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Ampel für die Schlachtbefunde

Lesezeit: 7 Minuten

Schlachthof-Befunddaten liefern wertvolle Hinweise, wie sich die Bestands-gesundheit verbessern lässt. IQ-Agrar hat ein System entwickelt, mit dem sich die Befunde verständlich darstellen und überbetrieblich vergleichen lassen.


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Die Befunddaten, die am Schlachtband von den Schweinen erhoben werden, lesen sich wie eine Biografie der Tiere. Chronische Atemwegserkrankungen können ein Indiz dafür sein, dass Heizung und Lüftung im Stall nicht richtig eingestellt sind. Milkspots auf der Leber weisen auf Befall mit Spulwürmern hin, die die Leistungsfähigkeit der Tiere mindern. Lädierte Schinken können ein Hinweis darauf sein, dass die Tränkenippel zu tief montiert sind oder mit einem Schutzbügel versehen werden sollten. Und Schlagstriemen sind ein Beweis dafür, dass die Tiere beim Verladen zu ruppig behandelt wurden.


Befunde kosten Zunahmen:

Anhand der Befunddaten sieht der Landwirt sofort, wie gesund seine Schweine aufgewachsen sind. Darauf aufbauend kann er sein Tiergesundheitsmanagement optimieren und weiter an der Produktionstechnik feilen. Denn jeder Organbefund mindert die Leistungsfähigkeit der Tiere und schlägt sich negativ im wirtschaftlichen Ergebnis wider.


Untersuchungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen haben zum Beispiel gezeigt, dass jeder Befund die Zunahmen der Schweine im Schnitt um 50 g vermindert. Kommen mehrere Befunde zusammen, kann das im Einzelfall sogar bis zu 200 g tägliche Zunahmen kosten.


Deshalb ist es wichtig, die Schlachtkörperbefunde immer im Blick zu behalten. Doch leider hapert es häufig an der Vergleichbarkeit. Denn erstens erfasst nicht jeder Schlachthof die Be-funddaten in vollem Umfang, wie es in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Erfassung der Schlachtkörperbefunde (AVV) geregelt ist. Zumindest meldet nicht jeder Schlachthof die Daten an die Mäster zurück.


Und zweitens können die Befunddaten von Schlachthof zu Schlachthof, von Schlachttag zu Schlachttag und sogar innerhalb eines Schlachttages erheblich voneinander abweichen. Das liegt zum einen daran, wer die Befunddaten erhebt und welche Kreisordnungsbehörde zuständig ist. Denn jeder Kreisveterinär setzt unter Umständen andere Schwerpunkte bei der Fleischbeschau.


Darüber hinaus gibt es aber auch erhebliche saisonale Schwankungen, wie Übersicht 1 am Beispiel von Brustfell-entzündungen zeigt. Die Daten wurden im letzten Jahr an einem nordwestdeutschen Schlachthof erhoben. Dargestellt sind die Grenzwerte für das 1. (grün) und 3. Quartil (rot), also die Grenzwerte für die 25% besten und die 25% auffälligsten Lieferpartien, zumindest in puncto Brustfellentzündungen.


Im Januar hatten die 25% besten Lieferpartien z.B. eine Befundquote von maximal 1,18%. Im Mai dagegen lag dieser Wert bei 0%. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den 25% schlechtesten Lieferpartien. Im Januar wiesen sie eine Befundquote von mehr als 4,94% auf, im Mai dagegen eine von mindestens 6,18%. Das zeigt, wie stark das Auftreten von Brustfellentzündungen innerhalb eines Jahres schwanken kann.


Einheitlicher Befundindex:

„Um die Schlachthofbefunde für die Beratung nutzbar zu machen, überlegen wir deshalb schon lange, wie man diese „Umwelteffekte“ herausrechnen und so die Werte vergleichbar machen kann“, beschreibt Peter Schwaer, Geschäftsführer der IQ-Agrar Service GmbH in Osnabrück, das jüngste Projekt des Unternehmens.


IQ-Agrar betreut etwa 15000 QS-Betriebe und ist damit Deutschlands größter QS-Bündler. Zudem betreibt das Unternehmen das Auswertungsportal „Schlachtdaten-Online“, das von Beratern und Landwirten zur Auswertung von Schlachtdaten genutzt wird. Neben der Kontrolle der FOM- und AutoFOM-Werte sowie der Sortierdifferenz hat IQ-Agrar dabei auch die Schlachtbefunde im Blick. „Unser Ziel ist, Mästern und Beratern ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sie die Tiergesundheit objektiv beurteilen, verbessern und sich mit anderen Betrieben vergleichen können“, bringt es Christian Hegemann, der für Schlachtdaten-Online zuständig ist, auf den Punkt. Herausgekommen ist dabei der sogenannte Be-funddatenindex. „Um Störeffekte wie z.B. die Jahreszeit, den Einfluss des Begutachters am Schlachtband oder den des Schlachttages herausrechnen zu können, benötigen wir einen langen Vergleichszeitraum und eine hohe Datendichte“, beschreibt Geschäftsführer Peter Schwaer die Anforderungen.


Um die Mäster anhand ihrer Befundhäufigkeit rangieren zu können, sind realistische, von „Umwelteinflüssen“ bereinigte Werte erforderlich. Dazu reicht es nicht, nur die Befunde von einigen wenigen Lieferbetrieben bzw. 10% der Tagesschlachtungen zu berücksichtigen. IQ-Agrar benötigte vielmehr einen Schlachthof, der bereit war, alle anfallenden Befunddaten zur Verfügung zu stellen. In der Firma Tönnies fand sie den entsprechenden Partner. Zurzeit kann der Befunddatenindex, den Schlachtdaten-Online seit Kurzem ausweist, zwar nur für Tönnies-Daten angeboten werden. Für weitere Schlachthöfe ist die Auswertung aber geplant.


Ampel gibt schnellen Überblick:

Insgesamt setzt sich die Befund-Bewertung aus elf Einzelwerten zusammen, die zu vier Gruppen zusammengefasst wurden (siehe Übersicht 2):


  • Die Atemwegsgesundheit der Lieferpartie wird anhand der am Schlachtband registrierten Bauchfellentzündungen (BE), der verschiedenen Schweregrade von Brustfellentzündungen (PL1 bis PL3) und dem Schweregrad von Lungenentzündungen (PN1 bis PN3) beschrieben.
  • Die Organgesundheit wird auf Basis der festgestellten Darmentzündungen (EN) und Leberbefunde (L2) bewertet.
  • Gelenkentzündungen (GE) bilden den dritten Block der Befunde.
  • Und die körperliche Unversehrtheit (NE), zu der zum Beispiel verletzte Schwänze oder Schinken gehören, wird im vierten Block erfasst.


„Wir wollten eine möglichst einfache und übersichtliche Darstellung. Landwirt und Berater sollen sich nicht mit Zahlen herumschlagen müssen, sondern anhand von Signalfarben auf einen Blick erfassen können, wie es um die Gesundheit der Lieferpartie bzw. des Schweinebestandes bestellt ist“, erläutert Christian Hegemann.


Jeder Befundbalken ist deshalb nach Ampelfarben untergliedert. Der grüne Balken steht für die 25% besten Betriebe, die im Vergleichszeitraum an den betreffenden Schlachthof geliefert haben. Wobei sich dieser Vergleichszeitraum auf bis zu einem Jahr beziehen kann. Der gelbe Bereich markiert die 50% Betriebe in der Mitte, rechts und links vom Mittelwert. Und rot steht für die 25% schlechtesten Betriebe mit den häufigsten Befunden.


In Übersicht 2 sind beispielhaft die Befunddaten einer Lieferpartie mit 185 Schweinen des Betriebes Mustermann dargestellt. Die Ergebnisse der Lieferpartie markieren schwarze Reiter auf den jeweiligen Befundbalken.


Ergebnis: Keines der 185 gelieferten Schweine wies eine Bauchfellentzündung (BE) auf. Der Reiter befindet sich also ganz links im grünen Bereich des BE-Befundbalkens. Auf der Skala von 1 (bester Betrieb) bis 100 (schlechtester Lieferant des Schlacht-hofes) rangiert der Betrieb Mustermann somit bei Brustfellentzündungen auf Rang 1.


Bei den Leberbefunden (L2) sieht es leider anders aus. 31 der 185 gelieferten Mastschweine wiesen Milk-spots auf der Leber auf. Der Reiter befindet sich also rechts im „dunkelgelben“ Bereich. Im Ranking befindet sich der Lieferbetrieb bei den Leberbefunden daher auf Rang 70 von 100. In puncto Wurmbehandlung besteht also Handlungsbedarf.


Einstufung der Lieferanten?

Zurzeit dient der Befunddatenindex als reine Managementhilfe. Er soll den Mästern helfen, die Produktionsbedingungen und die Tiergesundheit in ihrem Betrieb zu verbessern. Mäster, die ihre Klassifizierungsdaten für 40 € pro Jahr über Schlachtdaten-Online auswerten lassen, bekommen die Befundauswertung gratis dazu.


„Von der Beratung gibt es bereits den Wunsch, auch die Salmonellenbefunde und den Antibiotikaverbrauch in die Auswertung aufzunehmen“, berichtet Christian Hegemann. Dann hätte man alle relevanten Tiergesundheits-Informationen auf einen Blick parat.


Doch auch die Schlachtunternehmen handeln nicht uneigennützig. „Langfristig wollen sie das System auch nutzen, um die Mäster nach Risiko einzustufen“, weiß Peter Schwaer aus Gesprächen mit der roten Seite. Welche Lieferpartien können sie bedenkenlos durchwinken? Und bei welchen Partien müssen sie besonders achtgeben? „Das ist keine Schikane der Schlachter, sondern wird von den EU-Hygienevorschriften vorgegeben“, gibt Peter Schwaer zu bedenken.


Basiskriterium beim Tierwohl:

Ganz aktuell bekommen die Schlachthofbefunde aber auch bei der Initiative Tierwohl (ITW) eine zusätzliche Bedeutung. Denn in den Basiskriterien der ITW ist unter Punkt 1.3 geregelt, dass der Mäster die Belege vom Schlachthof aufbewahren muss, aus denen hervorgeht, ob es Organbeanstandungen gab. Das ist auch Bestandteil der QS-Vorgaben.


Zudem sollen Tierhalter, die an der Initiative Tierwohl teilnehmen, zukünftig auch über einen „Tierwohlindikator“ bewertet werden. „Deshalb hat auch die Initiative Tierwohl großes Interesse am Befunddatenindex“, erläutert Schwaer.


Bis dahin müssen aber noch einige Hürden genommen werden. Erstens müsste die Befunderhebung endlich bundesweit vereinheitlicht werden. Und zweitens müssen die Schlachter überzeugt werden, den Mästern alle erhobenen Befunddaten zur Verfügung zu stellen. Henning Lehnert

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