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Als „Status-Betrieb“ lieferfähig bleiben

Lesezeit: 9 Minuten

Um im Fall einer ASP-Sperre vermarktungsfähig zu bleiben, können sich Schweinehalter als ASP-Statusbetrieb anerkennen lassen. Doch bislang ist das Interesse daran gering. Woran liegt das?


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Die Schweinehalter in Deutschland durchleben zurzeit eine ihrer schwersten Krisen. Bundesweit leiden Sie unter dem durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen ausgelösten Preisverfall. Und die coronabedingt heruntergefahrenen Schlachtkapazitäten lassen den Schweinestau seit gut 20 Wochen immer weiter anwachsen. Aufzucht- und Mastställe platzen aus allen Nähten. Die Tiere wachsen aus den Masken und lassen sich – wenn überhaupt – nur mit erheblichen Preisabzügen verkaufen.


Auflagen zur Vermarktung


Von Handels- und Transportbeschränkungen sind bislang aber gottlob nur die Ferkelerzeuger und Mäster in den ASP-Restriktionszonen in Brandenburg und Sachsen betroffen.


Das kann sich jedoch schnell ändern, wie das Infektionsgeschehen in Belgien und unzählige Beispiele aus Osteuropa und Asien gezeigt haben. Denn das ASP-Virus kann durch menschliches Fehlverhalten, Fahrzeug- und Personenkontakte sowie mangelnde Jagdhygiene in kürzester Zeit über hunderte von Kilometern verschleppt werden.


Daher können auch Schweinehalter in Mecklenburg-Vorpommern, im Rheinland, in Baden-Württemberg oder Thüringen jederzeit unverschuldet in ein gefährdetes Gebiet rutschen. Von heute auf morgen wären sie dann von massiven Vermarktungsbeschränkungen für ihre Schweine betroffen.


Denn nach Tierseuchenrecht dürfen Hausschweine bei einem ASP-Ausbruch bei Wildschweinen aus dem gefährdeten Gebiet bzw. der Pufferzone nur mit behördlicher Genehmigung und unter strengen Auflagen zum Schlachthof bzw. in einen anderen Betrieb außerhalb des gefährdeten Gebietes verbracht werden. Zuvor müssen alle Tiere der jeweiligen Lieferpartie virologisch und klinisch auf ASP-Anzeichen untersucht werden – entweder komplett oder nach einem festgelegten Stichprobenschlüssel (s. Zusatzinfo auf Seite S15).


Es droht ein Kollaps


„In viehintensiven Regionen wie Südoldenburg, dem Münsterland oder Niederbayern würde der hohe Proben- und Untersuchungsaufwand für diese Freigabeuntersuchungen schnell zu einem Kollaps bei der Schweinevermarktung führen“, ist Tierarzt Torsten Pabst aus Dülmen im Münsterland überzeugt. Sowohl die Tierärzte als auch die Untersuchungslabore wären schnell am Limit. So sehen das auch der Bauernverband und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). Deshalb raten sie den Landwirten, rechtzeitig vorzusorgen.


Eine entscheidende Rolle spielen dabei die sogenannten Status-Untersuchungen, auf die sich das Bundeslandwirtschaftsministerium und die EU-Kommission bereits im Frühjahr 2020 verständigt haben. Danach können sich Schweinehalter durch die freiwillige Teilnahme an einem Monitoring schon in „Friedenszeiten“ als „ASP-Statusbetrieb“ anerkennen lassen.


Die freiwilligen Status-Untersuchungen würden den Schweinehaltern in den gefährdeten Gebieten nicht nur eine schnellere Vermarktung ihrer Ferkel-, Jungsauen und Schlachtschweine ermöglichen, ohne dass tierschutzrelevante Verzögerungen drohen. Sie würden darüber hinaus auch die Tierarztpraxen, Untersuchungslabore und Behörden im Krisenfall entlasten. „Deren Ressourcen könnten dann für die eigentliche Krisenbewältigung genutzt werden, und das käme der ASP-Bekämpfung zugute“, ist Dr. Ursula Gerdes, Geschäftsführerin der niedersächsischen Tierseuchenkasse, überzeugt.


Tierarzt Dr. Torsten Pabst sieht darüber hinaus noch einen weiteren Vorteil: „Wenn sich möglichst viele Schweinehalter an der freiwilligen Status-Erhebung beteiligen, erhalten wir dadurch ein flächendeckendes ASP-Monitoring für die Hausschweinebestände in Deutschland. Das könnte uns bei den Verhandlungen mit China, Japan und Korea zur Öffnung der Drittlandmärkte ungemein helfen.“


Regelmäßiges Monitoring


Um als ASP-Statusbetrieb anerkannt zu werden, sind folgende Voraussetzungen erforderlich:


  • Der Schweinehalter muss die Anerkennung als „ASP-Statusbetrieb“ beim zuständigen Veterinäramt beantragen.
  • Das Veterinäramt oder ein amtlicher Tierarzt kontrollieren daraufhin vor Ort, ob der Schweinehalter alle Vorgaben der Schweinehaltungs-Hygieneverordnung sowie die Kennzeichen- und Dokumentationspflichten nach Viehverkehrsverordnung einhält. Die Kosten für diese Kontrolle, etwa 150 €, trägt der Landwirt.
  • Zusätzlich müssen die im Betrieb verendeten Schweine regelmäßig virologisch auf den ASP-Erreger untersucht werden. Dafür entnimmt der Hoftierarzt wöchentlich von den jeweils ersten beiden Falltieren, die älter als 60 Tage sind, eine Blutprobe und schickt sie zur Untersuchung ein. Die PCR-Untersuchungen müssen auch nach der Anerkennung als Statusbetrieb fortgeführt werden. Die Kosten für die Blutentnahme trägt der Landwirt. Inzwischen gibt es auch den Vorschlag, ob die Blutproben nicht auch vom Landwirt gezogen werden können (siehe Zusatzinfo).


Die PCR-Untersuchungskosten übernehmen in den meisten Bundesländern entweder die Länder wie z.B. in Baden-Württemberg, Brandenburg und Thüringen. Oder sie werden von den Tierseuchenkassen gezahlt wie in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz (70%) und Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt und Hessen hingegen müssen die Tierhalter alle Kosten allein bestreiten.


  • Zweimal jährlich im Abstand von vier Monaten muss der amtlich bestellte Hoftierarzt zudem den Tierbestand klinisch untersuchen. Dabei prüft er auch, ob die Dokumentationspflichten eingehalten werden und misst bei einer bestimmten Anzahl von Schweinen Fieber. Auch diese Untersuchungen müssen nach der erstmaligen Anerkennung fortgeführt und von den Landwirten getragen werden.
  • Erfüllt der Betrieb alle Voraussetzungen, kann er frühestens nach vier Monaten als „ASP-Statusbetrieb“ anerkannt werden, also nach zwei abgeschlossenen klinischen Untersuchungen.


Verhaltenes Interesse


Inzwischen bieten fast alle Bundesländer ein entsprechendes Programm zur ASP-Statuserhebung an. Thüringen ist damit nach Angaben des Ministeriums bereits im März 2020 gestartet, Mecklenburg-Vorpommern Anfang April, Niedersachsen im Mai, NRW im Juni, Bayern Anfang Juli und Baden-Württemberg Anfang Oktober.


Bislang ist das Interesse allerdings verhalten. In Niedersachsen nahmen bis Redaktionsschluss (9.11.20) 87 Betriebe am Programm teil, in Mecklenburg-Vorpommern waren es 80 und in NRW lagen 105 Anträge vor. Bayern zählte dagegen nur 29 Teilnehmer, und aus Baden-Württemberg lagen noch keine Zahlen vor. Im Ländle geht man langfristig jedoch von etwa 150 Teilnehmern aus. Die Gründe für das verhaltene Interesse sind vielschichtig.


Zum einen holt sich sicherlich niemand gern freiwillig das Veterinäramt für eine zusätzliche Kontrolle auf den Hof. Doch erstens sollte jeder Schweinehalter im eigenen Interesse bemüht sein, den eigenen Betrieb bestmöglich vor der Einschleppung von Seuchenerregern zu schützen. Und zweitens kann bei einer ASP-bedingten Keulung sogar eine Kürzung der Entschädigungszahlungen drohen, wenn der Betrieb nicht alle Biosicherheitsvorgaben erfüllt.


Viele schrecken aber auch vor den Kosten zurück. Denn die sind nicht unerheblich, wie Tierarzt Dr. Pabst am Beispiel eines Ferkelerzeugers errechnet hat, der monatlich rund 500 Ferkel überregional vermarktet. Dieser Betrieb muss immerhin mit jährlichen Kosten zwischen 1500 bis 2000 € rechnen. Die einmalige Kontrolle der Biosicherheit schlägt dabei mit etwa 150 € zu Buche.


Hinzu kommt die zweimal jährliche klinische Untersuchung des Bestandes mit rund 300 € (2x150 €). Für die wöchentliche Blutprobennahme bei den Falltieren kalkuliert Dr. Pabst weitere 1250 € (50 €x25 Wochen) ein. Hierbei hat er bereits berücksichtigt, dass vermutlich nicht jede Woche zwei ältere Schweine im Bestand verenden.


Risiko individuell abwägen


Dem gegenüber stehen jedoch die Kosten, die für diesen Betrieb im Falle einer anlassbezogenen Untersuchung anfallen, also wenn der Betrieb in ein gefährdetes Gebiet rutscht und er keinen ASP-Status besitzt. Wenn dieser Betrieb weiterhin wöchentlich 500 Ferkel an einen Mäster außerhalb des gefährdeten Gebietes vermarkten möchte, kämen pro Monat schnell 7500€ Untersuchungskosten zusammen.


Für die Berechnung hat der Tierarzt für die Blutprobennahme 5 bis 7 € je Ferkel und für die Laboruntersuchung weitere 7 bis 8 € je Ferkel unterstellt, zusammen also etwa 15 € pro Ferkel. Hochgerechnet auf eine Sperrdauer von vier Monaten summieren sich die Untersuchungskosten locker auf 30000 €!


„Letztlich muss jeder Schweinehalter selbst zwischen Kosten und Risiko abwägen. Dabei sind der Standort und die Größe des Bestandes sowie die Art der Vermarktung entscheidend“, gibt Dr. Pabst zu bedenken. Allen Ferkelerzeugern, die ihre Tiere in den freien Handel geben oder mit festen Mästern zusammenarbeiten, die weiter entfernt liegen, empfiehlt er allerdings dringend, an der ASP-Statuserhebung teilzunehmen.


Das Gleiche gilt für Jungsauenvermehrer, die ihre Tiere häufig und überregional vermarkten. Aber auch für Mäster, die kontinuierlich Mastschweine verkaufen, ist die Statuserhebung empfehlenswert. Für Mäster, die ihre Ställe im Rein-Raus belegen und daher seltener vermarkten, sind nach Ansicht von Dr. Pabst dagegen in den meisten Fällen die anlassbezogenen Untersuchungen kostengünstiger.


Allerdings gibt Pabst zu bedenken, dass die Mäster dann aufgrund der personellen und technischen Engpässe in den Tierarztpraxen und Laboren mit erheblichen Verzögerungen bei der Vermarktung rechnen müssen – inklusive der Preisabzüge für Übergewichte und eventueller Tierschutzprobleme.


Nicht im Detail durchdacht


Die Teilnahme am ASP-Früherkennungsprogramm ist also für viele Schweinehalter mehr als empfehlenswert. Allerdings gibt es auch noch viele Fallstricke. „Etliche Details und Spezialfälle wurden bei der Planung des Programms nicht ausreichend bedacht, wie sich jetzt herausstellt“, schildert Tierarzt Dr. Andreas Palzer vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt).


Auch die Tatsache, dass es keine bundeseinheitlichen Vorgaben gibt, sondern jedes Land bzw. im Einzelfall jeder Kreisveterinär entscheiden kann, wie streng die Vorgaben umgesetzt werden, macht die Sache nicht einfacher.


Beispiel Jungsauenzukauf: Sauenhalter dürfen auch als Statusbetrieb nur dann Ferkel aus dem gefährdeten Gebiet heraus verkaufen, wenn in den Bestand in den letzten 30 Tagen keine Tiere aus anderen Betrieben im gefährdeten Gebiet zugekauft und aufgestallt wurden. So steht es in §14f. der Schweinepestverordnung.


„Wenn ein Ferkelerzeuger Jungsauen von einem Vermehrer in der Nähe bezieht, darf er in den folgenden 30 Tagen keine Ferkel mehr aus dem gefährdeten Gebiet heraus vermarkten, egal, welchen ASP-Status er besitzt“, gibt Dr. Palzer zu bedenken.


Fallstrick Betriebsteilung


Ein weiteres Problem ergibt sich bei der steuerlichen Trennung von Betriebszweigen. Beispiel: Häufig werden die Ferkelerzeugung und die Ferkelaufzucht steuerlich voneinander getrennt. Beide Betriebszweige werden unter verschiedenen VVVO-Nummern geführt und bei der Statuserhebung als zwei getrennte epidemiologische Einheiten angesehen, obwohl die Ställe mitunter nur 20 Meter voneinander entfernt stehen.


„Nehmen wir an, die Sauenherde wird im 3-Wochen-Rhythmus gefahren und der Landwirt stallt alle drei Wochen Ferkel vom Abferkel- in den Aufzuchtstall um. Dann darf er anschließend 30 Tage lang keine Ferkel mehr an einen Mäster außerhalb des gefährdeten Gebietes verkaufen. Sein Ferkelverkauf käme durch die einzuhaltende 30-tägige Karenzzeit vollständig zum Erliegen“, fasst Dr. Palzer zusammen.


„Steuerlich getrennte Betriebe müssen daher dringend als eine epidemiologische Einheit anerkannt werden“, fordert Dr. Palzer. Erste Ansätze dafür gibt es inzwischen. Bayern hat dazu in der HIT-Datenbank epidemiologische Einheiten geschaffen. Der Ferkelerzeugerbetrieb wird dabei als „Parent-“ bzw. Elternbetrieb und der Aufzuchtstall als „Child-“ bzw. Tochterbetrieb geführt.


Einige Länder nutzen diese Möglichkeit der HIT-Datenbank inzwischen bereits. Letztlich liegt es jedoch im Ermessen jedes einzelnen Kreisveterinärs, was er als epidemiologische Einheit definiert oder nicht.


Für die 30-tägige Karenzzeit dagegen zeichnet sich nach Auskunft von Dr. Palzer bisher keine Lösung ab. Betroffen sind davon auch die arbeitsteiligen Systeme mit getrennten Deck-, Warte- und Abferkelbetrieben. „In den Abferkel- und Wartebetrieben wird in der Regel alle sechs Wochen umgestallt. Hier bereitet die Karenz keine Probleme. Die Deckbetriebe hingegen werden häufig alle drei Wochen mit Sauen beliefert. Deshalb könnte das System aufgrund der einzuhaltenden Karenzzeit schnell zusammenbrechen“, ist Dr. Palzer überzeugt.


henning.lehnert@topagrar.com

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