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Weide: Gut für die Kuh oder nur fürs Image?

Verbraucher wünschen sich Kühe auf der Weide. Für Landwirte ist der Weidegang nicht immer einfacher bzw. kostenlos umsetzbar. Was spricht für, was gegen die Weide?

Lesezeit: 6 Minuten

Verbraucher wünschen sich Kühe auf der Weide. Für Landwirte ist der Weidegang nicht immer einfacher bzw. kostenlos umsetzbar. Was spricht für, was gegen die Weide? Das Pro und Kontrag dazu lesen Sie in der aktuellen top agrar-Ausgabe 6/2018, Seite R10.


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Pro Weide: Dr. Edmund Leisen, Ökolandbau Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Münster


:„Weide ist rentabel, fördert die Gesundheit und die Nutzungsdauer der Kühe.“

Die Vollweide ist die wirtschaftlichste und gesündeste Haltung für Kühe, wenn sich der Standort dafür eignet und möglichst wenig Futter zugekauft wird. Das zeigen auch unsere Auswertungen des Projektes „Öko-Leitbetriebe in NRW“. Seit 2004 erfassen wir auf 140 Betrieben jährliche Daten zu Flächenproduktivität und Einzelkuhleistung. Im Mittel aller Betriebe besteht die Gesamtration zwischen Mai und Oktober zu 70 % aus Weidegras. Das Projekt zeigt die Vorteile des Weidegangs auf.


Die Betriebe erreichen hohe Flächenproduktivitäten. Mit Kurzrasenweide unter Öko-Bedingungen melken einige Betriebe alleine aus Weide im Mittel der Jahre bis zu 12 000 kg Milch pro ha. Den dafür unter Schnittnutzung erforderlichen Aufwuchs von brutto 130 dt je ha Trockenmasse erzielen selbst konventionelle Betriebe kaum.


Bei arrondierten Weideflächen ist das Grundfutter günstig. Es entsteht nur wenig Aufwand für die Wartung der Zaunanlagen, Arbeit oder Energie. Das macht die ökologische wie konventionelle Vollweide rentabel, wie Studien aus Deutschland, den Niederlanden und den USA beweisen. Auch die Aufzuchtkosten sind geringer: Bei gleichen täglichen Zunahmen liegen die Kosten bis zu 1 000 € unter denen von im Stall aufgezogenen Rindern.


Besonders bei der Kurzrasenweide ist die Methanbildung der Kühe geringer als bei intensiven Mischrationen. Denn die Energiekonzentration im aufgenommenen Futter liegt bei etwa 7 bis 8 MJ NEL je kg Trockenmasse (TM).


Viele Landwirte oder Experten haben keine Erfahrungen mit Weidegang und übertragen ihre Erfahrungen aus dem Stall. Das funktioniert nicht. Beispielsweise soll eine Kuh im Stall möglichst viel liegen. Auf der Weide ist das aber ein Nachteil. Die Bewegung verbessert auch Stoffwechsel und Produktion.


Kein Problem ist beispielsweise die vergleichsweise unausgeglichene Fütterung mit zeitweise niedrigen oder auch hohen Harnstoffwerten bei Weidegang. Unsere Auswertungen zeigen, dass bei Weidegang die Gesundheit davon nicht beeinträchtigt wird. Kühe, die an mehr als 100 Tagen einen niedrigen Harnstoffwert aufwiesen (< 150 mg/l Mich), lebten sogar länger und erreichten mit 4,7 Laktationen die höchste Lebensleistung (Weideumfang ca. 50 % in der Weidesaison). Kühe, die einen geringeren Weideanteil hatten, blieben nur 3,9 Jahre. Das belegt den positiven Einfluss der Weide auf die Gesundheit. Zudem verbessert der Weidegang die Klauen und Gelenke.


Kühe mit viel Weidegang zeigen häufig ein geringes Fett-/Eiweißverhältnis. Grund dafür ist aber nicht ein Mangel an Rohfaser, wie häufig behauptet wird,  sondern ein anderes Fettsäuremuster im frischen Gras. Bei Kurzrasenweide sind die Pansen-pH-Werte sogar sehr stabil.


Die Weide bietet viele Vorteile für Landwirte und Kühe. Voraussetzung sind wenige Management-Maßnahmen: Keinesfalls sollten die Kühe satt auf die Weide. Das Kraftfutter sollte bei Vollweide auf etwa 2 kg pro Kuh und Tag begrenzt sein. Es muss immer ausreichend sauberes Wasser verfügbar sein. Dann steigt der Zellgehalt auch bei hohen Temperaturen nicht.


Landwirte müssen die geringeren Einzelkuhleistungen akzeptieren. Allerdings können 5 500 bis 6 500 kg auf der Weide wirtschaftlicher sein als 9 000 kg pro Kuh im Stall. Neben allen Vorteilen: Nicht zuletzt wünschen sich Verbraucher Kühe auf der Weide. Grasende Milchviehherden verbessern das Image der Tierhaltung.



Kontra Weide: Tierarzt Dr. Jan Dijkhuizen aus Brummen, Niederlande

„Weide ist gut fürs Image, aber schlecht für Kuhwohl, Umwelt und Milcherzeuger.“


 

Morgens am Frühstückstisch wollen Verbraucher in eine andere Welt eintauchen. Beim Käseschneiden und Milchtrinken wollen sie an grüne Wiesen mit Kühen und Weidevögeln denken. Man kann sagen: Wir essen und trinken Emotionen.


Das hat auch die Milchindustrie erkannt. Das Bild einer Kuh auf saftigen Wiesen verkauft sich gut. Um das Vertrauen der Konsumenten zu erhalten, sollen die Kühe aber auch in der Realität raus aus dem Stall. Deshalb zahlen immer mehr Molkereien ihren Lieferanten einen Zuschlag, wenn sie ihre Kühe weiden lassen.

Die öffentliche Meinung beeinflusst, wie wir unsere Tiere halten. Die Bilder von springenden Kühen, die im Frühjahr das erst Mal auf die Weide kommen, gehen durch die Medien. Die Kühe wirken lebhaft und glücklich. Im Gegensatz dazu gelten ganzjährige „Megaställe“ als tier- und umweltschädlich.


Doch logisch betrachtet ist es genau anders herum. Aus fachlicher Sicht sehe ich in jeder Kuh ein einzigartiges Kraftwerk, das ein tolles Lebensmittel produziert: Milch. Dazu verstoffwechselt eine große Menge an Bakterien und anderer Mikroben im Pansen das unverdauliche Pflanzenmaterial zu Fettsäuren und Eiweiß.

Dank dieser effizienten Verdauungsprozesse ist die Kuh zu hohen Leistungen fähig. Einige Betriebe erreichen im Schnitt 12 000 kg Milch pro Kuh und Jahr. Würden das alle Milcherzeuger schaffen, bräuchten wir in 30 Jahren nur noch die Hälfte der Tierzahl. Das wäre gut für die Umwelt, denn wir würden Ressourcen sparen. Und: Mit steigender Leistung sinkt relativ gesehen die Methanproduktion pro kg Milch.


Doch diese enormen Leistungen sind nur möglich, wenn die Kuh das Futter so effizient wie möglich verdaut. Für ein optimales Wachstum der Pansenbakterien müssen die einzelnen Futtermittel aufeinander abgestimmt sein. Dann maximieren wir die Nutzung von Stickstoff und Phosphat aus dem Futter und minimieren die Emission von Methan oder Ammoniak.


Beim Weidegang schwankt aber die Ration in Zusammensetzung und Menge. Das Graswachstum und die Inhaltsstoffe sind beispielsweise vom Wetter abhängig. Dazu kommt, dass grasende Kühe einen 20 % höheren Energiebedarf haben. Sobald es regnet, steht die Herde in einer Ecke der Weide oder wieder im Stall. Das führt zu einer unausgeglichenen Verdauung und Schwankungen in der Fettsäure-Zusammensetzung. Das macht die Kühe krank.


Grundsätzlich gilt: Nur wenn wir unsere Kühe wie Prinzessinnen behandeln, sie gesund und optimal versorgen, nur dann können sie effizient und nachhaltig Milch produzieren. In den modernen Laufställen füttern wir deshalb eine genau berechnete und ausbalancierte Ration, die für eine gesunde und leistungsfähige Verdauung sorgt.


Neben der Fütterung ist auch die Stalleinrichtung genau auf die Bedürfnisse der Kühe abgestimmt. Die Liegeboxen sind weich und komfortabel. Hier liegen die Kühe gerne bis zu 14 Stunden am Tag und kauen neun Stunden wieder. Ein fester Tagesablauf sorgt für Ruhe, Sauberkeit und Regelmäßigkeit.


Im Vergleich zur Weide sorgt eine gute Stallhaltung für mehr Tierwohl, höhere Leistung und ist gut für die Umwelt. Selbst ein Preisaufschlag für Weidemilch kann diese Effekte kaum aufwiegen. Zwar geben viel Milcherzeuger ihr bestes, um das idyllische Bild für das Marketing zu erhalten. Trotzdem: Weidegang ist schlechter für die Kuh und schlechter für den Landwirt. 

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