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Obsalim: Mit Karten die Fütterung checken

Mechthild Knösel gehört zu den ersten Landwirtinnen in Deutschland, die die Fütterung ihrer Kühe mit der französischen Obsalim-Methode kontrollieren.

Lesezeit: 8 Minuten

Was sagen ein schmutziges Flotzmaul oder Leckstellen hinter dem Schulterblatt über die Gesundheit meiner Kühe aus? Für Mechthild Knösel eine Menge. Sie beschäftigt sich seit vier Jahren intensiv mit der sogenannten Obsalim-Methode und sagt: „Die auf den Karten abgebildeten Symptome sind ein Spiegel des Stoffwechsels der Wiederkäuer.“

Obsalim steht im Französischen für „observation d’alimentation“ und heißt übersetzt „die Fütterungsbeobachtung“. Bruno Giboudeau ist der Erfinder. Mehr als 20 Jahre Arbeit steckte der Tierarzt in sein System. Dabei untersuchte er, welche Veränderungen am äußeren Erscheinungsbild von Wiederkäuern es gibt und welchen Rückschluss sie auf den Stoffwechsel des Tieres zulassen. Dafür orientierte er sich zum Beispiel an Merkmalen von Milch, Kot und Harn. Das Ergebnis sind umfangreiche Kartensätze für Rinder, Schafe und Ziegen. Zu Obsalim gehören zusätzlich zur Diagnose auch Fütterungs- und Managementempfehlungen, die den Stoffwechsel der Tiere wieder auf die richtige Bahn bringen sollen.

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Schlagartig überzeugt

Mechthild Knösel ist auf dem Hofgut Rengholtshausen in Überlingen (Baden-­Württemberg) hauptverantwortlich für 50 Braunviehkühe plus Nachzucht und eigener Mast. Der Demeterbetrieb verzichtet gänzlich auf Kraftfutter und erreicht mit Vollweide, beziehungsweise Heufütterung im Winter über das Jahr eine Grundfutterleistung von rund 5.000 kg Milch.

Nachdem sie auf verschiedenen Veranstaltungen und bei Kollegen in der benachbarten Schweiz mehrfach von Obsalim hörte, lud sie Giboudeau aus Frankreich zu sich ein. „In dem Sommer war das Futter auf der Weide knapp und ich holte die Kühe von der Vollweide in den Stall“, sagt Knösel. Viermal täglich fuhren die Mitarbeiter raus, um Frischgras zu ernten. Giboudeau führte sein Beobachtungssystem vor und kam anhand der Kombination der Symptome zu dem Schluss, dass die Kühe „überfüttert“ sind. Er riet der Landwirtin, nur noch zweimal täglich zu Füttern und die Menge zu halbieren. „Ich habe mich aus Neugierde daran gehalten, aber bin vor Sorge um meine Tiere fast umgekommen“, erklärt sie. Bisher konnte eine Kuh für sie gar nicht genug fressen. Das Ergebnis begeisterte sie allerdings. Die Obsalim-­Symptome verschwanden, die Milchmenge blieb gleich, der Body-­Con­dition-Score (BCS) stabil. Mit halber Menge und Aufwand erzielte sie das gleiche Ergebnis.

„Bruno Giboudeau vergleicht die Futteraufnahme mit dem Einkaufen und das Wiederkauen mit Kochen und essen“, erklärt die Landwirtin. „Ich habe meine Kühe durchgängig einkaufen geschickt, aber ihnen keine Zeit zum Essen gelassen.“ Die Futtereffizienz war mit der Umstellung doppelt so hoch. Das hätte auch die Kotauswaschung gezeigt, die deutlich weniger Faserreste beinhaltete. „Da wurde mir klar, das System hat für Landwirte auch wirtschaftlich unglaubliches Potenzial“, sagt die Milchviehhalterin.

Systematischer Kartensatz

Der Obsalim-Kartensatz für Rinder besteht aus rund 60 Karten. Die Karten sind in verschieden farbige Fokusbereiche wie Nase, Haarkleid, Augen, Harn und Kot aufgeteilt. Auf jeder Karte befindet sich ein Bild, das ein Symptom zeigt. Beispielsweise ist ein abstehender Haarkamm auf dem Widerrist abgebildet (siehe Seite R 20). Im unteren Kartenteil steht eine Skala. Diese enthält sieben Zeilen, die folgende Parameter darstellen:

  • Ef = Fermentierbare Energie aus der Ration für den Pansen,
  • Eg = Gesamte Energie, die dem Tier zur Verfügung steht,
  • Sf = Verfügbares Eiweiß im Pansen,
  • Sg = Verfügbares Eiweiß für das gesamte Tier,
  • FF = Feine, schnell fermentierbare Faser,
  • FS = Strukturierte, langsam ­fermentierbare Faser,
  • PS = Pansenstabilität, pH-Wert-Schwankungen.

Die einzelnen Parameter erhalten je nach Symptom Punkte zwischen – 2 und + 2. Der abstehende Haarkamm am Rücken führt zu – 1 Punkt für die Pansenstabilität, es ist also ein Zeichen für pH-Schwankungen.

Karten kaufen und Loslegen?

„Man kann als Anfänger nichts gravierend falsch machen, das System beherrscht man aber dennoch nicht von heute auf morgen“, sagt Knösel.

Wenn die Landwirtin als mittlerweile ausgebildete Trainerin und Vertragspartnerin für das System auf einen Betrieb fährt oder ihre eigenen Kühe durchleuchtet, geht sie nach einem festen Schema vor:

Als Erstes bewertet sie die Homogenität bzw. Gleichmäßigkeit der Herde. „Wiederkäuer sind Rhythmustiere. Je mehr Rinder bezüglich Verhalten, BCS, Vitalität und Fellglanz gleich sind, desto besser“, erklärt Knösel. Je heterogener die Herde erscheint und sich verhält, desto sicherer finde sie eine Menge Obsalim-Symptome.

Anschließend wirft sie einen Blick auf die Sauberkeit der Kühe. Schmutz und Kot unterhalb einer imaginären Linie zwischen Kniegelenk und Schulter sind ein weiterer Hinweis auf ein Fütterungsproblem. Oberhalb der Linie sind oft eher Haltungsfehler die Ursache. „Das System zaubert eine Überbelegung auch nicht weg. Klare Haltungsprobleme müssen Betriebe vorher klären“, beschreibt die Milchviehhalterin.

Nun nimmt Knösel die Karten zur Hand. Eine Karte ist dann relevant, wenn das Bild bei mindestens 50 % der Herde, besser bei zwei Drittel der Kühe auftritt. „Wir betrachten die Herde, weil wir aufgrund der Reaktion eines Einzeltiers keine Rückschlüsse auf alle Kühe ziehen wollen“, sagt Knösel.

Während Anfänger zur Übung am besten alle Karten von vorne bis hinten durcharbeiten, hat die Landwirtin die gängigsten Bilder mittlerweile im Kopf. „Am besten startet man mit den Symptomen, die ins Auge stechen“, sagt sie.

Dazu zählen beispielsweise Leckstellen hinter dem Schulterblatt, Giboudeaus nennt sie „pHG-Zone“ und meint damit feuchte und wellige Haarstellen, die durch das Lecken oder Kratzen der Kühe in dem Bereich entstehen. Nach Obsalim ist dies ein Zeichen für eine vorübergehende pH-Wert-Absenkung im Pansen (PS-Wert = – 2), welche wiederum die Fermentation stört (FS-Wert = – 1). Grund dafür ist eine hohe Aufnahme schnell abbaubarer Kohlenhydrate (EF-Wert = + 2, FF-Wert = + 1) bei zu geringer Wiederkauaktivität.

Ergebnis richtig deuten

Einzelne Karten haben keine Aussagekraft. Erst mit wenigstens drei Bildern/Karten aus verschiedenen Fokusbereichen lässt sich ein Schluss ziehen. „Es ist kein Problem, wenn man einzelne Symptome übersieht“, erklärt Knösel.

Für die Endauswertung addiert sie die Zahlenwerte der Skalen aller ermittelten Karten. So ergeben sich für die Parameter zu Pansenstabilität (Ps), Eiweißversorgung (Sg) usw. jeweils positive oder negative Summen. Ein negatives Endergebnis weist auf einen limitierenden Faktor/Mangel in der Ration hin, ein positiver auf einen Überschuss. Bei trockenstehenden Kühen ist das Ziel eine Null in der Summe der Zahlenreihe, bei Laktierenden ein leichtes Plus. Wichtig für einen ausgeglichenen Stoffwechsel ist, dass die Zahlenreihe möglichst geringe Ausschläge nach oben oder unten aufweist. Wer lieber digital arbeitet, kann das ganze System auch als App herunterladen.

In einem dazugehöriger Leitfaden finden Rinderhalter dann den Schlüssel, um das Endergebnis, bzw. die Zahlenreihe, zu deuten. Zudem gibt Giboudeau dort jeweils Handlungsempfehlungen für Totale Mischrationen, Heufütterung und weidebasierte Systeme (mit und ohne Kraftfutter). Mit den Hinweisen und Tipps aus dem Leitfaden können sich die Landwirte in Kombination mit den Futteruntersuchungen und Leistungsdaten auf Fehlersuche begeben und an der Fütterung feilen.

Mechthild Knösel gibt dazu ein weiteres Beispiel aus ihrem Stall, in dem sich Jungvieh und Milchkühe am Futtertisch gegenüber stehen. Als sie im Winter nur Heu fütterte, hatten beide Gruppen genau entgegengesetzte Ergebnisse auf der Obsalim-Skala. Die einen waren über-, die anderen unterversorgt. „Dann ist es mir aufgefallen: Wir haben in der Zeit die Heureste der Kühe vor der nächsten Fütterung zu den Rindern geschoben“, erklärt die Landwirtin. Während die Kühe dank eines üppigen Angebotes stark selektierten, bekamen die Rinder die gröberen Überbleibsel. Als Ergebnis erhielten fortan beide Gruppen das selbe Heu in kleineren Mengen. „Wenn die Symptome verschwinden, weiß ich, dass meine Maßnahme funktioniert hat“, sagt Knösel. Praktisch ist, dass alle Karten auch einen Zeitraum für das Auftreten und das Abklingen des Symptoms angeben. So kann die phG-­Zone innerhalb von zwei Stunden auftreten oder verschwinden, der aufgestellte Haarkamm benötigt z.B. 24 Stunden. Eine Erfolgskontrolle ist also immer möglich.

Gemeinsam lernen

Die Verfechter der Methode verstehen Obsalim als Frühwarnsystem. „Die Milchkontrolle kommt monatlich und damit oft zu spät. Obsalim funktioniert in Echtzeit“, ist Knösel überzeugt. Die Daten aus der MLP und beispielsweise der Futteruntersuchung seien aber sehr wichtig, um diese mit den Informationen und Fragestellungen aus dem Leitfaden zu ergänzen. „Mich begeistert an Obsalim, dass ich meine Fütterung mehr als vorher selbst in der Hand habe und nicht ganz auf externe Berater und Programme angewiesen bin“, sagt sie.

Auf ihrem Betrieb nimmt sich die Milchviehhalterin einmal monatlich parallel zur Milchkontrollauswertung Zeit, und macht bewusst eine Obsalim-Runde durch den Bestand. Dabei kann sie alle Altersgruppen bewerten, die keine Milch mehr erhalten. Durch genaue Beobachtung und Interpretation zeigen ihr Kühe, Jungvieh und Bullen nun selbst, was zu tun ist.

Bisher gibt es in Deutschland laut Knösel nur eine Handvoll Betriebe, die das System vollständig anwenden. Die Landwirtin hat gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) in der Schweiz Versuche mit Obsalim durchgeführt. In Nachbarländern wie Belgien und besonders Frankreich haben sich interessierte Rinderhalter zu Arbeitsgruppen zusammengetan. „So kann ein erfahrener Trainer gemeinsam mit Landwirten die Methode erarbeiten und alle sammeln Schritt für Schritt die notwendigen Praxiserfahrungen“, erklärt Knösel. Diese Zusammenarbeit ist auch ihr Wunsch für die Zukunft von Obsalim in Deutschland.

Diesen Beitrag finden Sie auch in der aktuellen top agrar-Ausgabe 9/2020 auf Seite R18.

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