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Außenklimastall: Viel Tierwohl, kaum Geruch

Lesezeit: 8 Minuten

In diesem österreichischen Pilot-Maststall wurde viel unternommen, um die Ammoniakemissionen zu reduzieren und das Tierwohl zu erhöhen. Das hat allerdings seinen Preis.


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Oh, hier fehlt doch was! Ein offener Außenklimastall, 850 Mastschweine und es riecht kaum nach Schwein? Wie funktioniert das?


Josef und Christina Neuhold aus St. Veit in der Steiermark setzen in ihrem neu gebauten Tierwohlstall auf verschiedene Maßnahmen, um Emissionen zu reduzieren. Der größte Clou ist eine spezielle Entmistung, die Kot und Harn trennt und somit die Entstehung von Ammoniak deutlich senkt.


Kunden wollen Tierwohl


Zusätzlich bieten die Landwirte ihren Tieren viel Komfort mit 50% mehr Platz (1,1 m²/Tier) sowie Einstreu mit entstaubtem Stroh. Die Investitionskosten waren mit rund 2 Mio. € (inkl. Genehmigungs- und Erschließungskosten)allerdings enorm. Dank einer bereits etablierten Direktvermarktung am Betrieb trauten sich die Landwirte dennoch, das Stallprojekt umzusetzen.


„Uns war wichtig, den Wünschen unserer Kunden gerecht zu werden, die immer mehr Tierwohl nachfragen. Daher haben wir uns für diesen Stall entschieden“, erklären sie. Gleichzeitig wollten sie einen Stall bauen, der wenig Emissionen und Geruch produziert.Doch welche Maßnahmen sind es genau, die kaum Schweinegeruch entstehen lassen und das Tierwohl fördern?


Das beginnt schon mit der Bauform des Stalles. Es handelt sich um einen NatureLine-Außenklimastall der Firma Schauer Agrotronic. Jede Bucht ist in drei Bereiche aufgeteilt: jeweils einen Liege-, Fress- und Kotbereich.


Alle drei Bereiche sind überdacht. Vom warmen Liegebereich gelangen die Schweine über Pendeltüren in den Außenbereich. Insgesamt sind 20% der Fläche in den Buchten mit Spalten ausgelegt (siehe Übersicht Seite S27).


Kaum Staub im Stall


Der Liegebereich bietet den Schweinen eine befestigte Fläche, die zweimal am Tag automatisch mit entstaubtem Stroh eingestreut wird. Josef Neuhold legt dabei größten Wert auf eine ausgezeichnete Strohqualität. „Wir haben auch schon einmal Stroh ausgetauscht, weil es unseren Ansprüchen nicht genügt hat“, erzählt der Landwirt.


Da die Schweine sehr viel Stroh fressen, werden etwa 100 g pro Tag und Tier neu eingestreut. Größere Mastschweine bekommen mehr. Neuhold hebt hierbei hervor, dass die Strohfläche nie zu dick sein sollte, da es kein Tiefstreustall ist. Er achtet im Liegebereich auch stets darauf, dass sich keine Strohnester bilden, um Brutstätten für Keime und Fliegen vorzubeugen. „Im Sommer hatte ich ein paar Fälle, wo Schweine im Liegebereich gekotet haben. Durch das Verkleinern der Liegefläche konnte ich das Problem aber schnell wieder in den Griff bekommen“, erzählt er.


Für die Stroheinstreu hebt Neuhold alle paar Tage einen 250-kg-Strohballen in den Ballenauflöser. Dieser zerkleinert das Stroh, das anschließend von der Strohmatic-Anlage entstaubt und über Rohre in je zwei Buchten gleichzeitig gestreut wird. Um möglichen Staub noch weiter zu binden, sprühen Düsen nach dem Einstreuen ein paar Sekunden lang Rapsöl in die Buchten. Den Schweinen gefällt dies sichtlich. Die Tiere lassen sich gerne vom Stroh berieseln oder lecken sich das Öl von den Bäuchen.


Kühle Luft im Sommer


Doch nicht nur das Stroh bietet den Schweinen Komfort. Auch eine Bodenheizung, die mit Erdwärme beheizt wird, sorgt im Winter für angenehme Temperaturen. Jeweils drei Buchten können dabei zeitgleich beheizt werden.


Auch die Lüftung trägt einen großen Teil zum Wohlbefinden der Schweine und somit zu weniger Emissionen bei. Dazu nutzt Neuhold die Thermik der Luft über eine Unterflurlüftung. Seitlich am Stall wird frische Luft per Ventilator über einen 3m tiefen Schacht ins Innere gesaugt. Cool-Pads kühlen die Zuluft im Sommer. Im Winter wird die Luft erwärmt. Über den First gelangt die Luft schließlich wieder nach außen.


Der Einsatz von Rauchpatronen zeigt, wie langsam und gleichmäßig sich die Luft im Stall verteilt. „Im Sommer spielt die Temperatur eine zentrale Rolle. Ist es zu warm, liegen die Schweine draußen und koten innen. Das verursacht dann den Geruch“, erklärt Neuhold. Durch die Kühlung im Sommer bleibt es aber auch im Stall angenehm kühl. An einem heißen Julitag im Vorjahr lag die Temperatur innen beispielsweise bei 23°C.


Ein weiterer Vorteil der Lüftung ist, dass die Schweine auch bei Stromausfall genügend frische Luft bekommen. Zudem haben die Tiere ständig Zugang ins Freie und zu unterschiedlichen Klimareizen. Da der Kotbereich überdacht ist, werden Emissionen weiter reduziert.


Kot und Harn getrennt


Der Hauptgrund für die wirkungsvolle Minderung der Emissionen ist aber eine Kot-Harn-Trennung. Das heißt, da die Ausscheidungen getrennt werden, spaltet sich der Harnstoff nicht in Kohlenstoffdioxid und Ammoniak auf. Es entstehen so deutlich weniger Ammoniak-Emissionen.


Die Trennung von Kot und Harn geschieht folgendermaßen: Unter dem Kotbereich, der mit Kunststoffrosten ausgestattet ist, befindet sich eine Entmistung. Die flüssige Phase fließt über eine Harnrinne in einen eigenen Behälter. Der feste Kot bleibt auf der Entmistung liegen und wird alle zwei Stunden mittels Schieber automatisch in einen Container geschoben. Da die Harnrinne abgedeckt ist, gelangt kaum Kot hinein.


Die mit Kot gefüllten Container muss Neuhold regelmäßig mit dem Hoftrac auskippen. Er bringt die feste Phase dann zu einer nahe gelegenen Kompostieranlage, um einen hochwertigen Dünger für seine Felder zu erhalten. Er überlegt aber bereits, selbst zu kompostieren, um Fahrzeit und Kosten zu sparen. Immerhin muss er zweimal pro Woche den Festmist transportieren.


Fütterung in Multiphasen


Die Fütterung der Schweine ist ein weiterer Baustein in der Emissionsreduktion. Neuhold füttert seine Tiere eiweißreduziert mit fünf Rezepturen und täglicher automatischer Anpassung der Energie- und Eiweißanteile ad-libitum. In jeder Bucht befinden sich zwei Futterautomaten. Die Rationen bestehen aus:


  • 50% Mais,
  • 20 bis 25% Weizen und Hirse,
  • 4 bis 11% Rapsschrot,
  • 9 bis 19% gentechnikfreiem Soja
  • und Mineralstoffen.


In einem der Automaten bietet der Landwirt auch Futter mit 3% Kräuterpellets an. „Die decken einerseits den Rohfaserbedarf der Tiere. Zweitens dienen diese auch als Knabber- und Spielzeug. Um Krankheiten vorzubeugen, erhalten die Schweine auch Rettich in Pulverform. Zurzeit kommen wir ohne Antibiotika aus“, hebt Neuhold hervor.


Die Tränken befinden sich im Kotbereich und sind in drei unterschiedlichen Höhen angeordnet. Im Winter wird das Wasser vorgewärmt.


Extrem hohe Baukosten


Mit Investitionskosten in Höhe von rund 2 Mio. € brutto für 850 Mastplätze war der Stall extrem teuer. Wobei aber die Erschließungskosten (Strom, Wasser) sowie die Kosten für zwei Ganzkornsilos, das Güllelager und den Erdwärmetauscher inbegriffen sind.


„In der Gesamtsumme sind auch 100000 € Anwaltskosten eingerechnet, da Tierschutzaktivisten den Bau des eigentlich geplanten, konventionellen Stalles verhinderten und sich die Planung deshalb auf fast zehn Jahre erstreckte“, berichtet Neuhold. Die Förderung war auf 400000 € gedeckelt.


Durch die eigene Direktvermarktung gelingt es der Familie aber, die hohen Kosten des Neubaues zu stemmen. Im eigenen Hofladen „Jaga’s Steirerei“, bei Partnern und auch im Onlineshop können die Kunden einkaufen. Von Frischfleisch bis zu verarbeiteten Produkten ist das Angebot vielfältig.


Ohne diese Absatzschiene würde sich ein solcher Stallbau nicht rentieren, weiß Josef Neuhold: „Es braucht auf jeden Fall auch Vermarktungspartner und Liebe zur Arbeit.“ Er erklärt auch, dass es mindestens 50 Cent mehr pro Kilogramm sein müssen, um Schweine in einem solchen Stallsystem wirtschaftlich halten zu können.


Resümee des Landwirts


Nachdem sein Tierwohlstall nun seit über einem Jahr in Betrieb ist, kann Josef Neuhold schon die ersten Erfahrungen zusammenfassen: „Die Schweine sind extrem gern draußen, auch bei kühlen Temperaturen“, berichtet er.


Er merkt auch an, wie gesund die Tiere sind. Die Ausfälle betrugen rund 1%. Auch die täglichen Zunahmen sprechen für sich. Aktuell liegen diese bei 850 g. Er achtet zudem auf einen hohen intramuskulären Fettanteil.


„Wir können mit unserem Tierwohlstall alle Kundenwünsche erfüllen. Konsumenten können auch jederzeit zum Stall gehen und sich von der Haltung der Tiere ein Bild machen“, erklärt Neuhold, dem Transparenz wichtig ist. Der Stall macht aber auch deutlich mehr Arbeit wie ein konventioneller. Für Josef Neuhold stehen dennoch die vielen Vorteile im Vordergrund, die das Stallkonzept für seine Schweine und auch für ihn bietet. Verbesserungspotenzial sieht er nach über einem Jahr Praxiserfahrung bisher nicht.


Ihr Kontakt zur Redaktion:


beate.kraml@topagrar.at


Forschungsprojekt


Ziel: Emissionen und Geruch zu reduzieren


Im EIP-Projekt „SaLuT – Saubere Luft in der Tierproduktion“ untersucht die Forschungseinrichtung HBLFA Raumberg-Gumpenstein die emissionssenkenden Maßnahmen im Schweinestall der Familie Neuhold. Neben Emissionen und Geruch sammeln die Forscher aber auch Daten zu Lärm, Staubbelastung, Tierverhalten, Bioaerosolen, Wirtschaftlichkeit usw.


Das Projekt zielt auf eine Reduktion der Ammoniak- (NH3) und Geruchsemissionen in der Mastschweinehaltung ab. Im Mittelpunkt steht die Erprobung des ersten emissionsarmen Tierwohlstalls für Mastschweine in Österreich. Technisch werden in den Bereichen Tierhaltung und Emissionen völlig neue Wege beschritten. Wesentliche Ziele des Großprojekts sind:


  • Reduktion der Ammoniak-, Staub- sowie der Geruchsbelastung in der Tierproduktion und Erarbeitung von Potenzialen, Emissionen zu reduzieren;
  • Verbesserung des Tierwohls in Schweinemastställen;
  • Lösung bestehender bzw. Vermeidung zukünftiger Interessenskonflikte mit Anwohnern und Tierschützern und
  • Sicherstellung der Eigenversorgung mit Schweinefleisch in Österreich.

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