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ASP: Behördenwillkür lässt Bauern verzweifeln

Lesezeit: 7 Minuten

Der Ferkelerzeugerbetrieb von Jörn Ahlers lag in der ASP-Überwachungszone. Acht Wochen suchte er verzweifelt nach einem Ventil für wöchentlich 600 bis 700 abgesetzte Ferkel.


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Bis Mitte November letzten Jahres fühlte sich Sauenhalter Jörn Ahlers aus dem niedersächsischen Wildeshausen für einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) noch gut gerüstet. Der 49-Jährige betreibt mit seinem Unternehmen, der „Geestferkel GmbH“, unter anderem in Groß Roge einen Ferkelerzeugerbetrieb mit 1200 Sauen und 5000 Ferkelaufzuchtplätzen sowie in Wilsen einen Ferkelaufzuchtstall mit 1700 Plätzen. Beide Betriebe liegen im Landkreis Rostock.


In allen Betrieben beachten Ahlers und seine Mitarbeiter penibel sämtliche Hygieneregeln. Außerdem nimmt der Landwirt seit über einem Jahr am ASP-Früherkennungsprogramm teil, um seine Ferkel im Falle eines Seuchenausbruchs ohne Verzögerung weiter vermarkten zu können. Und eine Ertragsschadenversicherung soll im Ernstfall den entgangenen Deckungsbeitrag ausgleichen, wenn es zu ASP-Vermarktungsrestriktionen kommt.


Plötzlich Überwachungszone


Am 15. November 2021 wurde Ahlers dann jedoch von der Realität eingeholt. Durch den ASP-Nachweis in einem Mastbestand in Lalendorf rutschten plötzlich auch seine beiden Betriebe in Groß Roge und Wilsen in die ASP-Überwachungszone.


Für Ahlers war das eine Katastrophe. Denn dadurch musste er sich auf eine dreimonatige Sperre seiner Betriebe einstellen. Bis zum 15. Februar dürfe er keine Schweine aus den beiden Ställen verbringen – allenfalls mit Ausnahmegenehmigung des Veterinäramtes. So stand es im Durchführungsbeschluss (EU) 2021/2021 der EU-Kommission.


Doch wo sollte Ahlers hin mit den Ferkeln? „Wöchentlich werden in Groß Roge 600 bis 700 Ferkel geboren, und genauso viele müssen auch abgesetzt werden, um Platz für die nächste Abferkelgruppe zu schaffen. Die Kapazitäten unserer Flatdecks sind jedoch begrenzt“, schildert der Landwirt das damalige Problem.


In Eigenregie ließ Ahlers von seinen Mitarbeitern zunächst Notbuchten auf den Verbindungsgängen der Stallabteile bauen. Aus Kunststoffpaneelen wurden Buchtenabtrennungen gebaut, vorhandene Futterautomaten aufgestellt, neue Tränken installiert und der Betonboden wurde mit Sägemehl eingestreut.


„Die schwersten Ferkel haben wir zudem in den Quarantäneabteilen für die Jungsauen untergebracht und eine Ferkelgruppe in den Abferkelbuchten gelassen“, berichtet Ahlers. So konnte er kurzfristig einen Puffer für drei bis vier Wochen schaffen. Damit waren seine Ressourcen jedoch erschöpft.


Parallel zum Bau der Notbuchten bemühte sich Jörn Ahlers deshalb beim Veterinäramt des Landkreises Rostock um eine Ausnahmegenehmigung, Ferkel an seine bisherigen Mäster liefern zu dürfen. Schließlich wird der Sauenbestand im Rahmen des Früherkennungsprogramms laufend überwacht. Und in die Untersuchungen hatte Ahlers viel Geld investiert.


Das Veterinäramt Rostock gab grünes Licht. Auch die Mäster waren bereit. „Aber die Abnehmer hätten sich verpflichten müssen, bis zum 15. Februar 2022 ebenfalls keine Mastschweine zu verkaufen“, schildert Antje Menz vom Schweinekontroll- und Beratungsring Mecklenburg-Vorpommern (SKBR). Da die Mäster abteilweise im Rein-Raus belegen, waren sie jedoch gezwungen, regelmäßig Tiere zu verkaufen.


Mastställe gepachtet


Notgedrungen entschied sich Ahlers deshalb, selbst Mastställe in anderen Regionen anzupachten. Von seinen Ferkelabnehmern erfuhr er, dass es in den Landkreisen Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein und im niedersächsischen Landkreis Lüneburg leer stehende Ställe gab.


Das Veterinäramt des Landkreises Rostock gab grünes Licht für das Verbringen der Ferkel. Jörn Ahlers pachtete die Ställe an und die Veterinärämter der aufnehmenden Landkreise wurden informiert.


Die beiden Ziel-Veterinärämter leiteten Ahlers Anfrage dann jedoch an die Landesministerien in Kiel und Hannover weiter. „Obwohl die Ferkel gesund waren und vermutlich zu den am intensivsten untersuchten Tieren in ganz Deutschland zählten, lehnten jedoch beide Ministerien das Verbringen der Ferkel ab“, beklagt Tierarzt Thomas Kornhoff von der Tierarztpraxis Dümmerland, die den Bestand in Groß Roge betreut.


Als letzte Option richtete Jörn Ahlers eine Anfrage an den Landkreis Vechta, wo er bereits einen anderen Maststall betreibt. Aufgrund seines ASP-Status stimmte Vechta zu.


Endlich schien ein Ventil für die von Tag zu Tag schwerer werdenden Ferkel gefunden zu sein. 2100 Ferkel sollten in der ersten Januarwoche 2022 in verplombten Fahrzeugen die Reise nach Südoldenburg antreten.


„Der Viehtransporter stand schon auf dem Hof, da kam aus dem Ministerium in Hannover die Absage“, berichtet Jörn Ahlers. Begründung: Die rechtlichen Voraussetzungen für das Verbringen seien nicht gegeben.


Eine Ausnahmegenehmigung zum Verbringen von Schweinen aus der Überwachungszone könne laut EU-Verordnung (EU) 2020/687 nur erteilt werden, wenn die Tiere innerhalb derselben Lieferkette transportiert würden. Diese Voraussetzung sei hier aber nicht gegeben. Die bisherigen Ferkelverkäufe seien nicht durchgängig, weil Ahlers Kunden zwischendurch auch mal woanders Ferkel bezogen hatten.


Auch Ahlers Argument, mit den Pachtställen eine eigene Lieferkette aufzubauen, wurde nicht akzeptiert. „Eine Ausnahmegenehmigung könne nur für bestehende Lieferketten erteilt werden, nicht für neu gegründete“, berichtet Ahlers Rechtsanwältin Dr. Daniela Schäfrich von der Potsdamer Anwaltskanzlei HSA Rechtanwälte von einem Gespräch mit dem Ministerium in Hannover.


Mit anderen Worten: Weder in Niedersachsen noch in Schleswig-Holstein wollte man Ferkel aus der ASP-Überwachungszone in Mecklenburg-Vorpommern aufstallen. Für die Begründung hat man sich dann aus den deutschen und den EU-Rechtsvorschriften passende Passagen herausgepickt.


Währenddessen kündigte sich in Groß Roge durch die Überbelegung ein massives Tierschutzproblem an. Ahlers Mitarbeiter versuchten zwar, die Tiere mit Raufutter und Beschäftigungsmaterial abzulenken. „Trotzdem kam es zu Verletzungen, die intensiv behandelt wurden. Und einige nicht heilbare Tiere mussten wir nottöten“, berichtet Tierarzt Kornhoff.


Zu leicht zum Schlachten


Es wurde auch überlegt, die Läufer schlachten zu lassen. „Mit Unterstützung des Veterinäramtes ist es zumindest einem Mäster und einem Ferkelaufzuchtbetrieb aus der Überwachungszone gelungen, insgesamt 700 Schweine im Schlachthof Kellinghusen schlachten zu lassen“, berichtet SKBR-Geschäftsführer Dr. Jörg Brüggemann.


Gerissen hatte man sich dort um die Schweine allerdings nicht. Denn das Fleisch von Schweinen aus Sperrzone III muss erhitzt werden, kann also nur zu Konservenfleisch oder Brühwürstchen verarbeitet werden. Und dafür gibt es nur wenige Interessenten.


Für Ahlers bot sich diese Möglichkeit aber ohnehin nicht an. Denn um beim Schlachten die Entborstung durchlaufen zu können, müssen die Tiere mindestens 70kg wiegen. Sind sie leichter, ist die Schwarte zu dünn, sodass der Schlachtkörper womöglich beschädigt werden könnte.


Da kam am 12. Januar aus Schwerin die erlösende Nachricht, dass die Restriktionen rund um den ASP-Ausbruchsbetrieb in Lalendorf bereits zum 15. Januar 2022 aufgehoben werden – also einen Monat früher als bisher von der EU gefordert wurde. Durch hartnäckiges Verhandeln war es dem Landkreis Rostock und dem Schweriner Ministerium gelungen, die EU-Kommission davon zu überzeugen, dass von dem punktuellen Seucheneintrag keine Verschleppungsgefahr ausgeht.


Um die überschweren Tiere nicht unter Preis verkaufen zu müssen, entschied sich Jörn Ahlers, die Läufer in den Pachtställen selbst auszumästen.


Wichtig sei jetzt, dass die Politik aus den Geschehnissen ihre Lehren ziehe. „Wir müssen weg von Einzelfalllösungen und willkürlichen Entscheidungen einzelner Behörden, hin zu verlässlichen Regelungen, die bundesweit gelten und mit denen wir wirtschaftlich überleben können“, fordert Ahlers. Hier müsse das Bundeslandwirtschaftsministerium das Ruder übernehmen.


Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister, Dr. Till Backhaus, wünscht sich bei der ASP-Bekämpfung eine führende Hand aus Berlin. „EU- und Bundesrecht müssen deutschlandweit einheitlich ausgelegt werden, damit nicht jedes Land seinen eigenen Weg aus der ASP-Krise suchen muss“, so der Minister.


Es müsse endlich klar geregelt werden, wo Tiere aus ASP-Restriktionsgebieten hingeliefert werden können und wie die Landwirte für die Mindereinnahmen entschädigt werden, fordert Ahlers. „Die derzeitigen Maßnahmen sind kein ASP-Tilgungungsprogramm, sondern eher ein Programm zur Tilgung der Schweinehalter“ ist Ahlers überzeugt.Ihr Kontakt zur Redaktion:henning.lehnert@topagrar.com

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