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ASP: Risikofaktor Mensch

Lesezeit: 6 Minuten

Können wir uns vor der Afrikanischen Schweinepest schützen? Oder ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auch uns erwischt? top agrar sprach mit dem Virologen Dr. Klaus Depner vom Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems.


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Durch die ASP-Ausbrüche in Tschechien und Rumänien ist die Seuche nur noch rund 300 km von der deutschen Grenze entfernt. Wie bedrohlich ist die Lage?


Depner: Die Lage ist kritisch, aber nicht bedrohlicher als vor den Ausbrüchen in Tschechien und Rumänien. Denn die Entfernung spielt bei der Afrikanischen Schweinepest nur eine untergeordnete Rolle. Häufig wird das Virus von Menschen weitergetragen. Und die können den Erreger an einem einzigen Tag über tausende von Kilometern verschleppen.


Das Infektionsrisiko erhöht sich allerdings dadurch, dass jetzt bereits sechs europäische Länder von der Afrikanischen Schweinepest betroffen sind. Es ist aus meiner Sicht reiner Zufall, dass es diesmal Tschechien erwischt hat. Das kontaminierte Material, das dort die Wildschweine angesteckt hat, hätte genauso gut deutsche Schwarzkittel zum Beispiel auf einer Autobahnraststätte entlang der A2 infizieren können.


Können wir unsere Schweinebestände überhaupt vor der ASP schützen?


Depner: Ja, kann man, zumindest die Hausschweine. Die Einschleppung in Hausschweinebestände können und müssen wir mit allen Mitteln verhindern! Hausschweine stehen im Stall, jeder Stall hat eine Tür, und diese Tür kann man verschlossen halten – sinnbildlich gesprochen. Man kann über die Betriebshygiene vorbeugen.


Anders sieht es bei Wildschweinen aus. Sie leben im Wald und lassen sich kaum kontrollieren. Deshalb können wir nicht ausschließen, dass auch bei uns ASP-positive Schwarzkittel gefunden werden. Das kann morgen passieren, vielleicht aber auch erst in zehn Jahren. Sorgen bereitet uns vor allem das „urbane“, an den Menschen adaptierte Wildschwein. Es hat Zugang zu Hausmüll, Gärten und Rastplätzen und kann sich dort mit ASP infizieren. Das Infektionsrisiko steigt mit zunehmender Nähe zum Menschen.


Wovon bzw. von wem geht derzeit die größte Ansteckungsgefahr aus?


Depner: Das ASP-Virus gelangt nicht über die Lüftung oder Insekten in den Stall wie zum Beispiel der Erreger der Maul- und Klauenseuche, sondern meistens durch menschliches Fehlverhalten. Das können osteuropäische Aushilfsarbeiter sein, die Reiseproviant aus ihrer Heimat mitbringen oder deutsche Schweinehalter, die in den von der ASP betroffenen Gebieten zur Jagd gehen. Es können aber auch Lkw-Fahrer aus Osteuropa sein, die auf unseren Autobahnraststätten eine Lenkpause einlegen, sich selbst verpflegen und die Reste nicht vorschriftsmäßig in Mülltonnen entsorgen.


Wie groß ist die Übertragungsgefahr durch Wildschweine?


Depner: Wildschweine stellen ein bedeutsames Erreger-Reservoir für die Afrikanische Schweinepest dar. Infizierte Tiere werden jedoch apathisch, sie ziehen sich zum Sterben ins Dickicht zurück und legen keine großen Entfernungen mehr zurück.


Auch hier stellt wieder der Mensch das größte Risiko dar. Wenn er es zulässt, dass infizierte Wildschweine direkten oder indirekten Kontakt zu Hausschweinen bekommen, ist die Übertragungsgefahr groß. Die Infektion kann z.B. über Jagdkleidung erfolgen, die vor dem Stallbesuch nicht gewechselt wurde, oder über CCM, Stroheinstreu sowie rohfaserhaltiges Beschäftigungsmaterial, das vorher mit Wildschweinen in Kontakt kam.


Tschechien und Polen wollen Schutzzäune errichten, um das Abwandern von infizierten Wildschweinen zu verhindern. Ist das sinnvoll?


Depner: In der Praxis ist das weder durchführbar noch nachhaltig. Ein Beispiel: Um ein 10 km mal 10 km großes Areal mit infizierten Wildschweinen einzuzäunen, müssen Sie 40 km (!) Zaun errichten. Der Zaun muss Gräben und Flüsse, Wege und Privatgrundstücke durchqueren, muss stabil sein und in die Erde eingelassen werden, damit er nicht unterwühlt werden kann. Und er muss an etlichen Stellen Tore für Menschen und Fahrzeuge aufweisen, die immer wieder sorgfältig geschlossen und regelmäßig kontrolliert werden. Das alles erscheint mir nicht praktikabel – ganz abgesehen von den Kosten, die dieser Zaun verursacht.


Welche Konsequenzen hätte ein ASP-Virusnachweis bei in Deutschland aufgefundenen Wildschweinen?


Depner: Das ist klar in der deutschen Schweinepestverordnung und in den Artikeln 15 und 16 der EU-Richtlinie 2002/60/EG geregelt. Sobald sich der ASP-Erreger in einer Region bei Wildschweinen nachweisen lässt, wird sofort ein Seuchengebiet ausgewiesen. Die Größe des Gebietes wird von Seuchenexperten zusammen mit ortskundigen Wildbiologen und Jägern festgelegt. Aus diesem Gebiet dürfen dann mindestens zwölf Monate lang keine Schweine in den innergemeinschaftlichen Handel verbracht werden.


Sobald sich das Seuchengeschehen ausweitet oder erste Ausbrüche bei Hausschweinen beobachtet werden, verschärfen sich die Auflagen dramatisch. Die Handelsbeschränkungen können sich über Jahre hinziehen. Die Konsequenzen für den Export und den hiesigen Schweinemarkt wären in jedem Fall dramatisch.


Wie lässt sich der Wildschweindruck in Deutschland effektiv reduzieren?


Depner: Hier streiten sich die Jagdexperten. Einige empfehlen, neben ausgewachsenen Wildschweinen auch die Frischlinge zu bejagen. Andere plädieren dafür, sogar ferkelführende Bachen für den Abschuss freizugeben. Denn die Erfahrungen aus Lettland zeigen, dass es mittelfristig sehr erfolgreich ist, die weiblichen Tiere zu bejagen, weil man dadurch die Reproduktionsrate erfolgreich senkt. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt, die Wildschweinedichte um 70% zu reduzieren. Ich bin jedoch skeptisch, ob sich das in der Praxis auch tatsächlich nachhaltig und großräumig umsetzen lässt.


Warum ist es so schwierig, einen Impfstoff gegen die ASP zu entwickeln?


Depner: Es gab bereits zahlreiche Versuche, einen wirksamen Impfstoff gegen die Afrikanische Schweinepest herzustellen. Mit den gängigen Herstellungsverfahren ist dies jedoch bislang nicht gelungen. Das liegt zum einen daran, dass das ASP-Virus so komplex ist. Es liegt aber auch am Zusammenspiel des Erregers und des Immunsystems des Schweines. Denn das ASP-Virus zerstört unter anderem genau die Immunzellen im Blut, die für die Immunabwehr verantwortlich sind.


Bei der Impfstoffherstellung versucht man, das Feldvirus so weit zu „entschärfen“, dass es bei den geimpften Schweinen zwar eine stabile Immunität auslöst, die Tiere aber nicht krank macht. Alle bisher entwickelten Impfstoff-Prototypen haben die Impflinge nicht zuverlässig geschützt. Ein Teil der Tiere bildet zwar Antikörper, kann sich aber nach wie vor mit dem ASP-Erreger anstecken.


Wann könnte eine ASP-Vakzine frühestens verfügbar sein?


Depner: Selbst wenn es gelänge, einen perfekt wirkenden ASP-Impfstoff herzustellen – was sich im Moment aber überhaupt nicht abzeichnet – würde es immer noch Monate bis Jahre dauern, bis die Vakzine das Zulassungsverfahren durchlaufen hat und industriell hergestellt werden kann.


Und selbst wenn dann ein kommerzieller Impfstoff zur Verfügung steht, ist es immer noch fraglich, ob er auch tatsächlich eingesetzt wird. Denn eine Impfung könnte massive Handelsbeschränkungen für deutsches Schweinefleisch zur Folge haben.


Das Interview führteHenning Lehnert

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