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„100% schmerzfrei gibt es nicht“

Lesezeit: 5 Minuten

Schmerzfrei sind Operationen nie – weder bei Tieren noch bei Menschen. Das Ziel bei der Ferkelkastration muss daher heißen: Bestmögliche, wirksame Schmerzausschaltung. Das sagen auch Humanmediziner. top agrar sprach mit Prof. Reinhard Straubinger, LMU München.


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Ende Januar haben sich in München Fachleute zum Thema Lokalanästhesie getroffen. Wer waren die Teilnehmer?


Straubinger: Teilgenommen haben 41 Vertreter von Verbänden und Organisationen, den Ministerien und Universitäten. Am Tisch saßen die Baye-rische Landestierärztekammer, der bpt, der Tiergesundheitsdienst Bayern, DBV, BBV, ISN, die Erzeugergemeinschaft Südostbayern, Südferkel GmbH, Tönnies Lebensmittel, Vion, DRV, der Fleischerverband Bayern usw. Auch Vertreter der Universität Zürich und der LMU München waren dabei.


Auch Humanmediziner waren vor Ort.


Straubinger: Das ist richtig. Zu Gast waren mehrere Experten aus dem humanmedizinischen Bereich, darunter Fachleute des Universitätsklinikums Ulm und des Klinikums rechts der Isar/TUM. Unsere Kollegen haben uns berichtet, wie sicher die Lokal-anästhesie beim Menschen funktioniert und wie sie das Verfahren insgesamt beurteilen.


Wer hat zu dem Treffen eingeladen?


Straubinger: Eingeladen habe ich als Dekan der Tierärztlichen Fakultät in München. Ich bin mir mit Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, darin einig, dass wir als Tierärztliche Fakultät sehr gut eine neutrale Vermittlerrolle in der sicherlich thematisch für alle Seiten schwierigen Situation einnehmen können.


Als Vorsitzender der Fakultät habe ich die Vertreter der Landwirte und der Fleischerzeuger sowie führende Vertreter der Tierärzteschaft, Wissenschaft und der Regierung an einen Tisch gebracht, um offen und unvoreingenommen über die Möglichkeiten der schmerzfreien Kastration mittels lokaler Anästhesie zu sprechen.


War das Treffen ein rein wissenschaft-licher Austausch?


Straubinger: Richtig, unser Ziel war es, nicht die juristischen Belange zur schmerzfreien Kastration zu diskutieren, sondern die wissenschaftlichen Fragen zu erörtern. Denn bis dato ist zum Beispiel nicht eindeutig geklärt, wie Schmerzfreiheit beim Schwein gemessen werden kann und wie dies im Zuge der Zulassung moderner Lokalanästhetika berücksichtigt werden kann.


Neben der Ebermast und der Impfung gegen Ebergeruch wird derzeit mithilfe von Narkosemitteln kastriert. Wie beurteilen Sie neun Monate vor dem endgültigen Aus der betäubungslosen Kastration die Chancen der Verfahren?


Straubinger: Jede Methode ist zwar wichtig, jedes Verfahren hat aber auch Grenzen. Bei der Ebermast tritt nachweislich Penisbeißen auf, das ist tierschutzrelevant. Immunokastriert behandelte Tiere lehnen viele Abnehmer ab, weil die Verbraucher die Impfung gegen Hormone von der Behandlung mit Hormonen oft nicht unterscheiden können. Und die Schmerzausschaltung per Inhalationsnarkose ist sicherlich machbar, technisch jedoch aufwendig.


Stichwort Lokalanästhesie. Tierärzte möchten die Betäubungsmittel nicht in die Hände von Landwirten geben. Teilen Sie die Ansicht? Und wie (Lerninhalte) müsste man Landwirte schulen?


Straubinger: Vertreter der tierärzt-lichen Standesvertretungen könnten sich durchaus vorstellen, Möglichkeiten für eine Indikationserweiterung zu erörtern. Das setzt aber die korrekte Anwendung der Mittel voraus. Entscheidend ist: Intensive Schulung der Landwirte bzw. der Mitarbeiter mit abschließendem Kenntnisnachweis, lückenlose Nachverfolgbarkeit der eingesetzten Medikamente sowie jederzeitige Kontrollmöglichkeit der Anwendung im laufenden Betrieb. Nur wenn diese Forderungen erfüllt werden, haben wir ein belastbares Fundament für den sinnvollen Einsatz der Lokalanästhesie durch den Landwirt.


Tierschützer lehnen die Betäubung weiter ab, weil die 100%ige Schmerz-ausschaltung nicht garantiert ist. Humanmediziner halten dagegen, dass das selbst in ihrem Fachbereich nicht möglich ist. Wie sehen Sie das?


Straubinger: Die Humanmediziner haben uns bestätigt, dass Lokalanästhetika, wenn sie richtig und sachgemäß eingesetzt werden, beim Menschen eine hervorragende Schmerzausschaltung herbeiführen können. Allerdings ist das nicht in jedem Fall so, 100%ige Sicherheit gibt es nicht!


Alle Beteiligten sind sich darin einig, dass die vollständige Schmerzausschaltung bei der Zulassung neuer Medikamente nicht gefordert werden kann. Allein wegen dieser Erkenntnis war das Treffen schon ein voller Erfolg.


Welche Schritte müssen im Sinne einer für alle Seiten praktikablen Lösung nun dringend eingeleitet werden?


Straubinger: Ein praktikabler Lösungsweg fußt auf vier Forderungen:


  • Der Einsatz moderner Präparate für die Lokalanästhesie in der ersten Lebenswoche muss zeitnah möglich sein. Zu den Mitteln zählen z.B. Mepivacain, Bupivacain und Ropivacain.
  • Für die Beurteilung der Schmerzausschaltung beim Ferkel muss ein Vergleich mit den bereits etablierten und bekannten Verfahren, Wirkstoffen und Methoden ermöglicht werden.
  • Die Tierärzteschaft muss die Indikationserweiterung zur Anwendung von Lokalanästhetika mittragen. Die sachgemäße Anwendung der Medikamente ist dabei Grundvoraussetzung.
  • Die beteiligten Interessengruppen müssen zusammen eine für die Praxis umsetzbare Lösung bis Ende 2018 erarbeiten. Entscheidend ist dabei die wirksame Schmerzausschaltung auf Basis der guten tierärztlichen Praxis!


Was muss passieren, wenn das Vorhaben doch noch scheitert?


Straubinger: Dann sind Übergangs-lösungen unumgänglich, die aber niemand will. Allen mit der Materie vertrauten Akteuren ist bewusst, dass jetzt gehandelt werden muss.


Interview Marcus Arden,


top agrar-Redaktion

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