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Nachhaltigkeit ist im Trend

Viel Unternehmen schreiben sich das Thema Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen. Auch Molkereien fordern von den Erzeugern zunehmend Nachweise über nachhaltiges Wirtschaften.

Lesezeit: 7 Minuten

Wie Molkereien berichten, verlangen inzwischen immer mehr Abnehmer den Beleg nach­­haltiger Arbeitsweisen auf den Erzeugerbetrieben. Die Milchverarbeiter reagieren darauf und entwickeln Programme, um das Engagement der Landwirte voranzutreiben.

Um den Status quo der Nachhaltigkeit des gesamten Sektors zu erfassen, entwickelte das Thünen-Institut das QM-Nachhal­tigkeitsmodul Milch. Das Modul, das als Branchenlösung gedacht ist, nutzen allerdings nicht alle Molkereien. Manche entwickeln eigene Programme, andere setzen auf ihre seit Jahren etablierten Methoden. Im folgenden Beitrag lesen Sie anhand von zwei Beispielen, wie unterschiedlich Milchverarbeiter mit dem Thema umgehen und welche Konsequenzen das für die Erzeuger hat:

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Nachhaltiger im neuen Stall?

Die Herde von Familie Mix aus Surberg (Bayern) ist im vergan­genen Jahr in ihren neuen Laufstall eingezogen. Dieser bietet Platz für 43 Kühe. „Aktuell sind dort 32 Laktierende der Rasse Fleckvieh sowie fünf Trockensteher untergebracht“, erklärt Christian Mix. Im alten Stall standen 27 Kühe ganzjährig in Anbindehaltung, nur das Jungvieh kam auf die Weide. Jetzt können die Tiere auf einem Laufhof Sonne tanken und im kommenden Jahr sollen sie zusätzlich Weidegang erhalten.

Der Umzug in den neuen Stall kam zur richtigen Zeit. Denn seit Beginn des Jahres 2020 vermarktet die Molkerei Berchtesgadener Land keine Milch mehr aus ganzjähriger Anbindehaltung unter ihrer Marke. „Wir erfassen die Milch zwar noch, verkaufen sie aber an andere Verarbeiter“, erklärt Pressesprecherin Barbara Steiner-Hainz. Die ganzjährige Anbindehaltung passt nicht (mehr) zur Philosophie der Genossenschaft. Nach Angaben der Molkerei spielen die drei Säulen der Nachhaltigkeit Ökonomie, Ökologie, Soziales eine große Rolle. „Ein fairer, überdurchschnittlicher Milchpreis für unsere Landwirte ist Ausgangspunkt für eine nachhaltige Wertschöpfungskette in der Milchwirtschaft“, erklärt die Molkerei-Vertreterin.

Damit sichern wir die Existenz der Betriebe.“ - Barbara Steiner-Hainz

Auflagen für Milcherzeuger

Eine nachhaltige Produktion stellt die Molkerei auch mit zusätzlichen Auflagen sicher: Für den Milchpreis von derzeit rund 36 ct/kg dürfen die Lieferanten kein Glyphosat einsetzen. Seit zehn Jahren füttern alle GVO-freies, aus Europa stammendes Futter. Vorgaben gibt es auch bezüglich der Betriebsgröße: Landwirte, die ihre Bestände vergrößern wollen, müssen zuvor mit der Molkerei Rücksprache halten. Im Durchschnitt halten die Lieferanten 27 Kühe pro Betrieb. Um die kleinbäuerlichen Strukturen zu erhalten, zieht der Milchverarbeiter Betrieben mit einer Liefermenge von mehr als 1 Mio. kg pro Jahr 1 ct/kg Milchgeld ab. Bei mehr als 2 Mio. kg Jahresanlieferung gibt es 10 ct/kg Abzug. „Wir haben nicht größer gebaut, weil wir die Arbeit auch weiter mit der Familie schaffen wollen“, erklärt Christian Mix. Der 48-­­Jährige betreibt zusätzlich zur Landwirtschaft noch einen Zimmereibetrieb.

Almwirtschaft ist Arbeit

Er und seine Frau Renate bewirtschaften 26 ha Dauergrünland und 5,5 ha Ackerland auf dem sie Mais und Kleegras anbauen. Die Hofstelle liegt etwa 600 m über Null. Das Jungvieh läuft nicht nur auf Weiden rund um den Hof, sondern auch auf einer Alm. „Damit leisten wir einen Beitrag zur Artenvielfalt“, erklärt Renate Mix.

Die Idylle auf den Almen bedeutet sehr viel Arbeit, teilweise noch mit der Hand." - Renate Mix

Zur Nachhaltigkeit zählt auch die soziale Komponente. Deshalb schätzt Familie Mix die Fortbildungsangebote der Molkerei. Dazu zählen nicht nur fachliche Themen, sondern auch der Umgang mit Stress und Belastung. Das Ehepaar ist sich einig: „Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag ist uns sehr wichtig.“


Arla-Lieferanten im Klima-Check

Arla will die Treibhausgasemissionen vom Euter bis zum Milchregal in den nächsten zehn Jahren um 30 % pro kg Milch senken. Darüber hinaus will die europäische Molkereigenossenschaft bis 2050 auf Netto-Null-Emissionen kommen. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, ist Arla auf die Hilfe der Erzeuger angewiesen. „Rund 86 % der Emissionen des gesamten Herstellungsprozesses stammt von den Höfen“, erklärt Arla-Sprecher Markus Teubner. „Die restlichen 14 % verursacht die Verarbeitungsseite u. a. durch Produktion und Logistik.

Status quo ermitteln

Über das sogenannte Klimacheck-Programm können die Lieferanten seit diesem Jahr ihren Status quo ermitteln und daraus Verbesserungsprozesse für ihren Betrieb ableiten. „Wir haben das Modell aus Eigeninitiative entwickelt“, erklärt Teubner.

Der Handel hat bislang noch keine konkreten Nachweise von uns gefordert.“ - Markus Teubner

Es geht darum, die Betriebe zu animieren, so wenig Treibhausgas wie möglich pro kg Milch freizusetzen. Einen ersten Überblick soll der CO2-Fußabdruck geben. Manfred Graff aus Simmerath (Nordrhein-Westfalen) ist Aufsichtsratsmitglied bei Arla und war an der Programmentwicklung beteiligt. Er bewirtschaftet mit seinen Söhnen Mirko und Michael einen Milchviehbetrieb mit 250 Kühen und 200 ha Grünland. Graffs legen seit Jahren Wert auf Kreislaufwirtschaft. Aus diesem Grund bauten sie bereits 2001 eine Kofermentationsbiogasanlage. Darin vergären Gül­­le und Reststoffe aus Fettabscheidern von Gastronomen der Region.

Der Arla-KlimaCheck

Der Klimacheck besteht aus zwei Schritten: Entscheiden sich Landwirte für die Teilnahme, erfassen sie ihre individuellen Betriebsdaten in einem digitalen Dokumentationssystem. Dabei sind alle Prozesse zu berücksichtigen, die mit der Milchproduktion in Ver­bindung stehen. Den CO2e-Fußabdruck des Betriebes berechnet Arla je kg Milch. Dafür rechnet die Molkerei CO2, Lachgas und Methan in CO2-­Äquivalente (CO2e) um.

Um die Ergebnisse der ersten Dateneingabe von Familie Graff zu bewerten, kam eine externe Beraterin auf den Betrieb. Gemeinsam mit den Landwirten leitete sie Verbesserungsprozesse ab. „Aktuell stehen wir bei 0,92 CO2e/kg energiekorrigierte Milch (ECM)“, sagt Mirko Graff. Zum Vergleich: Der europäische Emissionsdurchschnitt bei allen Arla-Betrieben liegt bei 1,15 CO2e/kg Milch.

So können wir Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit sein.“ - Manfred Gaff

Familie Graff profitiert im Klimacheck von der Biogasanlage, da ihr Betrieb dadurch autark ist. Schlechter stehen sie bei der Remontierungsrate da. „Wir haben vor kurzem zwei ­Herden übernommen. Durch ein­ge­schleppte Infektionen kam es danach zu Tierverlusten.“, erklärt Mirko Graff. Die Herdenleistung liegt aktuell bei 9 000 kg pro Kuh und Jahr.

Im ersten Jahr nahmen rund 90 % der Arla-Lieferanten aus Deutschland an dem Programm teil. Dafür erhalten sie unabhängig von ihren Ergebnissen einen Zuschlag in Höhe von 1 ct/kg Milch. Für die Finanzierung zieht Arla einen Cent beim Grundpreis ab.Bei fortlaufender Programmteilnahme sind die Landwirte einmal pro Jahr dazu aufgefordert, ihre Daten einzugeben. Nach jeder Eingabe erfolgt der Besuch eines externen Berater, um die Ergebnisse zu prüfen.

Obwohl der Klimacheck mehr Aufwand bedeutet, sind sich Graffs einig, dass sie von dem Modul profitieren. „Wir sehen Dinge, über die wir uns vorher nicht im Klaren waren“, so der Seniorchef. Sein Sohn ergänzt: „Es hängt von jedem einzelnen Landwirt ab, was er aus seinen Ergebnissen macht.“ Positiv nehmen sie auch wahr, dass die Molkerei durch die Datengrundlage eine bessere Marktposition gegenüber Mitbewerbern hat. „Das Programm ermöglicht uns, wichtige Fragen der Gesellschaft mit Zahlen zu belegen“, erklärt Manfred Graff. „So können wir Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit sein.“

Kommentar von Kirsten Gierse-Westermeier : Mehrwert nur für Kunden oder auch für Milcherzeuger?





Das Thema Nachhaltigkeit liegt im Trend und dafür gibt es gute Gründe: Teile der Gesellschaft interessieren sich zunehmend für die Entstehung ihrer Lebensmittel. Die Ressourcen der Erde sind nicht unendlich und auf vielen Betrieben schlummern bisher unentdeckte Potenziale. Einmal erkannt, können diese durchaus wirtschaftliche Vorteile nach sich ziehen.



Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Nachhaltigkeitsprogramme für viele Erzeuger mit Mehraufwand verbunden sind: Sie müssen Nachweise sammeln und Zahlen dokumentieren. Einige Molkereien schaffen zwar ­finanzielle Anreize zur Teilnahme, ­ziehen dafür aber an anderer Stelle Milchgeld ab. Das ist auf Dauer keine Lösung. Der Mehraufwand muss sich auf der Milchgeldabrechnung zeigen.



Wenig sinnvoll ist, wenn sich ­Molkereien hinsichtlich der Auflagen ­gegenseitig überbieten, um sich in den Supermarktregalen zu profilieren. Die Milcherzeuger brauchen ein ­einheitliches Vorgehen, das sowohl für Landwirte als auch für Verbraucher sowie für Handelspartner nachvollziehbar ist und einen Mehrwert bietet. Das QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch vom Thünen-Institut liefert passenden Ansätze, um die Ergebnisse des Sektors gesammelt nach Außen zu tragen. Dafür eignet sich die von der Sektorstrategie 2030 angekündigte Branchenkommunikation.



Nachhaltigkeit geht nur gemeinsam: Handeln Verbände, Institutionen und Molkereien nicht im Sinne der Milcherzeuger, wächst der Frust auf den Höfen. Das könnte ein weiterer Grund sein, dass mehr Milcherzeuger ihre Stalltüren schließen. Was hätte das noch mit Nachhaltigkeit zu tun?

Diesen Beitrag lesen Sie auch in der top agrar 10/2020.

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