Elf Tipps für ein erfolgreiches Kolostrum-Management vom niederländischen „Schweineflüsterer“ Dr. Kees Scheepens.
Passive Immunisierung:
Aufgrund der aktuellen Antibiotika-Diskussion gewinnen Mutterschutzimpfungen immer mehr an Bedeutung. Denn durch sie werden die Ferkel nach der Geburt, wenn das eigene Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist, passiv geschützt. Die durchgeführten Impfungen können jedoch nur dann optimal wirken, wenn alle Ferkel des Wurfes genug Biestmilch und mit dieser Milch genug Antikörper bzw. Immunzellen aufgenommen haben.
Rechtzeitig impfen!
Mutterschutz-Impfungen gegen E.coli und Clostridien sind inzwischen in vielen Betrieben Standard. Wichtig ist, rechtzeitig zu impfen, damit das Kolostrum genug Antikörper enthält. Jungsauen müssen zweimal geimpft werden, jeweils sieben und vier Wochen vor der Geburt. Bei Altsauen reicht später eine einmalige Booster-Impfung drei Wochen vor der Geburt. Die Sauen werden in die Nackenmuskulatur geimpft. Die richtige Stelle befindet sich eine Handbreite hinter dem Ohransatz und eine Handbreite unter Oberkante Nackenmuskel.
Kolostrumbildung anregen:
Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Kolostrumbildung durch eine rohfaserreiche Fütterung in der Hochträchtigkeit positiv beeinflussen lässt. Denn Rohfaser verkürzt die Geburtsdauer, vermindert Verstopfungen und regt die Wasseraufnahme an. Rohfaserreich gefütterte Sauen weisen höhere Prolaktinwerte im Blut auf. Zudem sollten die Sauen in der Hochträchtigkeit wenig Stress ausgesetzt sein: Keine kalte Zugluft und ausreichend Fluchtmöglichkeiten in der Gruppenhaltung.
Ruhe im Abferkelstall:
Stallen Sie die Sauen eine Woche vor dem erwarteten Abferkeltermin in den Abferkelstall um. So können sich die Tiere rechtzeitig an die neue Umgebung und das Tränke- sowie das Fütterungssystem gewöhnen. Sprechen und berühren Sie die Tiere regelmäßig, vermeiden Sie Aggressionen und unnötigen Lärm. Besondere Ruhe ist rund um die Geburt geboten. Unterlassen Sie unnötige Arbeiten und unnötiges Laufen durch den Abferkelstall. Weisen Sie auch Mitarbeiter darauf hin, sich möglichst leise zu verhalten, zum Beispiel durch ein entsprechendes Hinweisschild.
Sanfte Geburtshilfe:
Verzögern sich die Geburten, weil ein oder mehrere Ferkel den Geburtskanal blockieren, sollten Sie zunächst sanft den Bauch der Sau massieren. Dadurch lässt sich das Problem oft lösen. Ist dennoch Geburtshilfe nötig, sollten Sie unbedingt einen Geburtshilfe-Handschuh und Gleitgel verwenden. Zusätzlich können den Sauen 5ml Meloxicam verabreicht werden. Das Mittel gibt es auch zur oralen Anwendung (siehe Foto). Es wirkt entzündungshemmend, senkt Fieber und lindert den Schmerz. Das kommt der Kolostrumbildung zugute.
Stündliche Geburtskontrolle:
Durch regelmäßige Kontrollgänge während der Geburten lassen sich viele Ferkelverluste vermeiden. Nutzen Sie die Zeit, um frisch geborene Tiere mit Zellstoff oder Sägespänen trocken zu reiben, bei Bedarf Spreizer zu bandagieren und schwache Tiere ans Gesäuge zu setzen. Bei Mehrwochenrhythmen lassen sich auch nachts Kontrollgänge organisieren. Der Einsatz lohnt sich!
Biestmilch einträufeln:
Ferkeln, die zu schwach sind, um selbst Biestmilch aufzunehmen, träufelt man am besten 25 bis 40 ml Kolostrum direkt ins Maul. Auf diese Weise stellt man ihre immunologische Versorgung sicher. Wichtig ist, dass man die Tiere dabei so hält, dass der Nacken frei bleibt und die Ferkel schlucken können. Die schwachen Ferkel, die in vielen Fällen weniger als 1000g wiegen, kann man in der Regel an der vorgewölbten Stirn erkennen, dem für diese Tiere typischen „Delfinkopf“.
Split nursing:
Damit auch bei großen Würfen alle Ferkel in den Genuss von muttereigener Biestmilch kommen, werden die zuerst geborenen Ferkel, nachdem sie genug Kolostrum aufgenommen haben, für einige Zeit mit einem Treibebrett, einem Kunststoffring oder einem Korb im warmen Ferkelnest fixiert. Das Gesäuge ist dann frei für die danach geborenen Ferkel. Die zuerst geborenen Tiere erkennt man an der getrockneten Nabelschnur. Bei regelmäßiger Geburtskontrolle kann man sie zusätzlich mit einem Viehzeichenstift kennzeichnen.
Am ersten Tag schonen:
Am ersten Lebenstag stehen Biestmilchaufnahme und pures Überleben der Ferkel im Vordergrund. Alle übrigen Maßnahmen, die die Tiere stressen könnten, sollten Sie am ersten Tag unbedingt vermeiden! Einzige Ausnahme ist das Stutzen der Ferkel-Eckzähne bei besonders empfindlichen Sauen. Die Eisenspritze verabreichen Sie besser erst am dritten oder vierten Lebenstag. Denn vorher wirkt das Eisen eher als „Wachstumsförderer“ für bakterielle Infektionen wie Streptokokken, E.coli-Bakterien oder Clostridien.
Erst nach 12 Stunden versetzen!
Damit sich das Immunsystem optimal entwickeln kann, müssen die Ferkel über das Kolostrum Antikörper und Immunzellen von der eigenen Mutter aufgenommen haben. Denn nur Immunzellen aus dem Blut der eigenen Mutter können vom Ferkel übernommen werden. Bei großen Würfen sollten einzelne Ferkel daher frühestens zwölf Stunden nach der Geburt versetzt werden, also erst nachdem sie genügend Biestmilch aufgenommen haben.
Kolostrum einfrieren?
Für Notfälle wie z.B. MMA-Sauen kann man Reserve-Kolostrum einfrieren. Gut eignen sich Eiskugel-Gefrierbeutel, mit denen sich die Biestmilch passend portionieren lässt. Das Einfrieren und Auftauen ist jedoch zeitaufwendig. Kuh-Kolostrum eignet sich aufgrund des hohen Fettgehaltes allenfalls als Energiespender, nicht jedoch zur Immunisierung. Denn die Kuh-Antikörper können die Darmschranke der Ferkel nicht passieren.
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