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Jungviehaufzucht: Richtig remontieren

Wie viel Jungvieh ist zur Bestandsergänzung nötig und welche Tiere eignen sich? Entscheidend sind eine betriebsindividuelle Strategie und ein hoher Qualitätsanspruch.

Lesezeit: 7 Minuten

Unter den aktuellen Marktpreisen und Produktionskosten ist es für viele Betriebe rein rechnerisch günstiger, Färsen zuzukaufen als diese selbst großzuziehen. Dennoch gibt es auch klare Vorteile, die Jungviehaufzucht in der eigenen Hand zu haben. Das hat der erste Beitrag unserer Serie zur Jungviehaufzucht in der Ausgabe 3/2020, Seite R 17 gezeigt.

Ist die Entscheidung für die eigene Remontierung gefallen, verfolgen Betriebe verschiedene Wege: Der eine zieht beharrlich jedes weibliche Kalb bis zur Jungkuh auf, der andere selektiert genau und hält so wenig Nachzucht wie nötig.

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Bedarf kennen

Am Beginn sollte ein Betriebsleiter sich die Frage stellen, wie viel weibliches Jungvieh er überhaupt für die eigene Remontierung benötigt. Diese Zahl ist bei stabiler Herdengröße abhängig von der Remontierungsrate dem Erstkalbealter und den Aufzuchtverlusten. Die Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern (LfL) hat folgendes berechnet:

Im Durchschnitt muss ein Milchviehbetrieb mit 100 Kühen, 20 % Remontierungsrate und 24 Monaten Erstkalbealter 40 Stück weibliches Jungvieh für die eigene Remontierung aufziehen. Im Gegensatz dazu hat ein Betrieb mit 40 % Remontierung und 32 Monaten Erstkalbealter im Schnitt 107 Stück Jungvieh im Stall (Übersicht). Das ist ein Unterschied von 67 Stallplätzen. In der Rechnung des LfL sind die Tierverluste noch nicht eingerechnet, die von der Aufzucht des weiblichen Kalbs bis zur abgekalbten Färse entstehen können.

Strategie verfolgen

Wer die benötigte Zahl an Nachzuchttieren kennt, hat die Möglichkeit, seinen Jungviehbestand von Beginn an genau zu planen. Dr. Ilka Steinhöfel vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie empfiehlt Betriebsleitern, sich anhand ihrer eigenen betrieblichen Gegebenheiten eine konsequente Selektionsstrategie zu erarbeiten.

Es gibt Betriebe, für die es aufgrund einer hohen Faktorausstattung (z. B. nur mit Jungvieh nutzbare Weide) wirtschaftlich sinnvoll ist, sämtliches Jungvieh aufzuziehen und überzählige Tiere erst nach der Abkalbung zu verkaufen. Doch auch bei dieser Variante sollten Milchviehhalter alternative Verwertungsmöglichkeiten von Futterflächen und Ställen nicht pauschal ausschließen, sondern sachlich berechnen.

„Für viele Milcherzeuger ist es ratsam, weniger Jungtiere, diese aber dafür mit hoher Fürsorge aufzuziehen. Alle nicht benötigten Rinder sollten sie früh selektieren oder überzähliges Jungvieh erst gar nicht produzieren.“ - Dr. Ilka Steinhöfel.

Gründe dafür sind die Kosten, die Arbeitsbelastung und die Tiergesundheit. „Meiner Erfahrung nach verbessert ein scharf geplanter Jungviehbestand oft die Qualität der Aufzucht“, so Steinhöfel. Der Fokus der Michviehhalter liegt dann allein auf der zukünftigen Milchkuh, die vor Ort das Milchgeld erwirtschaften soll. Bei einer Vielzahl an betriebseigenem Jungvieh sieht die Wissenschaftlerin Knackpunkte: Steht eine Färse in den Startlöchern, verdrängt sie im Zweifel eine Kuh, die noch gar nicht gemerzt werden müsste.

Die Besten Mütter wählen

Wer nur so viel Jungvieh halten will wie nötig, muss meist Tiere selektieren.Eine Variante, um die Zahl an Jungvieh zu reduzieren, ist, vor der Besamung auf Ebene der Muttergeneration zu selektieren: Die Kühe, die nicht zur Zucht geeignet sind, können Landwirte mit Fleischrassesperma belegen und die Kälber direkt verkaufen. Alle anderen Muttertiere können sie dann beispielsweise mit gesexter Reinzuchtgenetik belegen.

Dr. Stefan Rensing vom Vit (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung) in Verden empfiehlt für diese Variante der Selektion, die Zuchtwerte der Muttertiere heranzuziehen. „Dabei haben genomische Zuchtwerte aus der Herdentypisierung eine höhere Vorhersagegenauigkeit als die Pedigree-Indizes“, sagt Rensing. Die Zuchtwertkriterien richten sich immer nach dem betrieblichen individuellen Zuchtziel. Der Gesamtzuchtwert (RZG) sei aber für die Mehrzahl der Betriebe eine gute Richtschnur. Zusätzlich zu den Zuchtwerten entscheiden sich viele Landwirte anhand individueller Zuchtziele und vom Zuchtwert unabhängigen Merkmalen für den Einsatz der Kuh zur Produktion von Nachzuchttieren.

Milchviehhalter, die bei der Selektion der Muttertiere zu Fleischrassesperma greifen, wollen den Verkaufswert der nicht zur Remontierung benötigten Kälber steigern. Untersuchungen des Vit von Kreuzungsanpaarungen zwischen Blau-Weißen-Belgiern und Holsteinkühen haben allerdings Nachteile aufgedeckt: Die Kalbungen verlaufen schwerer und mehr Kühe gehen in der Folgelaktation ab. „Die Betriebe sollten abwägen, ob der höhere Kälberpreis das ausgleicht“, sagt Rensing. Die Kalbeeigenschaften der Fleischrassebullen sind auch bei Mehrkalbskühen noch essenziell.

Das Jungvieh selektieren

Es gibt aber auch Milchviehalter, die alle, bzw. die meisten Kühe mit Reinzuchtbullen besamen. Dort findet die Selektion in der Generation der Kälber und Jungtiere statt. Damit ist die Selektionsbasis größer. Je nachdem, ob Betriebe alle weiblichen Rinder selber benötigen, den Bestand möglichst schnell verringern wollen oder beispielsweise Jungkühe verkaufen, müssen sie die Nachzucht unterschiedlich scharf selektieren. Die Tränkekälber können Landwirte ebenso wie die Kühe anhand der Zuchtwerte sortieren.

Trotz optimaler Zuchtwerte können Tiere ihr genetisches Potenzial aber nur bei einer guten Gesundheit ausnutzen. Ein oft unterschätztes, aber sehr wichtiges Auswahlkriterium über die gesamte Aufzucht hinweg ist deshalb auch die Fitness der Tiere.

Dr. Ilka Steinhöfel empfiehlt daher nach der Tränkephase eine erste Kontrollstufe einzubauen. Tiere, die bis dahin überdurchschnittlich oft erkrankten oder schlechte Zunahmen haben, sollten den Betrieb verlassen. Die Expertin rät dazu, dass die Kälber in den ersten drei Lebensmonaten mindestens 800 bis 900 g Tageszunahmen erreichen müssen. Wer sich nicht auf Richtwerte verlassen will, kann sich an den durchschnittlichen Zunahmen seines Jungviehs in dem Altersabschnitt orientieren. Die 25 % schlechtesten Kälber sollten Aufzuchtbetriebe laut Steinhöfel kritisch betrachten und im Zweifel nicht weiter aufziehen. „Um das sicher festzustellen, müssen mehr Landwirte ihr Jungvieh wiegen“, sagt Steinhöfel. Aus ihrer Beratung schätzt sie, dass nur rund 10 % der Milchviehhalter das Gewicht ihrer Aufzucht nachhalten. Dort liege in der Praxis noch viel Optimierungspotenzial.

Je nach Aufzuchtintensität steht nach mehr als einem Jahr mit der Besamung eine weitere Selektionsentscheidung an.Untersuchungen belegen, dass Jungrinder mit schlechter Körperkondition als Milchkuh eine höhere Erkrankungsrate haben und früher abgehen. Eine schlechte Körperkondition zur potenziellen ersten Besamung sollte den Ausschluss aus der Zucht bedeuten. Auch hier gilt es, sich im Zweifel am Durchschnitt der eigenen Herde zu orientieren. Hilfreich ist dabei beispielsweise eine Bewertung anhand des Body Condition Score (BCS).

Sind dann noch zu viele tragende Färsen im Stall, haben Landwirte die Möglichkeit, diese über Auktionen, an feste Partnerbetriebe oder in den Export zu verkaufen. Das gilt auch für Jungkühe. „Mit dem Verkauf von Jungkühen behält man allerdings weitere Arbeitsspitzen wie das Abkalben und Einmelken im Betrieb“, sagt Steinhöfel. Das werde beispielsweise im Hinblick auf den Verkaufspreis dieser Tiere oft ausgeblendet.

Gegebenheiten entscheiden

„Letztendlich ist der schlechteste Selektionszeitpunkt die erste Laktation“, sagt Dr. Ilka Steinhöfel. Denn diese Tiere verlassen den Betrieb nicht mehr freiwillig, sondern aufgrund von Erkrankungen oder geringen Leistungen. Höchstens 5 % der Abgangstiere in der Milchviehhaltung dürfen laut Steinhöfel Erstlaktierende sein. In der landwirtschaftlichen Praxis in Sachsen liegt dieser Wert beispielsweise im Schnitt bei knapp unter 30 %. „Ein Grund dafür ist eine ungenügende und nicht an die Leistungsansprüche der späteren Milchkuh angepasste Aufzucht“, sagt Steinhöfel.

Ist die Entscheidung zur eigenen Jungviehaufzucht gefallen, gibt es viele Mittelwege zwischen einem schlanken oder einem großen, auf den Verkauf von Rindern ausgerichteten, Bestand. Zusätzlich zu den Kosten des individuellen Verfahrens ist also besonders die Gesundheit der Aufzucht ausschlaggebend für den Erfolg und die Lebensleistung der Herde.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der top agrar Ausgabe 4/2020.

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