Die strenge Umsetzung der EU-Ökoverordnung zur Weidepflicht in Deutschland führt dazu, dass viele Ökobetriebe die Rinderhaltung einstellen oder sogar komplett aus dem Ökolandbau aussteigen werden. Laut Naturland befürchten Verarbeiter einen Rückgang der Ökomilchmenge um fast 20 %.
Gutachten: Alternativen zur Weidepflicht zulässig
Eine derart rigide und folgenschwere Auslegung der EU-Ökoverordnung wäre aber nicht notwendig, so das Ergebnis eines neuen Rechtsgutachtens, das die Naturland Zeichen GmbH in Auftrag gegeben hat. Die von der Brüsseler Rechtsanwaltskanzlei Kapellmann und Partner verfasste „gutachterliche Stellungnahme“ kommt zu dem Ergebnis, dass der Verordnungstext ausdrücklich Alternativen zum Weidezugang zulässt.
"Laufhöfe rechtskonform, wenn Weidehaltung nicht möglich ist"
Die Kernaussagen des Gutachtens lauten:
Im Grundsatz bestehe für alle Betriebe die Verpflichtung, Zugang zu Raufutter und zu sonstigem Freigelände zu gewährleisten. Eine generelle Weidepflicht könne aus der EU-Ökoverordnung aber nicht abgeleitet werden. Aus sachlichen Gründen bzw. Umständen könne diese vielmehr ausgeschlossen werden. Der geltende Rechtsrahmen erlaube es, den obligatorischen Freigeländezugang rechtkonform über Laufhöfe umzusetzen, wo Weidehaltung begründet nicht möglich oder für das Tierwohl nicht ratsam ist.
Diese Auslegung sei mit den Zwecksetzungen des Tier- und Verbraucherschutzes in der Verordnung vereinbar. Denn es werde nicht nur durch Weidezugang, sondern auch durch Zugang zu sonstigem Freigelände ein hohes Tierschutzniveau erreicht. Dieses sei ebenso durch innovative, aufgelöste Stallkonzepte erreichbar.
Heigl und Rukwied schreiben an Agrarminister
Der Präsident von Naturland Hubert Heigl und der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied haben sich mit den Ergebnissen des Gutachtens an die Agrarminister von Bund und Länder gewandt und bitten diese, sich für eine schnelle und pragmatische Lösung bei der EU-Kommission einzusetzen. Das Weidepapier des Arbeitskreises der Kontrollbehörden in den Bundesländern, das der rigiden Auslegung „einiger Mitarbeiter der EU-Kommission entspricht“, dürfe bis zur Umsetzung einer praxistauglichen Lösung nicht zur Anwendung kommen.
Stichtag 15. Mai
Die Zeit drängt. Denn die betroffenen Betriebe müssen sich bis zum 15. Mai für eine Fortführung der ökologischen Wirtschaftsweise bzw. der Ökoförderung im Rahmen der zweiten Säule entscheiden.