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Betriebshygiene von A bis Z

Lesezeit: 7 Minuten

Vom täglichen Waschen der Futterschälchen bis zum wurfweisen Wechsel der Injektionsnadeln hat Power-Praktikant Julian Lang viel über Betriebshygiene gelernt.


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Wie schafft man es, 650 Sauen, rund 2800 Aufzuchtferkel und 3000 Mastschweine so fit zu halten, dass kaum Antibiotika eingesetzt werden müssen? Welche Rolle spielt dabei die Hygiene im Betrieb, und welche Hygienemaßnahmen sind besonders wichtig?


Diese Fragen gehen mir durch den Kopf, als ich montags in aller Frühe auf dem Hof meiner Eltern im Main-Tauber-Kreis in mein Auto steige und zum einwöchigen Power-Praktikum von top agrar nach Wilfertsweiler in Oberschwaben aufbreche. Ich bin sehr gespannt, was mich dort alles erwartet.


72 Stunden schweinefrei:

Kurz vor dem Ortsschild sehe ich links unten im Tal das imposante, 85 Meter lange Stallgebäude, in dem 650 Hermitage-Hybrid-sauen untergebracht sind. Unweit davon entfernt steht ein Ferkelaufzuchtstall mit 2800 Plätzen.


Am Stalleingang erwarten mich die beiden Eigentümer Robert Lutz (40) und Wolfgang Pfeiffer (45). Die beiden kennen sich seit vielen Jahren und seit 2012 kooperieren sie. Robert Lutz war früher Ferkelaufzüchter im arbeitsteiligen System. Und Wolfgang Pfeiffer, der einen Gemischtbetrieb mit 90 Sauen und Milchvieh im Nebenerwerb bewirtschaftete, war sein Berater. Vor acht Jahren entwickelten die beiden erste Konzepte für eine Kooperation, vier Jahre später wurde der gemeinsam finanzierte Sauenstall bezogen.


Bereits beim Passieren der Hygieneschleuse wird mir bewusst, wie wichtig den beiden die Betriebshygiene ist. „Außer dem Tierarzt und notwendigen Handwerkern kommt normalerweise niemand in den Stall“, erklärt Wolfgang Pfeiffer. Für mich machen die beiden Betriebsleiter eine Ausnahme. Voraussetzung ist allerdings, dass ich 72 Stunden lang in keinem Schweinestall war, üblich sind sonst 48 Stunden.


Vor dem Betreten des Stalles muss ich die Besucherdusche passieren. Es liegen frisch gewaschene Unterwäsche, T-Shirts, Socken, Overalls und Stiefel in unterschiedlichen Größen bereit. Perfekt, so macht das Einduschen Spaß.


Robert Lutz, der nach seinem Agrarstudium in großen Sauenanlagen in Australien, Irland und Ostdeutschland gearbeitet hat, erläutert mir, wie wichtig das konsequente Einhalten der Hygienemaßnahmen für den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes ist. Die guten Leistungen – 30 abgesetzte Ferkel pro Sau und Jahr, 6,5% Umrauscher sowie 0,6% Aufzuchtverluste – und der gute Gesundheitszustand der Herde geben ihm Recht. Zumal auch der Antibiotikaverbrauch minimal ist.


Möglichst wenig Außenkontakte:

Um die Gefahr einer Krankheitseinschleppung zu reduzieren, will die LuP Sauenzucht GmbH möglichst wenig Außenkontakte. Die Hybridjungsauen werden selbst nachgezogen. „Außer Ebersperma zur Besamung kommt kein genetisches Material in den Bestand“, bestätigt Robert Lutz. Selbst die Tiertransporte zwischen Jung- und Altsauenstall erfolgen mit einem betriebseigenen Transporter, der nach jedem Einsatz sorgfältig gereinigt und desinfiziert wird.


Die Sauenherde wird im 3-Wochen-Rhythmus gefahren. Es gibt sieben Sauengruppen, die aus jeweils etwa 90 Sauen bestehen. Die Jungsauen stehen in einem 8 km entfernten Stall. Die Remontierungsrate liegt bei 20% je Gruppe, das sind 46 % im Jahresdurchschnitt.


Die für die nächste Besamungsgruppe selektierten Jungsauen werden vor dem Transport ins Deckzentrum gründlich mit dem Hochdruckreiniger gewaschen. Dabei wird mit viel Wasser und wenig Druck gearbeitet.


Auch beim Besamen legen die beiden großen Wert auf Hygiene, um keine Keime in den Genitaltrakt der Sauen einzuschleppen. Die Scham der Tiere wird vor dem Besamen mit trockenen Zellstofftüchern gereinigt. Anschließend werden „Clean blue“-Pipetten eingesetzt. Die in Folie verschweißte Pipette wird schräg von unten angesetzt. Ist die Pipette etwa zehn Zentimeter tief eingeführt, hält man die Folie fest, durchstößt sie mit der Pipette und schiebt dann den Besamungskatheter bis zur endgültigen Position vor. So ist die Gefahr, Keime einzutragen und dadurch Fruchtbarkeitsprobleme zu provozieren, deutlich reduziert.


Um teure Leertage zu vermeiden, muss eine regelmäßige Trächtigkeitsdiagnose durchgeführt werden. In den letzten Jahren hat sich dafür der Scanner bewährt. Den externen Scannerdienst lehnen die beiden aber aus hygienischen Gründen ab.Deshalb haben Robert Lutz und Wolfgang Pfeiffer bereits vor Jahren rund 4500 € in ein eigenes Scannergerät investiert. Für das Scannen ist Hildgund Lutz zuständig. Sie hat spezielle Schulungen besucht und lässt sich vom Tierarzt beraten, wie man Gebärmutterprobleme erkennt.


„Der eigene Scanner bietet zudem den Vorteil der Flexibilität. Mit dem eigenen Gerät können auch zweifelhafte Sauen zu einem späteren Zeitpunkt nachuntersucht werden. Und früh erkannte, nichtträchtige Jungsauen können umgehend mit Regumate behandelt und mit der nächste Gruppe belegt werden. Wenn dazu jedes Mal der Scannerdienst kommen müsste, wäre das teuer und kaum machbar“, gibt Wolfgang Pfeiffer zu bedenken.


Vor dem Umstallen in den Abferkelstall werden die Sauen dann erneut mit dem HD-Reiniger gewaschen. Dabei wird mit viel Wasser und wenig Druck gearbeitet. „Von speziellen Sauenduschen halten wir nicht viel. Denn hier werden die Sauen häufig nur feucht, aber nicht wirklich sauber“, gibt Wolfgang Pfeiffer zu bedenken.


Richtig desinfizieren:

Zuvor wird jedoch das Abferkelabteil gründlich gereinigt und desinfiziert. Das passende Desinfektionsmittel wählen die beiden Betriebsleiter gemeinsam mit ihrem Tierarzt Dr. Andreas Palzer aus Scheidegg aus der DVG-Liste aus – je nachdem, welche Erreger gerade im Bestand Probleme bereiten.


Robert Lutz erklärt mir, worauf es beim Desinfizieren ankommt und wie man die richtige Aufwandmenge berechnet. Das ist gerade im Abferkelstall wichtig, weil die Stalleinrichtung große Flächen aufweist. Die zu desinfizierende Fläche beträgt hier etwa das 2,5-fache der Abteilgrundfläche.


In der LuP-Sauenzucht GmbH wird in allen Bereichen mit Desinfektionsschaum gearbeitet. Denn erstens haftet der Schaum länger auf den Flächen und kann so besser einwirken. Und zweitens sieht man auf einen Blick, ob auch tatsächlich alle Ecken erreicht wurden.


Die größte Übertragungsgefahr von Krankheitserregern besteht jedoch von Tier zu Tier. Deshalb widmet man diesem Aspekt in der LuP Sauenzucht GmbH besondere Aufmerksamkeit. Unmittelbar vor der Geburt werden die Sauen von Kopf bis Fuß mit einer Jodlösung eingeschäumt. So soll die Keim-übertragung (z.B. Streptokokken) von der Sau auf die Ferkel reduziert werden.


Wichtig ist den beiden Betriebsleitern auch das Thema Impfhygiene. Für die Eisenspritze und Ferkelimpfungen werden daher nur Einwegnadeln verwendet. Die Nadeln werden nach jedem Wurf gewechselt, gebrauchte Nadeln wandern sofort in den Restmüll.


Auch die verwendeten EcoMatic-Spritzen haben eine begrenzte Lebensdauer. Nach jedem Gebrauch werden sie ausgespült, in ein feuchtes Tuch gewickelt und in der Mikrowelle desinfiziert. Spätestens nach einer Bestandsbehandlung werden sie dann ersetzt. „Wir wollen nicht warten, bis die Dichtungen nicht mehr richtig schließen und die Schweine eventuell nicht die volle Impfdosis erhalten“, begründet Robert Lutz.


Doppelte Anzahl Futterschalen:

Konsequente Hygiene ist auch bei der Pflege der Anfütterungsschälchen für die Saugferkel angesagt. Sie werden täglich (!) eingesammelt und durch saubere Schälchen ersetzt, notfalls auch zweimal. Robert Lutz und Wolfgang Pfeiffer haben zu diesem Zweck extra die doppelte Anzahl Futterschalen angeschafft. Die eingesammelten Schalen werden in einem Waschbottich von Hand gespült, dann in eine 2%-ige Desinfektionslösung getaucht und zum Trocknen aufgestellt. Das dauert zwar rund eine halbe Stunde pro Tag, aber die Ferkel können immer von einem blitzblanken „Teller“ fressen.


Mein Fazit: Betriebshygiene setzt sich aus vielen kleinen Puzzle-Steinchen zusammen. Sie alle müssen konsequent umgesetzt und täglich gelebt werden, wenn man den Keimdruck reduzieren und den Antibiotikaverbrauch senken will. Danke an Robert Lutz und Wolfgang Pfeiffer für die vielen interessanten Anregungen!-lh-

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