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Optimierte Kälberaufzucht auf Biobetrieb

Biolandwirt Friedrich Kinkelbur hatte Probleme im Kälberstall. Er stellte sein Konzept auf den Prüfstand und optimierte an verschiedenen Stellen. Wir haben uns das Ergebnis angeschaut.

Lesezeit: 7 Minuten

Wenn Friedrich Kinkelbur seinen Stall betritt, schauen ihm kräftige Kälber neugierig entgegen. Das war nicht immer so. Denn in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Problemen: Die Gruppen wuchsen in der Tränkephase auseinander, die Jungtiere besaugten sich ge­genseitig an Euter, Schwanz und Nabel. Eine Konsequenz war, dass ­einige ­Rinder bereits als Dreistriche kalbten. Für den Bio-Landwirt aus Minden (Nordrhein-Westfalen) konnte es so nicht weitergehen. „Ich wollte nicht die Symp­tome behandeln, sondern die Ursachen bekämpfen“, sagt er rückblickend.

Projekt Aufzucht optimieren

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Er wurde auf ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördertes Projekt aufmerksam. Das Ziel: Haltungsbedingungen zu verbessern, um gegenseitiges Besaugen in der Kälberhaltung zu reduzieren. Das Projekt lief unter dem Namen „Modell und Demonstrationsvorhaben Tierschutz“ (MUD), finanziert von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Vorgaben waren, eigene Ideen zur Verbesserung der Kälberhaltung zu entwickeln, diese in die Praxis umzusetzen und dabei die Kälber möglichst früh in Gruppen zu halten. Da die Nachzucht bei konventionell wirtschaftenden Betrieben meistens länger in Einzelboxen untergebracht ist, starteten Kinkelbur und vier weitere Biobetriebe im August 2016 in das Projekt.

Kinkelbur arbeitet mit zwei Festangestellten auf seinem Betrieb. „Das Projekt haben wir als Team gemeistert“, erklärt der Milcherzeuger. Zunächst lag der Fokus darauf, die Haltung zu optimieren. „Eine einzelne Ursache für das gegenseitige Besaugen der Kälber gibt es nicht“, ist der Betriebsleiter überzeugt. „Auslöser können Stress, Langeweile, zu wenig Platz, Hunger, Salzmangel oder ein unbefriedigtes Saugbedürfnis sein“, erklärt der Landwirt.

Wir haben Bäume und Hecken gepflanzt, damit die Tiere jederzeit vor zu viel Sonne, Wind und Regen geschützt sind. - Friedrich Kinkelbur

Die alten Kälberhütten musste weichen. Kinkelbur tauschte sie durch neue Kunststoff-Doppelboxen mit herausnehmbarer Mittelwand aus. „Dadurch haben die Kälber ein besseres Klima und mehr Platz während der Biestmilchphase“, sagt der Betriebsleiter. Ein Abdach schützt vor Regen, ein Windnetz vor Zugluft.

Die Kälbergruppen hält Kinkelbur im Altgebäude, das er ebenfalls sanierte. Zusätzlich zur Umgestaltung des Stall­inneren erneuerte der 50-Jährige das Dach. Isolierende Sandwichelemente sorgen seitdem für ein verbessertes Klima. Ein Kälbernest soll die Tiere vor Kaltluft schützen. In der ökologischen Landwirtschaft haben Kälber ganzjährig Anspruch auf Auslauf. Diesen erreichen die Tiere auf dem Hof Kinkelbur über einen Ausgang im Liegebereich. Um Zugluft zu vermeiden, baute der Betriebsleiter einen Windfang vor das Gebäude. Dennoch steigt durch den Zugang zum Außenbereich bei ungünstigen Witterungen das Erkrankungsrisiko. Doch auch dafür fand das Team eine Lösung: „Wir haben Bäume und Hecken gepflanzt, damit die Tiere jederzeit vor zu viel Sonne, Wind und Regen geschützt sind“, erklärt der Milcherzeuger.

Management umgekrempelt

Das Team stellte nicht nur die Haltung der Kälber, sondern auch das eigene Management auf den Prüfstand: Im ersten Schritt optimierten sie die Biestmilchversorgung. Seit 2018 überprüfen sie die Kolostrumqualität mit einem Refraktometer. „Wir füttern nur noch hochwertige Biestmilch an die Kälber“, erklärt Kinkelbur. Und ergänzt: „Möglichst schnell und möglichst viel.“ Überschüsse frieren sie als Reserve ein. Die Kälber erhalten zusätzlich standardmäßig nach der Geburt eine Eisen- und Selengabe.

Von den fünf Arbeitskräften sind auf dem Betrieb Kinkelbur drei abwechselnd für die Kälber zuständig. „Damit alle Mitarbeiter über das Trinkverhalten und den Gesundheitszustand informiert sind, haben wir ein Dokumentationssystem eingeführt“, schildert der Betriebsleiter. An jeder Box ist auf einer Karte festgehalten, wie viel Milch das Kalb getrunken und im Eimer zurückgelassen hat.

Die gleichen Informationen erfasst das Team während der Gruppenphase je Gruppe. „Mithilfe der Dokumentation erkennen wir früher, ob ein Kalb kränkelt“, erklärt Kinkelbur. Das Ansteckungsrisiko in Gruppen ist besonders hoch. Krankheitsvorbeuge ist für den Biomilcherzeuger wichtig, denn ein Kalb in biologischer Haltung darf höchstens drei antibiotische Behand­lungen pro Jahr erhalten.

Für jedes Kalb einen Kumpel

Auch die Abläufe der Aufzuchtphase veränderten sie: In den ersten sieben Tagen hält Kinkelbur die Tiere einzeln in Kälberboxen. Danach entfernt er die Mittelwand, sodass jeweils zwei Kuh- oder Bullenkälber zusammenstehen. „Die Kälber lernen sich kennen und entwickeln Freundschaften. Jedes Kalb hat quasi seinen Kumpel“, sagt der Landwirt und lacht. Im alten System teilte er die Tiere nach Alter und Größe den Buchten zu. Kamen jüngere Tiere in eine Gruppe, wechselten die Ältesten in die nächste Bucht. „Die Gruppenwechsel mit den permanent neuen Rangordnungen waren Stress für die Kälber“, blickt der Betriebsleiter zurück. Er ist überzeugt, dass die Kälber-Freundschaften positive Auswirkungen haben: „Weil wir die Tiere immer gemeinsam umstallen, gibt der ‚Boxenkumpel‘ Sicherheit in der neuen Umgebung.“ Der Altersunterschied in einer Gruppe ist nie größer als vier Wochen. Während der gesamten Aufzuchtphase bleibt die Gruppenzusammensetzung konstant. In einem Abstand von vier Wochen rotiert jede Kälbergruppe eine Bucht weiter. In der sechsten Bucht stehen die ältesten Kälber. Sie wechseln zur weiteren Aufzucht auf den gepachteten Nachbar­betrieb.

Milch – Die Menge machts

Die Fütterung war ebenfalls Teil des Optimierungsplans. Kinkelbur stellte den Tränkeplan der Kälber von rationiert auf ad-libitum um. Nach etwa acht Wochen erhalten sie wieder eine rationierte Tränke. „Unser Ziel war, zu verhindern, dass die Kälber im Tagesverlauf in ein Energieloch fallen“, erklärt der Milchviehhalter. Inzwischen nimmt jedes seiner Kälber rund 840 bis 900 l Vollmilch in der Tränkephase auf. Zum Vergleich: Mit dem rationierten Tränkeschema waren es etwa 500 l.

Beim Management von Fütterung und Tränke orientiert sich das Team des Biohofes immer an den Bedürfnissen des jüngsten Gruppenmitglieds: „Die ganze Gruppe erhält so lange Milch, bis das jüngste Mitglied zum Entwöhnen bereit ist“, so der Landwirt. Darum sind die Tiere beim Absetzen zwischen zwölf und 16 Wochen alt. Kinkelbur füttert zusätzlich eine Bio-Trocken-Mischration. Ab der achten Lebenswoche gewöhnt er die Jungtiere langsam an die Kuhration. Gegen aufkommende Langeweile im Kälberstall hängen Heusäcke und Spiel­material in den Buchten.

Unsere Kälber sollen nicht erkranken, weil die Eimer nicht gründlich sauber sind. - Friedrich Kinkelbur

Durchsichtige Nuckeleimer sorgen dafür, dass er und sein Team den Milchkonsum stets im Blick haben. Auch für eine gründliche Reinigung sind die transparenten Eimer von Vorteil, denn Verunreinigungen lassen sich von außen besser erkennen. Die Eimerhygiene ist dem Landwirt wichtig: „Unsere Kälber sollen nicht erkranken, weil die ­Eimer nicht gründlich sauber sind“, beschreibt er das klare Ziel. Zweimal täglich bekommen die Kälber einen sauberen Eimer vorgehängt. Um den Transport vom Melkstand zum Kälberstall zu vereinfachen, baute der Betriebsleiter eine Eimerhalterung an das Milchtaxi. Wegen verschiedener Nuckelstärken in weich, mittel und hart sowie verschiedener Lochdurchmesser können Kälber jeden Alters ihr Saugbedürfnis optimal stillen.

Was hat sich verändert?

„Die Kälber wachsen schneller und gleichmäßiger heran“, schildert Kinkelbur die Veränderungen. Er nimmt sie als vitaler und fitter wahr. „Sie fangen früher an zu fressen und ge­wöhnen sich schneller an Futterumstellungen“, beschreibt er seine Beobachtung. Das Energieloch nach dem Abtränken bleibt aus. Außerdem treten Atemwegs­erkrankungen und E. coli bedingte Durchfälle seltener auf, so sein Eindruck. Trotz aller Maßnahmen kommt er nicht umher, hin und wieder Saug­ent­wöhner in die Nase der Kälber einzusetzen. Er und sein Team sind sicher: „Mit der Optimierung der Kälberhaltung, haben wir in die Zukunft des Betriebs investiert.“

BMEL trägt Kosten

Das Sanieren des Altgebäudes kostete Friedrich Kinkelbur rund 90 000 €, davon bezuschusste das BMEL etwa 29 000 €. Lecksteine und Spielmaterial sowie den projektbedingten Mehraufwand erhielt der Biomilcherzeuger zu 100 % zurück. Die Investitionen in die Kälberhütten sowie in das Pflanzgut der Bäume und Hecken wurden mit 40 % unterstützt. „Wenn meine Tiere künftig im Durchschnitt weniger oft erkranken, dann rentieren sich die Maßnahmen allemal“, ist Kinkelbur sicher.

Für die Zukunft erhofft sich der Biomilcherzeuger vitalere Kühe. Im kommenden Jahr hat er mehr Klarheit darüber: Dann kalben die ersten Färsen, die alle Neuerungen während des MUD-Projekts durchlaufen haben.

Den Beitrag finden Sie auch in der aktuellen top agrar-Ausgabe 1/2020, R. 10.

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