Handel absetzt. Das trifft vor allem das Leitprodukt Konsummilch, an deren Verwertung sich eine Reihe anderer Produkte orientiert.

Aber es wird keine Molkerei aus einem Kontrakt mit einem Lebensmittelhändler aussteigen oder diesen nicht bereit sein zu verlängern. Es ist wie auf einem landwirtschaftlichen Betrieb: Die Flexibilität auf Marktschwankungen ist vor allem bei mittelständischen Unternehmen begrenzt, auf Änderungen bei den Absatzströmen kann nur begrenzt reagiert werden.

Wieder einmal hat die Marktmacht des LEH gezeigt, wer allein die Richtung vorgibt. Für die Molkereien heißt das wieder einmal, aus Sorge vor alternativen Repressalien sich zu fügen und für die Milcherzeuger abzuwarten, bis die höheren Preise via Molkerei an sie weitergereicht werden.

Keine Verhandlung 2021

Und auch die Perspektive aus diesem Verschieben der neuen Kontraktlaufzeit ab 1. Juli 2021 ist schon abzusehen: Es wird in diesem Kalenderjahr keine weiteren Verhandlungen über Konsummilch mehr geben. Das ist deswegen bitter, da die absehbare Entwicklung auf den Märkten auch einen Rückenwind für die Herbstkontrakte gebracht hätte. Und wenn dann über die nächste Kontraktperiode ab Januar 2022 verhandelt wird, geht es wohl ziemlich sicher nicht mehr nur um den Preis: Dann wird zumindest bei der Konsummilch für die Eigenmarken des Handels auch die Haltungsformkennzeichnung eine nicht unbedeutende Rolle spielen.

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Trinkmilch: Erst Jahres-, dann Halbjahreskontrakte

Der Ursprung des „Milchkontrakt- Politikums“ liegt Jahre zurück: 2007 mit einem ungeahnten Höhenflug der Milchpreise und Anfang 2008 mit gleicher Volatilität wieder rückwärts.

Im Frühjahr 2008 hat der Handel bei den Preisverhandlungen den Molkereien für die Konsummilch bis zu 14 Cent pro Liter weniger zugestanden. Auch deswegen folgte der Milchlieferboykott – und die Kontraktverhandlungen vor allem für die standardisierten Produkte Butter (250 g) und die Konsummilch (1 l), Eigenmarken des Handels, wurden fortan zu einem immer wieder öffentlich diskutierten Ereignis. Ob dies nun gut oder doch negativ für die Erzeugerseite ist, sei dahingestellt: Zu viel Transparenz kann aber auch schädlich sein.

Trotzdem erscheint in jüngster Zeit ein Einmischen von Milcherzeugern und Politik wieder mehr denn je notwendig: Einerseits gingen zu viele Verhandlungen weit entfernt von dem logischen Marktprinzip von Angebot und Nachfrage aus. Andererseits versucht der Lebensmitteleinzelhandel mit seiner Marktmacht, sich mit immer neuen Einfällen Vorteile im Wettbewerb gegeneinander und in der Wertschöpfungskette zu schaffen.

Bis zum Frühjahr 2008 wurden für die komplette Produktpalette der weißen Linie, neben der Konsummilch vor allem noch Sahne, Quark und die Kondensmilchen, beginnend mit April oder Mai, Kontraktvereinbarungen für zwölf Monate abgeschlossen.

Nach dem Milchlieferboykott im Juni 2008 wurden, abweichend vom dramatischen Absenken der Produktpreise wenige Wochen vorher, die Abgabepreise der Molkereien für Konsummilch um 10 Cent angehoben, die Verbraucherpreise allerdings nur um 7 Cent. Analog stiegen die Abgabe- und Verbraucherpreise für Butter um 20 Cent/250 g.

Als sich die Marktsituation im Laufe des Jahres 2008 nicht verbesserte, erfolgten erstmals im Herbst bereits für die „weiße Linie“ neue Kontraktverhandlungen: Seitdem hatte der Halbjahresturnus Bestand – bis zu diesem Frühjahr. Die Verkürzung der Kontraktdauer muss per se nicht schlechter für die Erzeuger sein. Gerade aus deren Reihen wurde in den Folgejahren häufiger gefordert, die Kontraktlaufzeiten nochmals zu verkürzen. Damit sollten die in dieser Periode stark volatilen Milchmärkte auch bei den Milchpreisen schneller und besser abgebildet werden.

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