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Umgang mit dem Wolf in Deutschland: Das Risiko managen

Tierschützer Karsten Arnold vom „Artenschutzbüro Unteres Odertal“ ist skeptisch, was die Herabstufung des Wolfs im Jagdrecht angeht. Er meint, eine Bejagung ginge auch zu Lasten der Weidehaltung.

Lesezeit: 4 Minuten

Herr Arnold, der deutsche Wolfsbestand wird aktuell auf rund 3.000 Tiere geschätzt. Passt so eine Populationsgröße auf eine dicht besiedelte Kulturlandschaft wie die Bundesrepublik?

Karsten Arnold: Grundsätzlich kann man Wölfe nicht wirklich einfach zählen, aber die Rasterzellen, also belegten Reviere sind relativ gut nachweisbar.

Wenn wir die letzten Monitoring-Ergebnisse zu Grunde legen, gibt es in Deutschland zur Zeit etwa 1.500 bis 1.800 Wölfe. Wir hätten durchaus genug Platz für weitere Reproduktion.

Wichtig ist, dass endlich etwas getan wird!

 Wo läge nach Ihrer Einschätzung eine tragfähige Obergrenze?

Arnold: Obergrenzen für Prädatoren festzulegen ist wissenschaftlich erwiesen unnötig, da sich die Population selbst limitiert. Die Anzahl der Individuen ist auch nicht wirklich das Problem. Bekanntermaßen kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Weidevieh. Leider wird Prävention nicht oder nur schlecht umgesetzt. Daran müssen wir dringend arbeiten. Egal ob ich einen Wolf oder zehn im Revier habe.

Die Population limitiert sich selbst? Ab welchem Bestand passiert das? Bisher ging es doch immer weiter nach oben.

Arnold: Die Population von Wölfen entwickelt sich je nach Anzahl freier Reviere und Beutetierbestand. Das bedeutet, solange in Deutschland geeignete Reviere frei sind und der Wildtierbestand so außerordentlich gut ist, wird eine Reproduktion stattfinden. Welpen wandern früher oder später ab und suchen sich eigene Reviere, so das eine Siedlungsgebiet auf Dauer eigentlich nur vom Elternpaar besetzt wird.

Wenn in einem Bundesland rechnerisch beispielsweise hundert geeignete Reviere vorhanden sind, breitet sich nach Besetzung die Population in andere Länder aus. Genau dann ist die Reproduktionsrate rückläufig, wie in Brandenburg in letzter Zeit. Das bedeutet nicht, dass keine Welpen geboren werden sondern das anstatt acht nur noch vier entstehen. Auch davon überlebt erfahrungsgemäß nur die Hälfte.

 Begrüßen Sie die Herabstufung des Schutzstatus beim Wolf? Was hat das für Konsequenzen?

Arnold: Die Absenkung des Schutzstatus war ein symbolischer Akt der Politik.

Nur weil der Wolf von streng auf geschützt abgesenkt wurde, kann man nicht mit quotierten Entnahmen die Rudelstrukturen schädigen. Das wirkt sich nachweislich eher negativ bei den Weideviehvorkommnissen aus. Wir haben ohnehin seit längerer Zeit bereits die Schnellschussverordnung. Auf dieser Grundlage hätte man durchaus handeln können.

Die Absenkung des Schutzstatus war ein symbolischer Akt der Politik.
Karsten Arnold

Arnold: Grundlage ist ein bundesweiter, verpflichtender und geförderter Mindestschutz der Weidetiere, also Prävention. Eine Elektrozaun von 120 cm würde bereits die meisten Probleme lösen. Übergriffe die natürlich trotzdem vorkommen können, müssen sofort angegangen werden. Zeitnahe Entnahme der Individuen, nach neu zu beschließender Gesetzeslage, wird zügig die Risse stark vermindern, da die nicht geschossenen Wölfe schnell dazulernen. Wichtig ist dafür, den Verursacher an der Weidefläche und nicht einfach im Wald zu entnehmen.

Sollte der Wolf aus bestimmten Regionen wie Deichgebieten oder Almen ganz herausgehalten werden?

Arnold: Wir hatten damals schon vorgeschlagen, dicht bevölkerte Regionen, sowie schwer zu zäunende wie Alm und Nordseedeich eventuell durch Vergrämung für den Wolf unattraktiv zu machen.

 

In Ihrem ursprünglichen Managementplan wurde unter anderem die Vergrämung durch Paintballmunition vorgeschlagen. Ist das angesichts der regional hohen Wolfsdichte noch ein sinnvoller Vorschlag?

Arnold: Vergrämung mit Farb- und Gummigeschossen bietet sich auch heute noch in Jagdverbotszonen wie beispielsweise Ortschaften an.

Der Fokus Ihrer Vorschläge liegt auf „länderübergreifenden“ Maßnahmen. Warum ist das so wichtig?

Arnold: Der Entwurf des Managementplan war für alle deutschen Bundesländer gedacht, um ein gemeinsames abgestimmtes Vorgehen zu erreichen. Brüssel hat den Mitgliedern jegliche Voraussetzungen in die Hand gegeben, nun sind die Länder am Zug. Für andere Staaten wie Frankreich, die Niederlande können wir nicht sprechen, da der Wolf sich von Region zu Region intelligent an die Situation anpasst .

Zu empfehlen wäre, dort zeitig den Weg festzulegen, wohin es gehen soll. Eine Zusammenarbeit wäre erst einmal in Deutschland von Nöten.

Wichtig ist, dass endlich etwas getan wird, um es allen Beteiligten erträglich zu machen, ohne der Art zu schaden.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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