Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesbauministerin Klara Geywitz haben wieder zukunftsweisende Stallkonzepte für die Rinder-, Schweine und Ziegenhaltung ausgezeichnet. Im Bereich Rind sind dies:
- Schülenswaldhof, Familie Förster, Maulbronn, Baden-Württemberg
- ERVEMA agrar Gesellschaft Wöhlsdorf mbH, Auma-Weidatal, Thüringen
- Stier GbR, Familie Stier, Untermünkheim, Baden-Württemberg
- Sauerlandmilch GbR, Johannes Schütte und Friedbert Fredebeul-Krein, Brilon, Nordrhein-Westfalen
Letzteren hatte top agrar schon 2020 besucht. Hier noch einmal unser Bericht.
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Sauerlandmilch: Mit Tierwohl auf 12.000 kg Milch kommen
Diese Reportage ist erstmals in der top agrar 1/2021 erschienen:
Den Spruch „Das haben wir schon immer so gemacht“, kennt Johannes Schütte aus Brilon-Rösenbeck nicht. Zumindest scheint es so, wenn der (heute) 35-Jährige über seinen Betrieb spricht. Zusammen mit Friedberd Fredebeul-Krein führt er die Sauerlandmilch GbR. Die Landwirte melken 250 Holstein- und Braunvieh-Kühe an vier Robotern mit einer Herdenleistung von durchschnittlich 12.000 kg pro Kuh und Jahr. Zusätzlich ziehen sie ihre weibliche Nachzucht selbst auf.
Prozesse hinterfragen
2013 siedelten er und sein GbR-Partner aus und bauten einen neuen Stall für zunächst 180 Kühe. „Uns war wichtig, dass die Kühe viel Licht, Luft und Platz haben und dass der Stall einen hohen Kuhkomfort bietet“, erklärt Schütte. Bei den Kälbern sah das zunächst anders aus. „Man baut einen tollen Kuhstall, vergisst dabei aber die Kuh von morgen“, benennt er das Problem.
Die Kälber standen in verschiedenen Iglus über den ganzen Hof verteilt, es fehlte an Infrastruktur. Hinzu kam, dass die Aufzuchtphase auf die ehemaligen Betriebsstätten der GbR-Partner aufgeteilt war. „Das Hin- und Herfahren war mit viel Aufwand verbunden“, erinnert sich Schütte. Die Jungtiere mussten viele Orts- und Futterwechsel verkraften, für die Mitarbeiter war der Arbeitsaufwand hoch. „Die Konsequenz war, dass die Tierleistungen nicht zufriedenstellend waren und die Mitarbeiter keinen Spaß an der Arbeit hatten“, resümiert der Landwirt. Es musste sich etwas ändern.
Mit dem Ziel, dem Jungvieh den gleichen Komfort zu bieten, wie den Kühen, entschlossen sich die Betriebsleiter im Jahr 2015 dazu, einen Jungviehstall neben den Kuhstall zu bauen.
Der neue Stall ist in drei Funktionsbereiche aufgeteilt: Es gibt einen Kälberbereich mit fahrbaren Iglus, einen Kleingruppenbereich für die weitere Tränkephase sowie einen Liegeboxenlaufstall für Rinder ab sechs Monaten. Obwohl der Stall gut durchdacht ist, kam es zu Problemen. „Während der Tränkephase in der Gruppenhaltung hatten die Kälber häufig Lungenentzündungen. Sie entwickelten sich unterschiedlich gut und es kam zu Tierverlusten“, erinnert sich Schütte. Auch eine nachträglich installierte Schlauchlüftung brachte nicht die erhoffte Besserung.
Raus an die frische Luft
Kurzerhand entschlossen sich die Betriebsleiter dazu, die Kälber nach der Phase im Einzeliglu draußen in Gruppeniglus unterzubringen. Die Investition machte sich zunächst bezahlt. „Es kam kaum noch zu Lungenentzündungen, allerdings gerieten wir wieder in eine Arbeitsfalle“, so Schütte. Denn am Standort der Gruppeniglus gab es weder Licht und Wasser, noch befestigte Wege.
„Das Entmisten war aufwendig“, erinnert sich der Betriebsleiter. Hinzu kam, dass die Gruppen groß und damit inhomogen waren. Die Konsequenz: Es kam am Ende wieder zu gesundheitlichen Problemen. Auch das konnte also noch nicht die Lösung sein.
Die Sauerlandmilch GbR investierte daher erneut in die Kälberhaltung. Dieses Mal sollten sogenannte Optima Klimaställe (OKS) für Besserung sorgen. In sieben Abteilen stehen die Kälber seit Oktober dieses Jahres in Gruppen von fünf bis acht Tieren. Sie wechseln im Alter von drei bis vier Wochen aus Einzeliglus in die Gruppenhaltung.
Der Stall funktioniert nach dem Rein-Raus-Prinzip, sodass gute Voraussetzungen für einen hohen Hygienestandard gegeben sind. Über eine Milchbar erhalten die Kälber ihre tägliche Portion Milch. „Die Milchbar lässt sich mit deutlich weniger Aufwand reinigen, als mehrere Nuckeleimer“, erklärt Schütte einen Vorteil. Der Tränkeplan sieht 4 l pro Mahlzeit bis zur achten Lebenswoche vor. Anschließend wird die Tränkemenge pro Woche um je 1 l/Mahlzeit reduziert, sodass die Kälber in der zwölften Woche abgesetzt sind.
Zusätzlich haben die Kälber vom zweiten Lebenstag an Zugang zu frischem Wasser und zu Kraftfutter. „Die Trocken-TMR füttern wir bis eine Woche nach dem Absetzen, um zu heftige Futterwechsel zu vermeiden“, erklärt Schütte. Bis zum Alter von 5,5 Monaten erhalten die Kälber dann eine weitere Trocken-TMR, bevor sie im Anschluss die Kuh-Ration bekommen.
Keine Impfungen mehr
Seitdem die Kälber in den neuen Ställen untergebracht sind, hat Schütte kein Tier behandeln müssen. Auch auf die Grippeschutzimpfungen, die er sonst standardmäßig verabreicht hat, verzichtet er inzwischen. Lediglich die Mutterschutzimpfung gegen Rota-Corona führt er noch durch. „Bisher sind wir sehr zufrieden mit dem System“, erklärt der Betriebsleiter. „So gute Kälber hatten wir noch nie.“ Die Kälberverluste während der Aufzucht liegen derzeit bei 0%.
Das neue Stallsystem ist an drei Seiten geschlossen und zur Südseite hin geöffnet. Der Stall steht auf einer befestigten Bodenplatte mit 5% Gefälle nach hinten. Dort ist eine Rinne installiert, die die Jauche zu einem Sammelbehälter befördert. Johannes Schütte hält immer zwei Buchten frei, sodass er eine Kälbergruppe beim Entmisten in ein leeres Abteil stallen kann. „Die Boxen entmisten wir mit dem Hoflader“, erklärt er. „Das geht einfach und schnell.“
Nach vier Monaten sollen die Kälber in den Jungviehstall zurückkehren. Dort laufen die Tiere noch einen Monat auf Stroh, bevor sie mit sechs Monaten in den Liegeboxenbereich kommen, um sich bereits an ihre spätere Umgebung zu gewöhnen.
Einfache Abläufe
Bei den Arbeitsabläufen auf dem Hof achten die Betriebsleiter darauf, die Prozesse möglichst einfach und effizient zu halten. Allein für die Kälberaufzucht gibt es verschiedene Anleitungen für alle Mitarbeiter. So wird beispielsweise jedes Kalb möglichst zeitnah nach der Geburt mit 4 l Biestmilch gedrencht und der Nabel versorgt. Bei der späteren Versorgung über den Milchaustauscher kontrolliert der zuständige Mitarbeiter mithilfe einer Waage die Pulvermenge, sodass eine stets gleichbleibende Gabe gewährleistet ist.
Eine ad libitum-Fütterung der Kälber hat Schütte noch nicht ausprobiert: „Wir sind mit den Leistungen, die wir mit der rationierten Fütterung erzielen, zufrieden. Deshalb sehen wir aktuell keinen Grund, die Fütterung umzustellen.“ Die Tageszunahmen liegen aktuell bei 850 g bis 1000 g/Tier und Tag. Die Leistung in der ersten Laktation liegt derzeit bei durchschnittlich rund 10600 kg. Die Abgangsleistung der Kühe bei gut 48000 l.
Die Betriebsleiter der Sauerlandmilch GbR wollen den Tierbestand in Zukunft nicht aufstocken. Ihr Ansatz: „Wir wollen gesunde Tiere, einfache Arbeitsabläufe und auf Genauigkeit bei der Arbeitserledigung achten.“
Das sagt die Jury: Alle Tiere der Sauerlandmilch GbR tragen einen Transponder und sind in einem Herdenmanagementsystem erfasst. Einstreuroboter, automatisches Fütterungssystem sowie Reinigungsroboter minimieren die körperliche Belastung aller Mitarbeiter. Die freigewordene Arbeitszeit wird für das Management der leistungsstarken Milchviehherde verwendet, wobei die Tiergesundheit stets im Fokus steht.
Die Sauerlandmilch GbR trägt durch emissionsarme Spaltenböden und eine eigene Energieerzeugung über Biogas und Photovoltaik aktiv zum Klimaschutz bei. Da der Ertrag der PV-Anlage und die Bioenergie bei weitem den betrieblichen Verbrauch übersteigt, kann neben der Wärmenutzung für den Betrieb auch noch ein angren- zendes Wohnhaus geheizt sowie das betriebseigene Heu getrocknet werden. Der Technikeinsatz und das gezielte Management führen zu familienfreundlichen Arbeitszeiten.
Die Sauerlandmilch GbR ist ein moderner, innovativer Betrieb, der in Stallbau- wie auch in Managementfragen anderen ein Beispiel sein kann.