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Rinderexperte Pelzer: "Digitalisierung wird die Landwirtschaft verändern"

Roboter im Kuhstall, die gezielt Kot einsammeln, zu einer Biogasanlage bringen, die daraus unmittelbar Energie gewinnt. Zukunftsmusik oder schon bald Realität? Andreas Pelzer im Interview.

Lesezeit: 6 Minuten

Nach mehr als zwei Jahren Pandemie finden dieses Jahr erstmals wieder größere Veranstaltungen statt. Endlich!

Ein Effekt von Corona war, dass sich insbesondere die ­Digitalisierung weiterentwickelt hat: Es gibt neue Sensoren im Kuhstall oder virtuelle Zäune auf der Weide, wie die Beispiele in ­diesem Heft zeigen. Auch für Betriebsleiter änderte sich der Alltag: Plötzlich war es möglich, nach dem Melken beim Abendbrot noch einem Fachseminar vor dem Laptop oder Tablet zu lauschen oder ­digital an einer Molkereiversammlung teilzunehmen.

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Auf der Strecke geblieben ist dabei allerdings das Zwischenmenschliche. Gerade die Rand­gespräche während Se­minaren oder Messen sind das, was Präsenz­­veranstaltungen ausmacht. In diesen besonders herausfordernden Zeiten ist der persönliche Austausch darüber, was auf den Betrieben los ist, wertvoller denn je. Auf den Düsser Milchviehtagen vom 22. bis 23 Juni 2022 können ­genau diese ­Gespräche wieder stattfinden.

Wir haben mit Andreas Pelzer, Leiter Sachbereich Rinderhaltung auf dem Lehr- und Versuchsbetrieb Haus Düsse der Landwirtschaftskammer NRW, über die Digitalisierung gesprochen.

Interview

top agrar: „Vernetzt – nicht verheddert“ lautet das Motto der Düsser Milchviehtage. Wieso dieses Thema?

Pelzer: Es gibt im Moment vier wichtige Themen in der Landwirtschaft: Tierwohl, allerdings weniger auf ­Produktions- als vielmehr auf gesellschaftspolitischer Ebene. Umwelt­wirkungen, Bau- und Genehmigungsrecht und die Digitalisierung.

Digitalisierung ist für Tierhalter nichts Neues. Wir stehen aber vor einer Zeitenwende, vor allem im Bereich Prozessabläufe und Automatisierung. Mit unserem Motto wollen wir verdeutlichen, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben. Wir wollen aber auch Lösungsansätze von Herstellern sehen, wie sich vernetzte Prozesse in der Praxis möglichst alltagstauglich einsetzen lassen. Praxisnähe ist Kern der Düsser Milchviehtage.

Welchen Stellenwert nimmt die ­Digitalisierung aktuell auf Milchviehbetrieben ein?

Pelzer: Die Datenkompetenz in der Landwirtschaft ist hoch im Vergleich zu anderen Branchen. Insbesondere die Sensorik hat in den vergangenen ­Jahren in deutschen Kuhställen Einzug gehalten. Das hatte vor allem positive Auswirkungen auf die Fruchtbarkeitsüberwachung von Kühen und Jungrindern oder auf die Kälberbeobachtung. Das ist aber noch nicht das Ende: Die Automatisierung macht stetig ­Fortschritte. Das sehen wir u. a. an der Weiterentwicklung der ­automatischen Melk- oder Fütterungssysteme.

Wo gibt es noch Optimierungsbedarf?

Pelzer: Wir haben noch zu viele ­Insellösungen. Alle Informationen, die wir auf Betrieben sammeln, ­laufen noch nicht an einer Stelle zusammen. Die Firmen sind bisher noch zu fokussiert auf die Einzelergebnisse ihrer ­automatisierten Systeme. Landwirte stellen unendlich viele Daten zur Verfügung, bekommen aber zu wenig ­zurück. Wir müssen Prozesse besser auf­einander ab­stimmen. Das heißt als ­Beispiel, dass der Fütterungs­automat mit dem ­Melkroboter kommuniziert und dazu die Licht- und Klimasteuerung im Stall einbindet. Die Systeme müssen besser miteinander ­interagieren.

In 20 Jahren wird keiner mehr mit einem dieselbetriebenen Trecker durch den Stall fahren.

Was ist Ihr Appell an die Hersteller?

Pelzer: Sie dürfen die Daten nicht abschotten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht mag das sinnvoll sein. Das ist aber kein Zukunftsmodell der digitalisierten Welt. Um in puncto Digitali­sierung weiter zu kommen, brauchen wir die Kompetenz der ­Unternehmen. Wir brauchen Schnittstellen, Algorithmen, Prozesse und vor allem Analysen, um die Daten zu ­verstehen.

Welche Potenziale hat die Digita­lisierung in der Diskussion um mehr ­Tierwohl und Klimaschutz?

Pelzer: Der Melkroboter ist ein gutes Beispiel für mehr Tierwohl: Die Kuh kann ihn besuchen, wenn sie möchte und wird nicht dann gemolken, wenn wir als Melker Zeit haben. Außerdem ist ein Roboter nie ­gestresst und hat jeden Tag die gleiche Routine. Bei den Umweltwirkungen spielt die Gülle eine große Rolle. Hier haben wir die Chance, dass Roboter den Kot unmittelbar nach dem Verlassen des Tieres aufnehmen können. Das wirkt sich positiv auf die Klauengesundheit aus und hat Vorteile hinsichtlich der Emissionen. Wenn man bspw. Kot und Harn trennt und den Kot un­mittelbar nach dem Absetzen in eine Biogasanlage zur Energiegewinnung bringt, wäre das ein riesen Schritt für die Umwelt­wirkung.

Ist es realistisch, solche Visionen ­kurzfristig umzusetzen?

Pelzer: Wir haben schon viele Dinge von heute auf morgen umsetzen ­können. Wichtig ist der Rückhalt von Staat und Gesellschaft. Bei der der­zeitigen Energiekrise frage ich mich, wieso wir nicht Biogasanlagen in Ortsnähe fördern, die über Wärmekonzepte z. B. auch Haushalte mit versorgen. Alleine aus baurechtlichen Gründen brauchen wir die Unter­stützung der Politik.

Nicht jeder Landwirt ist affin darin, Daten digital zu erfassen oder sie ­auszuwerten. Was raten Sie denen, die ­lieber mit Zettel und Stift arbeiten?

Pelzer: Never change a running team. Es gibt auch heute noch viele Betriebe, die überwiegend ohne digitale und automatische Systeme sehr gut zurecht kommen. Das ist völlig in Ordnung. Allerdings sollte spätestens beim Generationswechsel die Be­reitschaft da sein, auch andere Meinungen bzw. Arbeitsweisen gelten zu lassen. Die Digitalisierung wird sich weiterentwickeln und die Landwirtschaft verändern.

Wie geht es weiter mit der Digita­lisierung und Automatisierung auf den Milchviehbetrieben?

Pelzer: Bei der Automatisierung wird die automatische Fütterung in den nächsten Jahren mehr an Relevanz gewinnen. Auch das automatische ­Abschieben der Laufflächen wird bedeutender. Meine Vorstellung ist, dass z. B. eine Aktivitätsmessung erkennt, dass Kuh Berta aufgestanden ist, diese Info direkt weiterleitet und sich der Schieber auf den Weg macht, um den von ihr abgesetzten Kothaufen ein­zusammeln. Das klingt visionär, die Technologien dafür haben wir aber schon heute. Das sogenannte Smart Farming müssen wir vorantreiben. Ich bin sicher, dass es in 20 Jahren in neuen Ställen keine 6 m breiten Futtertische mehr geben wird und keiner mehr mit einem diesel­betriebenen Trecker durch den Stall fährt.

Wieso ist es trotz Digitalisierung wichtig, sich auch im echten Leben zu treffen?

Pelzer: Das Stichwort „Vernetzt“ in unserem Motto bezieht sich nicht nur auf digitale Angebote, sondern auch auf die direkte Kommunikation untereinander. Digitale Formate eignen sich gut als Wissenstransfer. Allerdings werden die sozialen Aspekte in digitalen Systemen nicht befriedigt. Hinzu kommt, dass es in vielen Dörfern nicht mehr viele Landwirte gibt und damit der Austausch mit Berufskollegen auf der Strecke bleibt. Sich mit Gleichgesinnten auf Präsenz­veranstaltungen zu vernetzen, ist un­ersetzbar. Auch dafür wollen wir auf den Düsser Milchviehtagen eine ­Plattform bieten.

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