Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Forschung

Zaunbau per App

Die Weidehaltung von Milchkühen ist seit langem rückläufig. Der Einsatz von virtuellen Zäunen soll das ändern. Ein Team der Universität Göttingen versucht, das Ökosystem Grünland zu retten.

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst bei f3 farm. food. future. erschienen.

Riegelpfahl, Isolator, Stromlitze – das sind die gängigen Utensilien für einen Weidezaun. In Zukunft sollen Landwirte zu Halsband, 3G und App greifen. Das ist zumindest die Theorie hinter dem Forschungsprojekt „GreenGrass“ der Universität Göttingen. Wissenschaftler testen den Einsatz virtueller Zäune in der Praxis. Die erste Versuchsphase mit Jungrindern ist abgeschlossen. Die Ergebnisse überraschten das Forscherteam.

Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

„Das System funktioniert wie ein Einparkwarnsystem im Auto“, erklärt Dr. Juliane Horn. „Je näher das Tier dem Zaun kommt, desto lauter wird das akustische Signal. Dabei sollte es nur im ungünstigsten Fall zum ‘Crash’ oder in diesem Fall Ausbruch des Tieres kommen“, so die Biologin. In den bisherigen Testreihen mit Jungrindern wurde jedes der Tiere mit einem speziellen Halsband ausgestattet. Mittels GPS-Signal wird der Standort des Tieres erfasst. Auf einer Satellitenkarte haben die Forscher zuvor die Grenze des virtuellen Zauns „eingezeichnet“. „Der Zaun ist dabei keine starre Grenze, sondern vielmehr eine Zone“, so die Forscherin.

Grünland schützen

Ein weiteres Standbein des Projektes ist die Fernerkundung der Landschaft via Drohnen- und Satellitentechnologie. So könnten beispielsweise Nester von Bodenbrütern oder blühende Bodenpflanzen für Insekten zeitweise aus der Nutzung herausgenommen werden. „Wer kleine Strukturen aus der Beweidung herausnimmt, kann viel für die Artenvielfalt tun“, erklärt Dr. Juliane Horn. Gerade in Extensivregionen, in denen Weidetiere für den Erhalt des Grünlands und den Naturschutz eingesetzt werden, sei das neue System besonders interessant. Dort käme es häufig zu einer kleinteiligen und kurzweiligen Einzäunung. Doch gerade dieser Bereich werde zukünftig weniger mit öffentlichen Geldern gefördert: „Die Gefahr, dass die Grünlandflächen in Deutschland immer weiter schwinden ist damit enorm gestiegen“, so die Forscherin. Eine Entwicklung, die für viele Tiere und Pflanzen eine Bedrohung darstelle.

Wer kleine Strukturen aus der Beweidung herausnimmt, kann viel für die Artenvielfalt tun. - Dr. Juliane Horn

In Intensivregionen soll die Technik genauso zum Einsatz kommen. „Wo früher die Rinder weideten, wird Gras heute mehrmals jährlich gedüngt, geschnitten und abgefahren. Dieses Grundfutter wird den Rindern im Stall zusammen mit energiereichem Kraftfutter vorgelegt“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Wer Rinder hält, weiß, dass auch mit noch so gutem Weidemanagement die Milchleistung der Stallhaltung nicht erreicht werden kann.“

Stallhaltung und Intensivierung der Grünlandnutzung führe zu homogenem Grünland und Artenverlust, die Vegetation verarme und lediglich Pflanzen, die sich dieser Struktur anpassen, könnten überleben. Durch den Einsatz der Technologie könne die Weide jedoch täglich an den Futterbedarf der Tiere angepasst, das Pflanzenwachstum durch die Kontrolle des Beweidungsdruckes gefördert und gleichzeitig kleinstrukturiert verändert werden. Das Ergebnis sei eine zielgenaue und räumlich differenzierten Landschaftspflege.

Zwölf Rinder im Test

Vergangenen Sommer haben die Forscher in einem mehrwöchigen Versuch zwölf weideunerfahrene Rinder virtuell eingezäunt. „Da wir nicht wussten, wie die Rinder auf das System reagieren, haben wir sie zunächst auf eine rechteckige Koppel mit vier physischen Zäunen gebracht. Erst nach ein paar Tagen haben wir eine Seite der Koppel komplett durch einen virtuellen Zaun ersetzt“, erklärt Dr. Juliane Horn. Ihr ist der Tierschutzgedanke dabei besonders wichtig. „Wir wollen, dass der elektrische Impuls so wenig wie möglich zum Einsatz kommt.“

Uns geht es nicht um die Fernsteuerung der Rinder, sondern um den Schutz des Grünlandes. - Dr. Juliane Horn

Die Frage „Wie oft kommt ein Rind mit einem physischen Stromzaun in Kontakt?” hat sich das Forscherteam auch gestellt. Eine komplett physisch eingezäunte Kontrollgruppe lieferte das Ergebnis: Pro Rind und Tag kam es zu einem Kontakt mit dem Stromdraht. Die Gruppe mit dem virtuellen Zaun erreichte ein ähnliches Ergebnis. Durchbrochen hat den „Zaun“ keines der Tiere. Da es bisher wenige wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Stromzaun und seinen Einfluss auf das Tierverhalten gibt, haben die Forscher zeitgleich das Verhalten der Tiere beobachtet. Es kam zu keinen Auffälligkeiten. Ein nicht unwichtiger Faktor des Projektes: „Wir haben schon viel Gegenwind erfahren“, erklärt sie. Dabei geht es nicht nur um den Einsatz des Halsbandes und seiner Wirkung, sondern um die ferngesteuerte Lenkung der Tiere durch den Menschen. Uns geht es nicht um die Fernsteuerung der Rinder, sondern um eine alternative, innovative Bewirtschaftung zum Schutz des Grünlandes“, so die Forscherin.

Smarte Technik ist gefragt

Die erste Versuchsphase läuft noch bis 2024 und eine weitere soll folgen. Die kommenden Sommer wollen die Wissenschaftler weitere Rinderherden in verschiedenen Grünlandregionen virtuell einzäunen. „Neben einer intensivweidenden Herde in der Wesermarsch-Region, wollen wir auch eine Wasserbüffelherde in einer Extensivregion ‘einzäunen’. Der Besitzer der Tiere hat den Kontakt gesucht. Da es für ihn besonders schwierig ist, Zäune in dem morastigen Untergrund der Wasserbüffelweide zu ziehen, hat er großes Interesse“, erklärt Dr. Juliane Horn. Bisher steckt die Erforschung der Technologie noch in den Kinderschuhen.

Die Kosten für das System sind noch hoch, das Ausmaß von freiwerdenden Arbeitskapazitäten für andere unternehmerische Aktivitäten und Einsparmöglichkeiten noch nicht ausgelotet. In abgelegenen Regionen könnte der Internetempfang eine Herausforderung sein: „Unsere Technik braucht zwar nur 2G oder 3G. Das ist nicht immer gegeben“, so die Wissenschaftlerin. Ebenso ungeklärt ist der Versicherungsschutz für den Landwirt. Fest steht, dass mittelfristig vorerst der physische Außenzaun um den Betrieb bestehen bleiben muss und die Technologie für die kleinteilige Zäunung zum Einsatz kommt.

Die Ökonomie der Technik ist ein Schwerpunkt der Forscher. „Wir versuchen herauszufinden, was der Verbraucher für Artenvielfalt zu zahlen bereit ist. Politische Instrumente und Fördergelder zum Schutze der Vielfalt werden aber nötig sein. Daher untersuchen wir auch, wie Agrarumweltmaßnahmen gestaltet sein müssen, um effektiv und effizient zu greifen“, so Dr. Juliane Horn. Zukünftig wollen die Forscher die Versuche auch auf andere Tierarten erweitern. Ob ein virtueller Zaun auch den Wolf außerhalb von der Weide halten kann, weiß die Wissenschaftlerin noch nicht. Ein Thema, das jedoch schon auf ihrem Tisch liegt: „Ein Start-up, das ein Halsband für Schafe entwickeln will, hat sich bei uns gemeldet“, sagt sie.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.