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Preisabsicherung: Krisen bestmöglich meistern

Coronabedingt befinden sich Teile der Milchbranche in der Krise. Einige Molkereien bieten ihren Lieferanten an, Festpreise abzusichern. So steht der Preis für einen Teil der Milchmenge vorab fest.

Lesezeit: 10 Minuten

Die Coronakrise hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann: Während Marktexperten vor der Jahreswende für 2020 noch stabile bis steigende Preise vorhersagten, sieht die Situation heute ganz anders aus: Bereits im April forderten erste Molkereien ihre Erzeuger auf, die Milchmenge zu reduzieren. Im gleichen Monat rasselten die ersten Auszahlungspreise schon unter die 30-Cent Marke.

Seit 2007 sind Preisschwankungen auf dem Milchmarkt in Europa und in Deutschland Realität. Hintergrund sind die Deregulierungen auf dem EU-Milchmarkt wie die Absenkung der Interventionspreise, die Abschaffung der Milchquote sowie die hohen internationalen Preisschwankungen.

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Weniger Risiko dank Börse

Seither beschäftigt sich das ife Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel mit dem effektiven Risikomanagement in der Wertschöpfungskette Milch. Im Zuge dessen entwickelte Prof. Dr. Holger Thiele, Leiter der Rohstoffbewertung am ife Institut, im Jahr 2010 den Kieler Börsenmilchwertindex.

Es handelt sich dabei um einen Rohstoffwert für Milch auf Basis der Börsenkurse für Butter und Magermilchpulver. Auf Grundlage dessen entstand 2017 das Milchfestpreismodell für europäische und deutsche Molkereien. Ziel des Modells ist, die Preisunsicherheit der Lieferanten für vorab festgelegte Mengen zu reduzieren. Die Molkerei bietet den Erzeugern dabei einmal oder mehrmals im Monat für die zukünftigen zwölf Monate einen festen Milchpreis. Dieser gilt für eine definierte Gesamtmenge an Milch pro Liefermonat. Die Gesamtmenge, die die Molkerei in das Festpreismodell einstellt, legt sie selbst anhand der dafür geeigneten Milchprodukte (z.B. Sahne oder Butter) fest.

Jeder Lieferant der Molkerei entscheidet nach Erhalt der zwölf Preisangebote, in welchem Monat er einen Teil seiner Milchmenge über das Festpreismodell preislich sichern möchte. Je nach Molkerei liegt die Mindestmenge bei 1000 bis 10000 kg Milch je Landwirt und Monat. Die Höchstmenge variiert von 30 bis 50% der Monatsmenge des Betriebes.

Der Vorteil des Modells ist, dass die Molkereien den Milcherzeugern endlich einen festen Milchpreis für die Zukunft anbieten können ohne dabei selbst zu stark ins Risiko zu gehen“ - Prof. Holger Thiele

Würden die Molkereien dabei erhöhte Risiken aufnehmen müssen, müssten am Ende die Lieferanten darunter leiden. Denn das Risiko würde sich im Genossenschaftsmodell in Form eines Preisabschlags auf den Auszahlungspreis wiederfinden.

An den Kosten für das Festpreismodell beteiligen sich nur die Lieferanten, die auch Menge an der Börse platzieren.

Rechenbeispiel

Das funktioniert so, dass Molkereien ihren Lieferanten einen etwas niedrigen Festpreis anbieten als den, der an der Börse ausgewiesen ist. Wenn beispielsweise ein Börsenmilchwert von 34,5 ct/kg ausgewiesen ist, sendet die Molkerei ihren Mitgliedern ein Festpreisangebot von zum Beispiel 33 ct/ kg Milch (4 % Fett, 3,4 % Eiweiß, ab Hof, zzgl. MwSt.). Die Differenz von 1,5 ct entsteht zum einen durch die Kostenkomponente, die für die Molkerei für die Absicherung entsteht. Zum anderen berücksichtigt die Molkerei zusätzlich wie hoch die Basis, also der Abstand zwischen den eigenen Verkaufspreisen und den Börsenpreisen ist. Die Basis schafft Vergleichbarkeit zwischen regionalen und qualitativen Unterschieden der Milch. Das kann sich beispielsweise in 1 ct/kg Milch ausdrücken.

Bei Marktschwäche sinken die Börsenkurse und die Preise des physischen Markts von Butter, Magermilchpulver und anderen Milchprodukten zum Beispiel um 3 ct/kg. Der Preis von 33,0 ct/kg wäre dem Landwirt dennoch sicher, egal ob der Markt steigt oder fällt. Auch wenn der Verkaufswert der Molkereiprodukte zu dem Zeitpunkt umgerechnet nur noch 30,5 ct/kg Milch betragen sollte.

Die Molkereien bündeln die von den Lieferanten gebotene Menge und geben anschließend die Info, ob die Menge zu dem entsprechend abgesicherten Preis platziert werden konnte.

Kein Börsenwissen nötig

Für die Nutzung des börsenbasierten Festpreismodells ist kein Börsenwissen notwendig. Die Milcherzeuger müssen lediglich die Entscheidung für oder gegen ein Festpreisangebot treffen.

Es geht nicht um den höchsten Milchpreis, sondern um die Verhinderung von Niedrigpreisen und der Sicherung von Deckungsbeiträgen“ - Prof. Holger Thiele

Im Frühjahr 2018 setzte Nordseemilch eG Witzwort in Schleswig-Holstein das Modell als erster deutscher Milchverarbeiter um. Der Finanzdienstleister Intl FCStone unterstützte bei der nötigen Abstimmung und Anbindung der Festpreise an die Börsenkurse.

Als erste süddeutsche Molkerei bietet Hohenlohe den Lieferanten seit April 2019 das börsenbasierte Festpreismodell an. Die Abwicklung erfolgt für Lieferanten und Molkereien direkt durch eine von einem Softwareanbieter erstellte digitale Milchplattform der Molkerei Hohenlohe. Inzwischen bieten mehrere, teils sehr große, Milchverarbeiter in Deutschland ihren Lieferanten das Festpreismodell der digitalen Milchplattform an.

Im Folgenden berichten zwei Milcherzeuger über ihre Erfahrungen:

Reportage: Vorbildfunktion für Berufskollegen

Ralf Klenk sichert einen Teil seiner Menge an der Börse ab. Sein Ziel ist, Erfahrungen zu sammeln.

Im vergangenen Jahr sicherte Milchviehhalter Ralf Klenk aus Murrhardt (Baden-Württemberg) zum ersten Mal einen Teil seiner Milchmenge an der Börse ab. Von Corona war zu dem Zeitpunkt noch keine Rede. Die Börsenpreise waren attraktiv und hoch genug, um seine Betriebskosten zu decken. Klenk hält 150 Kühe plus die weibliche Nachzucht. Vor fünf Jahren investierte er in einen neuen Kuhstall, Anfang dieses Jahres nahm er eine 75-kW-Biogasanlage in Betrieb. Die Milchleistung liegt bei etwa 12000 kg Milch/Kuh und Jahr.

Aus der Krise lernen

Der 48-Jährige liefert seine Milch zur Hohenloher Molkerei (Baden-Württemberg). Molkereichef Martin Boschet befasste sich bereits Ende 2015 mit Warenterminbörsen. Während der Krise 2016 entschloss er sich dazu, allen Lieferanten die Festpreisabsicherung zu ermöglichen. Ende 2018 konnten sich die Mitglieder in einem Seminar mit Prof. Dr. Holger Thiele vom ife-Institut in Kiel und Florian Hildebrand (Intl FCStone) über das Modell informieren.

Im vergangenen Jahr entschied sich Milcherzeuger Ralf Klenk dann zum ersten Mal selbst dazu, Festpreise abzusichern. Maßgabe der Molkerei ist, mindestens 5000 kg Milch und höchstens 30% der Milchmenge abzusichern. Sofern der Preis attraktiv ist, sichert der Landwirt monatlich rund 30000 kg an der Börse ab. Einmal pro Monat, immer am zweiten Mittwoch, kann er Menge bieten. Zwei Tage später erhält er die Info, ob die Platzierung an der Börse geklappt hat oder nicht.

Im Februar erschien der abgesicherte Preis zum ersten Mal auf Klenks Milchgeldabrechnung: Noch 2019 hatte er für diesen Monat 34,20 ct/kg abgesichert. Die Differenz zum Molkereimilchpreis lag im Februar nur bei 0,01 ct/kg.

Das Ziel ist nicht, einen besseren Milchpreis als die Molkerei zu erzielen. Vielmehr geht es darum, die eigene Liquidität zu sichern“ - Ralf Klenk.

Er beobachtet, dass viele seiner Berufskollegen noch Scheu haben, Preise abzusichern. „Das größte Interesse haben Betriebe, die Investitionen getätigt und Verbindlichkeiten bei der Bank haben“, beschreibt der Milcherzeuger seine Beobachtung.

Zurzeit schließt er keine neuen Festpreise ab. Die Preise an der Börse sind für ihn aktuell nicht attraktiv: „Wer Festpreise absichern will, muss seine Kosten genau kennen“, stellt er klar. Für den Sommer ist er allerdings noch durch Kontrakte, die er im Frühjahr abgeschlossen hat, abgesichert.

Reportage: Zufrieden sein mit dem was man hat

Mathis Block beschäftigt sich seitdem er Festpreise absichert intensiver mit dem Milchmarkt. Er hat den Kopf nun freier.

Wenn die Preise an der Börse für mich passen, überlege ich nicht lange und sichere ab“, erklärt Mathis Block aus Osterrade (Schleswig-Holstein). Der 32-jährige Landwirt liefert die Milch seiner 240 Kühe an Nordseemilch eG Witzwort. Er legt Wert darauf, Arbeitsabläufe einfach zu gestalten. Deshalb ist es ihm auch wichtig, dass die Milchpreisabsicherung über die Molkerei gut im Arbeitsalltag zu integrieren ist. Bereits im zweiten Jahr ist er regelmäßig an der Börse tätig.

Der Geschäftsführer von Nordseemilch Christoph Bossmann sammelte schon vorher Erfahrungen: Seit 2015 sichert die Meierei als Frischmilchlieferant für den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Festpreise ab. „Nach unseren ersten Börsentätigkeiten lag es nahe, auch unseren Mitgliedern eine einfache aber wirkungsvolle Hilfe in Bezug auf Milchpreisschwankungen anzubieten“, erklärt er. Dabei übernimmt die Molkerei die Organisationsabwicklung mit der Börse und stellt die für die Platzierung notwendige Liquidität bereit.

Mathis Block ist Mitglied im Vorstand der Molkerei und hat die Entwicklung des Systems begleitet: „Es muss übersichtlich sein und ich muss schnell und auf kurzem Weg absichern können“, beschreibt er seine Anforderungen. Die Molkerei setzte genau das um. Jetzt kommt es häufig vor, dass Block zwischendurch aus dem Stall oder vom Trecker aus per Smartphone seine gewünschte Milchmenge platziert. Dabei ist die Menge, die er absichern kann, begrenzt: Das Vorjahr gilt als Referenzzeitraum. Jeder der 130 Milcherzeuger kann monatlich die Hälfte seiner Vorjahresmenge absichern.

Besser planen können

Da der Auszahlungspreis der Molkerei stark von den Trinkmilchkontrakten mit dem LEH abhängt, kann Block gut abschätzen, auf welchem Level die Molkerei auszahlen wird. Über die regelmäßigen Rundschreiben seiner Meierei hat er parallel die Börsenpreise im Blick.Das Wissen, Preise abgesichert zu haben, mit denen er gut leben kann, schafft Zufriedenheit.

Ich schaue kaum noch auf die Milchpreise anderer Molkereien. Mithilfe der Festpreise stelle ich sicher, dass ich gut durch die kommende Monate komme und kann mir Gedanken um andere Dinge machen“ - Mathis Block.

Bossmann beschreibt einen weiteren Vorteil aus Molkereisicht: „Durch die Milchpreisabsicherung kann jeder erkennen, dass die Höhe der Auszahlungspreise nicht nur von der Arbeit der Molkerei, sondern auch stark vom weltweiten Marktgeschehen abhängt.“ Nach seiner Erfahrung erleichtert das manche Diskussion in Bezug auf die Milchpreise.

ÜBER DEN TELLERRAND GESCHAUT: DIE USA GEHEN VORAN

In den USA ist die Preisabsicherung an der Börse bereits seit Jahren etabliert. „Hier sind die von der Molkerei angebotenen Programme ein wichtiger Baustein im betrieblichen Risikomanagement der landwirtschaftlichen Betriebe“, erklärt Robert Cheslar, Executive Director Global Dairy and Foods Group Intl FCStone.



Schon seit 1994 können Marktbeteiligte am Terminmarkt Milchprodukte absichern. In Deutschland ist das erst seit 2010 möglich. Molkereien oder Landwirte können in den USA zusätzlich zu den sogenannten Future-Kontrakten auf Käse, Butter, Molkenpulver und Magermilchpulver auch „Class III“ und „Class IV“ handeln. Über den sogenannten Class III Future wird vor allem Milch abgesichert, die in die Käseproduktion fließt. Im Class IV Future geht es insbesondere um die Absicherung von Butter und Magermilchpulver. Seit dem Start Mitte der 90er-Jahre stieg das Handelsvolumen an der US-Terminbörse CME stetig. Mittlerweile werden dort jährlich 78 Mio. t Milchprodukte gehandelt. Zum Vergleich: In Deutschland sind es derzeit etwa 85000 t.



In den vergangenen zehn Jahren hat nahezu jede Molkerei oder jeder Milchhändler in den USA ein Festpreismodell implementiert. Etwa 40 bis 50% der US-Milchmenge werden inzwischen über den Terminmarkt abgesichert. Größere Farmen, wachstumsorientierte Betriebe oder auch Höfe mit einem hohen Fremdkapitalanteil nutzen das Festpreismodell intensiv, um Volatilitäten vorzubeugen.



Die größte amerikanische genossenschaftliche Molkerei Dairy Farmers of America (DFA) bietet seit mehr als zwei Jahrzehnten Festpreismodelle an. Edward Gallagher, President DFA Risikomanagement erklärt: „Das Nutzen eines solchen Risikomanagementinstruments ist heute für einen landwirtschaftlichen Betrieb genauso wichtig für den betrieblichen Erfolg, wie die Produktion von qualitativ hochwertigem Futtermitteln.“



Das berichtet: Florian Hildebrand, INTL FCStone

Diesen Beitrag lesen Sie auch in der top agrar 7/2020.

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