Insbesondere in großen Betrieben stellt sich häufig nach einigen Jahren der Optimierung die Frage: Sollten wir unsere Kühe jetzt auch dreimal anstatt zweimal täglich melken?
Um bei dieser Frage objektiv zu bleiben, arbeitet die Agrarberatung Unterweser e.V. (Niedersachsen) mit einer Rechenvorlage, die Milcherzeuger mit eigenen Zahlen füllen können. Ein Blick in die Übersicht 2 zeigt, dass die Kalkulation knapp ist. Faktoren wie die Futter- oder Personalkosten können das System leicht unrentabel machen.
Trotzdem halten Milcherzeuger meist am dreimaligen Melken fest, wenn sie einmal damit angefangen haben. Tierärztin Dr. Marion Ahlers von der Agrarberatung Unterweser e.V. erklärt die Vor- und Nachteile.
Das sind die Vorteile
Milchleistung: An erster Stelle steht für Landwirte in der Regel die erwartete Leistungssteigerung ihrer Kühe. Der geringere Euterinnendruck regt die Milchbildung an. Hier ist eine Steigerung von 8 bis 12 % durch die zusätzliche Melkung zu erwarten. Diese Steigerung ist abhängig von der Ausgangsleistung sowie von zahlreichen Umweltfaktoren: Die Standzeit, also die Zeit, die Kühe für das Melken ihre Gruppe verlassen, sollte bei dreimaligem Melken maximal 45 Min. pro Melkzeit betragen. Bei zweimaligem Melken ist maximal 1 Std. das Ziel. Denn in dieser Zeit können die Tiere nicht fressen, saufen oder liegen. Um das zu gewährleisten, müssen die Gruppengrößen zur Dimension von Vorwartehof und Melkstand passen.
Durch die zusätzliche Melkzeit sind 8 – 12 % Mehrleistung möglich.
Faktoren aus der Haltungsumwelt, welche die Milchleistung allgemein begrenzen, beeinflussen entsprechend auch die zu erwartende Leistungssteigerung. So zum Beispiel die Belegdichte, die Liegeboxenqualität oder das Fress-Liegeplatz-Verhältnis. Großen Einfluss haben auch das Fütterungsmanagement und die Klauengesundheit.
Eutergesundheit: In der Regel sinkt durch die zusätzliche Melkzeit die Zellzahl der Herde. Einerseits ist das Eutergewebe durch den niedrigeren Innendruck stärker entlastet und weniger anfällig. Außerdem werden Keime häufiger ausgespült und die Kühe zeigen deshalb eine geringere Immunreaktion. So kann auch die Anfälligkeit für akute Euterentzündungen durch die Umstellung auf dreimaliges Melken sinken.
Persistenz: Kühe und Färsen verlieren im Laufe der Laktation weniger stark an Leistung als beim zweimaligen Melken. Dieser Effekt ist bei Färsen stärker ausgeprägt, da sie ohnehin schon eine bessere Persistenz haben.
Tierkontrolle: Wenn die drei Melkschichten gleichmäßig über 24 Stunden verteilt sind, hat das Vorteile für die Kontrolle der Kühe. So ist fast immer jemand vor Ort für die Überwachung von Kalbungen und die Erstversorgung der Kälber. In der Nacht kann das Melkpersonal außerdem das Futteranschieben übernehmen.
Freizeit: Meist melken Betriebe die Frischabkalber und Problemkühe trotzdem nur zweimal – und zwar in den ersten beiden Melkschichten. Dann ist eine verantwortliche Person dabei, um diese Kühe zu überwachen, zu behandeln etc. In der Abend- oder Nacht-Melkschicht sind dann nur noch die dafür nötigen Personen vor Ort. Das heißt auch, dass die Arbeitszeit für die meisten Mitarbeitenden am Nachmittag enden kann. So hat das dreimalige Melken für Familienmitglieder bzw. leitende Angestellte eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit zur Folge. Zugleich gibt es auch Aushilfskräfte, welche die späte Melkschicht schätzen, um noch einen weiteren Beruf ausüben zu können sowie tagsüber Zeit für ihre Familie zu haben.
Das sind die Nachteile
Personal: Eine zusätzliche Melkschicht erfordert auch zusätzliches Personal für diese Arbeit. Personal managen ist Typsache – die einen machen das mit Herzblut, für andere bedeutet es Stress, Arbeiten aus der Hand zu geben. Fragen Sie sich, ob Sie gerne mehr Mitarbeitende betreuen möchten.
Häufig entscheiden zudem der Standort des Betriebs, wie z. B. die Nähe zu größeren Städten, sowie die Attraktivität des Arbeitsplatzes darüber, wie leicht sich Mitarbeiter und Aushilfskräfte finden lassen. Für den Fall, dass Mitarbeiter ausfallen, müssen ggf. Familienarbeitskräfte mehr Melkschichten auffangen.
Kontrolle: Wie die Abend- und Nachtschichten ablaufen, lässt sich nur schwer überwachen. Es braucht daher besonders zuverlässige Arbeitskräfte für die dritte Melkzeit.
Trockenstellen: Die insgesamt höhere Milchleistung und die bessere Persistenz erschweren das Trockenstellen. Das gilt es zu managen.
Kosten: Da der Erhaltungsbedarf bereits gedeckt ist, steigt die Futteraufnahme der Kühe etwa um den gleichen Prozentsatz wie die Milchleistung und damit auch die Futterkosten. Außerdem fallen im Rahmen der zusätzlichen Melkzeit Kosten an: Für Personal, Zitzengummis und weitere Verschleißteile, Verbrauchsmaterial (Dippmittel, Desinfektionsmittel, Eutertücher etc.), Strom und Waschwasser sowie die Ausbringung des Waschwassers.
Und so wird kalkuliert
Die betriebsindividuellen Zahlen aus Übersicht 1 müssen für die Kalkulation zur Verfügung stehen. Sie stammen aus einem Beispielbetrieb mit 200 Kühen und einem Herdenschnitt von 35 kg Milch/Kuh und Tag bei zweimaligem Melken. In Übersicht 2 ist zu sehen, ab welcher Leistungssteigerung sich für diesen Betrieb eine zusätzliche Melkzeit rechnet. In dem Beispiel ist das dreimalige Melken durch den eher hohen Milchpreis ab einer Leistungssteigerung von 8 % rentabel.
Würde man allerdings von einem Milchpreis von 45 ct/kg ausgehen, müsste die Milchleistung um 11 % steigen, um auf ein positives Ergebnis zu kommen. Auch die Personal- und Futterkosten sind ein Hebel. Liegen die Futterkosten z. B. bei 18 ct/kg, dann führt schon eine Leistungssteigerung von 6 %, also 2,1 kg Milch, zu einem leicht positiven Ergebnis.