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Praxisleitfaden Wolf

Umweltminister uneinig beim Wolf - Kritik von Weidetierhaltern

Ein Praxisleitfaden soll artenschutzrechtliche Ausnahmen bei der Entnahme von Wölfen regeln. Die Bundesländer kamen jedoch zu keinem Entschluss. Tierhalter kritisieren den Leitfaden.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Umweltministerkonferenz (UMK) hat den von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten „Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf bei Nutztierrissen“ zur Kenntnis genommen, unerwarteterweise aber nicht beschlossen. Das hat Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Dr. Till Backhaus als Gastgeber der UMK in Schwerin mitgeteilt. Es habe zwar Einigkeit darüber geherrscht, dass ein solcher Leitfaden wichtig sei, „damit nicht alle genehmigten Abschüsse vor Gericht“ kämen. Einzelne Länder wie Sachsen-Anhalt sähen aber noch ungeklärte Fragen. Laut Hessens Umweltministerin Priska Hinz hätte andere Bundesländer rechtliche Bedenken geäußert. Welche Punkte konkret strittig sind, erläuterten beide Minister auch auf Nachfrage nicht.

Im aktuellen Entwurf des Praxisleitfadens, der nun überarbeitet werden soll, sind auf insgesamt 60 Seiten Empfehlungen für die rechtssichere Erteilung artenschutz-rechtlicher Ausnahmen sowie für die Durchführung einer Entnahme von Wolfsindividuen aufgeführt.

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Viel Kritik von Weidetierhaltern

An dem Papier gibt es Kritik von Weidetierhaltern. Er sei „praxisfern“, erklärten insgesamt acht Vereine und Verbänden, darunter der Landesschaf- und Ziegenzuchtverband Mecklenburg-Vorpommern, der Landesbauernverband und die RinderAllianz. Sie demonstrierten am Rande der UMK.

In einem Positionspapier bemängelten die Demonstranten die Menge der für eine Entnahmeprüfung im Praxisleitfaden aktuell geforderten Dokumentationen, Abwägungen und Monitoring-Handlungen. Dadurch sei fraglich, ob die Behörden zeitnah und effektiv Entscheidungen treffen könnten. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, warum ein betroffener Weidetierhalter nur eine Bürgeranfrage stellen dürfe, aber keinen Antrag auf Entnahme. Kritisch werteten die Tierhalter auch die empfohlenen Bedingungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Eine Entnahme solle dem Leitfaden zufolge scheitern, wenn beim Übergriff der ordnungsgemäße Wolfsschutz nach der Förderrichtlinie Wolf, nicht aber der vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) empfohlene Herdenschutz bestanden hätte. Diese Bedingungen berücksichtigten in keiner Weise die örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten.

"Mehr als nur der Marktwert entschädigen!"

Von der Politik in Deutschland forderten die Vereine und Verbände eine Regulierung des Wolfsbestands. Daneben sei der günstige Erhaltungszustand des Wolfs festzustellen und eine Bestandsobergrenze einzuführen. Die Wolfsdichte und die jährlich um etwa 30 % steigende Population in Deutschland seien dafür Grund genug. Daneben dürfe die Förderung des Herdenschutzes nicht auf bestimmte Gebiete begrenzt und erst nach erfolgten Übergriffen durch den Wolf gewährt werden. Herdenschutzmaßnahmen müssten sich an betrieblichen und örtlichen Gegebenheiten orientieren, erklärten die Weidetierhalter. Dringend gebraucht werde auch eine Entlastung der Betriebe für die zusätzliche Arbeitsbelastung und eine Förderung der laufenden Kosten für den Unterhalt von Herdenschutzhunden. Bei Übergriffen sei nicht nur der Marktwert der Tiere, sondern auch Folgeschäden zu berücksichtigen. Die Haftung für Schäden durch aufgeschreckte Weidetiere sei zu klären und eine Lösungsstrategie für den Verlust von Wildtieren durch aufgerüstete Zäune zu entwickeln.

"Leiden der Weidetiere beachten"

Jürgen Lückhoff vom Landesschaf- und Ziegenzuchtverband Mecklenburg-Vorpommern betonte, dass die Rückkehr des Wolfs für Weidetierhalter viele Probleme bedeute sowie zusätzliche Arbeit und Kosten, Ängste und große emotionale Belastung. Dr. Ingo Papstein von der RinderAllianz ergänzte, dass gesellschaftliche Akzeptanz für den Wolf auch an ein „gesellschaftliches Eintreten für vom Wolf verursachte Schäden“ gebunden sein müsse. Unterstützt wurde das Positionspapier vom Präsidenten der Landestierärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Holger Vogel. Den Schmerzen, Leiden und Schäden der Tiere in Weidehaltungen müsse endlich Beachtung geschenkt und der Aspekt des Tierschutzes auch im Hinblick auf die Wölfe selbst im Rahmen des Wolfsmanagements in die Abwägung einbezogen werden.

"Maßnahmen sind nicht mehr faktenbasiert"

Prof. Sven Herzog, der an der Technischen Universität Dresden den Lehrstuhl für Wildökologie und Jagdwirtschaft leitet, warf der Politik vor, unstet zu agieren und sich „mehr nach einem vermeintlichen oder tatsächlichen gesellschaftlichen Mainstream und nicht unbedingt nach faktischen Grundlagen für wissensbasierte Entscheidungen“ zu richten. Wolfsmanagement habe die allererste Aufgabe, Konflikte zu verhindern. Und daran müsse massiv gearbeitet werden. Herzog warnte, dass das Risiko direkter Attacken durch den Wolf auf den Menschen zwar gering, aber nicht Null sei. Es steige mit zunehmender Gewöhnung des Wolfs an den Menschen. Und das habe sehr viel damit zu tun, dass im Moment ein Totalschutz herrsche.

"Gefahr auch für den Menschen"

Auch in Sachsen appellierten Vertretern der Weidetierhaltung, des Pferdesports und der Jagd am Donnerstag in einem digitalen Pressegespräch an Politik und Öffentlichkeit, sich endlich verstärkt mit der Regulierung des Wolfsbestands zu beschäftigen. Allein 2021 seien im Freistaat bei bislang 34 Wolfsübergriffen zusammen 84 Tiere verschiedener Arten geschädigt worden, berichtete Dr. Regina Walther vom Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband. In Sachsen gebe es aktuell 28 Wolfsrudel. In dieser Situation müsse es um die Regulierung des Bestands gehen. Dieselbe Auffassung vertrat Andreas Lorenz vom Landesverband Pferdesport Sachsen. Er begründete seine Forderung unter anderem mit den Risiken, die durch wolfsbedingte Zaundurchbrüche entstünden. Verkehrsunfälle seien mit menschlichem Leid verbunden. Für die Pferdehalter komme hinzu, dass die Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommen müsse.

"Gesellschaftliche Wahrnehmung für das Raubtier ändern"

Das kritisierte auch Hans-Jürgen Gerlach vom Landesverband landwirtschaftlicher Wildtierhalter im Freistaat Sachsen. Nach seiner Einschätzung müssen Naturschutzverbände an der Haftung beteiligt werden. Außerdem müsse die Bürokratie, etwa im Zusammenhang mit Entschädigungszahlungen, abgebaut und Folgeschäden, unter anderem das Ausbleiben eines Jungtiers bei einem gerissenen weiblichen Tier, ebenfalls ausgeglichen werden. Bei Rissen sei die Beweislast umzukehren.

Wilhelm Bernstein vom Landesjagdverband Sachsen betonte, dass auch beim Wolf „die Menge das Gift“ mache. Angesichts der Größe der Wolfspopulation im Freistaat müsse ein aktives Wolfsmanagement aufgebaut werden. Es gehe nicht um eine Freigabe der Jagd, sondern um genehmigte Entnahmen von Problemtieren oder bei regional zu großen Beständen. Außerdem müsse das Bild des Wolfs in der Gesellschaft aktiv verändert werden, erklärte Bernstein. Es sei in den Fokus zu rücken, dass es sich um ein wildes Raubtier und nicht um einen freilaufenden Hund handle.

NABU: "Zäune und Herdenschutzhunde sind ausreichend"

Nach Einschätzung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) gehen die Rufe nach einer Regulierung des Wolfsbestands „an den tatsächlichen Bedürfnissen der Weidetierhalter vorbei“. Studien und Erfahrungen der Bundesländer mit jahrzehntelangem Wolfsvorkommen belegten, dass der beste Herdenschutz stromführende Zäune und speziell ausgebildete Herdenschutzhunde seien. Abschüsse von Wölfen könnten dagegen durch die Zerstörung der Rudelstruktur sogar zu vermehrten Nutztierrissen führen. Der Abschuss eines identifizierten Wolfs, welcher sich nachweislich auf Nutztiere als Beute spezialisiert habe, sei sinnvoll, räumte der NABU ein. Unnötige Abschüsse müssten hingegen dringend vermieden werden. Für den jetzt auf der UMK zur Kenntnis genommenen Praxisleitfaden kam Lob vom NABU. Er biete die Chance, Rechtsunsicherheiten zu klären.

Grüne klagen in Niedersachsen

Das niedersächsische Umweltministerium meldete unterdessen die Entnahme von Wölfen aus dem Burgdorfer Rudel. Im Territorium des Rudels sei es seit Herbst 2019 vermehrt zu Übergriffen von Wölfen auf Nutztiere gekommen, bei denen auch immer wieder der zumutbare Herdenschutz überwunden worden seien, berichtete das Ministerium. Um die mit dem Vollzug befassten Personen vor Übergriffen zu schützen, werde deren Identität nicht bekannt gegeben. Dass die Ausnahmegenehmigungen nicht öffentlich sind, kritisieren die Grünen im Landtag schon länger. Die Landesfraktion will nun Klage einreichen beim niedersächsischen Staatsgerichtshof.

Übergriffe durch Wolfsschützer in socialen Medien

Umweltministerin Olaf Lies stellte klar, dass nicht öffentliche Ausnahmegenehmigungen dem Schutz von Jägern und Antragstellern dienten. Brennende Hochsitze und massive Anfeindungen hätten gezeigt, dass es richtig gewesen sei. Auch das aktuelle Beispiel des Videos einer Spaziergängerin, die mit ihrem Hund über Minuten von einem Wolf verfolgt worden sei, habe erneut vor Augen geführt, wie schnell es zu massiven verbalen Übergriffen komme. Das Video hatte vorige Woche in den Medien die Runde gemacht. Zu sehen ist eine Frau, die lange Zeit erfolglos versucht, einen Wolf durch Schreien zu vertreiben. In Reaktionen wurde ihr vorgeworfen, panisch auf das Raubtier reagiert und damit die Situation verursacht zu haben. Dabei kam es auch zu Anfeindungen. Unter anderem wurde „Rotkäppchen“ empfohlen, zu Hause zu bleiben.

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