Im Oktober 2020 wurde ein in die Steiermark verkaufter Zuchtstier aus Bayern positiv auf Rindertuberkulose getestet. Das Tier wurde umgehend gekeult und das Sozialministerium (BMSGPK) informierte hierauf das bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (STMUV). Dieses veranlasste die Nachschau im Herkunftsbetrieb durch den Amtsveterinär vom Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen.
Dort war die Seuche schon weit gediehen. Nach dem Tuberkulin-Test wurden 35 Tiere gekeult und 12 davon seziert, der Tbc-Befall im Bestand so eindeutig bestätigt.
Herumlavieren statt laufender Infos
Über die Keulung informierte das Münchner Ministerium am 14. November Wien und gab an, dass die epidemiologischen Ermittlungen laufen würden. Über relevante Erkenntnisse werde man selbstverständlich weiter informieren. Doch das STMUV meldete etwaige weitere Kontaktbetriebe des Tbc-Hofes nicht wirklich.
Zwischenzeitlich hatte die österreichische Veterinärverwaltung aber schon selber zwei Kontakthöfe in Salzburg ausmachen können. Im Zuge der Nachschau gab es dort jeweils Entwarnung.
Tuberkulose-Erreger sprang auf Familie über
Derweil wurden im bayerischen Betrieb weitere Tbc-Tiere gefunden und der gesamte Restbestand am 13. Januar gekeult. Zudem haben sich drei Familienmitglieder mit dem Erreger angesteckt.
Erst am 27. Januar meldete Bayern doch noch zwei weitere österreichische Kontakthöfe nach Wien. Diese wurden dann umgehend durch österreichische Amtsveterinäre visitiert und getestet: Ein Hof war frei von Tbc. Im zweiten Betrieb war der bayerische Importstier positiv und so mussten auch dessen Kontaktbetriebe ebenfalls kontrolliert und betestet werden.
Erst am 9. Februar ergänzte dann Deutschland im EU-Veterinärmeldesystem „ADNS“ die Meldung über die Erstkeulung um zwei Tiere, hieß es aus dem BMSGPK. Tatsächlich wurden bei der zweiten Keulung aber insgesamt 84 Tiere getötet.
„Stummes“ Staatsministerium
Warum die Infoübermittlung seitens Bayern an Österreich derart stockte, wollten wir vom STMUV wissen. Trotz mehrfacher top agrar-Anfrage gab es seit unserer Erstanfrage keinerlei Erklärung oder Reaktion aus München.
-------------
K O M M E N T A R
Guten Morgen, Herr Söder!
Jeder kennt mittlerweile die Bedeutung des so genannten Contact Tracing vom Coronavirus. Dabei geht es um das Auffinden der Kontakte von Erkrankten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Offenbar hat aber auch die Nachverfolgung im tierischen Bereich so seine Tücken. Das zeigt der von top agrar recherchierte bayerische Rindertuberkulose-Fall.
Zwar ging die Seuchenabklärung in Oberbayern nach dem Tipp aus Österreich regelkonform vonstatten. Doch Österreich musste zwei weitere Kontaktbetriebe selber finden. Über weitere zwei Betriebe erfuhr die heimische Veterinärverwaltung vom zuständigen bayerischen Staatsministerium erst nach zwei (!) Monaten. Und dass auch nur, weil Wien dran blieb und Informationen insistierte.
In der Zwischenzeit war der Tbc-Erreger auch schon auf die Bauersleut’ und den Sohn übergesprungen. Trotzdem blieb München gegenüber Wien weiterhin verschlossen. Erst nach regionalen Zeitungsberichten legte man alle Fakten über den Fall auf den Tisch.
So eine Verzögerungstaktik geht gar nicht. Schon gar nicht bei einer hoch infektiösen Tierseuche, die ja auch im Allgäu immer wieder vorkommt. Dass Deutschland im konkreten Fall von den Dutzenden bei der zweiten Keulung getöteten Rindern dann nur zwei Stück in die EU-Datenbank nachgemeldet hatte – und das erst am 9. Februar – ist nur mehr ein weiteres unrühmliches Detail.
Die bayerisch-österreichische Freundschaft ist keine Einbahnstraße
Man sollte meinen, dass Ministerpräsident Söder angesichts dieser Vorfälle etwas mehr Demut und Dankbarkeit zeigen könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Die faktische Corona-Grenzsperre gegenüber Tirol forderte und setzte er ja mit allerlei Seitenhieben gegen Österreich durch und um. Egal ob Tierseuche oder Humanerkrankung, es geht um Schnelligkeit und Datenaustausch über Staatsgrenzen hinweg. Nur bei guter Zusammenarbeit lässt sich eine Ausbreitung aufhalten.
Es reicht aber nicht, wenn die lokalen Amtsveterinäre hüben wie drüben von Inn und Salzach bilateral gut zusammenarbeiten. Auch die Münchner Zentralbehörden müssen entsprechend mitarbeiten und rascher informieren. Daher sollte Herr Söder wohl besser vor der eigenen Türe kehren.
Denn der Tbc-Fall ist nicht das erste Mal, dass unsere Nachbarn „Hilfe“ bei der Aufklärung brauchen. In der jüngeren Vergangenheit hat Österreich schon den „Bayern-Ei“-Skandal aufgedeckt und angeschoben. Doch Bayern hatte diese Causa anfangs auch lieber verharmlost, auf Zeit bzw. die bekannte Salamitaktik gesetzt.
Möglicherweise ist der bayerische Ministerpräsident aber doch lernfähig und überrascht positiv. Dabei könnte er bei seinen Ministerien mal aufräumen oder auch Österreich stärker zur Seite springen. Etwa in Sachen Bioweidehaltung, wo Brüssel bekanntlich seit zwei Jahren versucht, an Österreichs Bauern ein Exempel zu statuieren. Dabei haben Bayern und Deutschland hier noch längere Übergangszeiten. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.