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Camper für Schweine

Lesezeit: 8 Minuten

Hühnermobile sind nichts Ungewöhnliches mehr – mobile Schweineställe hingegen schon. Peer Sachteleben hat sie entwickelt. Ein hoher Arbeitskomfort war ihm besonders wichtig.


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Von Weitem sehen die mobilen Schweineställe auf Peer Sachtelebens Acker aus wie Hühnermobile. Doch der 25-jährige Landwirt aus Osnabrück hält darin nicht Hühner, sondern Schweine mobil im Freiland. Damit betritt er in Deutschland Neuland und gewann im April 2019 den mit 10000 € dotierten Innovationspreis der Initiative Tierwohl (ITW). Peer Sachteleben war schon immer ein Fan der Freilandhaltung. „Die Schweine können ihren Wühl- und Suhltrieb bei dieser Haltungsform einfach am besten ausleben“, betont der Landwirt.


Eine neue Idee musste her


Bereits während seiner landwirtschaftlichen Lehre stellte Peer Sachteleben jedoch immer wieder fest, dass die klassische Freilandhaltung in Wellblechhütten auf den Betrieben zu arbeitsintensiv ist und die Tiere zu lange auf einer Fläche stehen. Auch der Arbeitskomfort war ihm zu gering, denn man kann nicht aufrecht in den Outdoorhütten stehen. Der junge Landwirt überlegte daher genau, wie er sich die Arbeit im Freiland erleichtern kann.


Nach dem dualen Bachelorstudium in Ökologischer Landwirtschaft an der Uni Witzenhausen arbeitete er zunächst auf unterschiedlichen Betrieben in Neuseeland bzw. Kanada und brachte von dort viele neue Anregungen mit. Zurück in Deutschland tüftelte er dann zusammen mit Vater Konstantin Obolenski an seinem neuen Haltungskonzept.


Heute bewirtschaftet der Landwirt gemeinsam mit seiner Freundin Anna (26) einen Bioland-zertifizierten Betrieb mit 31 ha Ackerland. Bevor er aber richtig loslegen konnte, musste er zunächst einige Hürden aus dem Weg räumen. So gestaltete sich bereits die Genehmigung der Freilandschweinehaltung schwierig. Wegen der Gefahr, die von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) ausgeht, muss er Zusatzauflagen vom Veterinäramt erfüllen. „Das örtliche Veterinäramt verbietet die Freilandhaltung von Schweinen im Stadtgebiet Osnabrück“, erklärt Peer Sachteleben. Zu groß sei die Gefahr, dass sich die Tiere mit der ASP infizieren könnten.


Der 25-Jährige musste daher kreativ werden. „Ich habe vorgeschlagen, einen vollwertigen Stall mit Auslaufmöglichkeit zu bauen, den ich jederzeit umsetzen kann“, beschreibt Sachteleben. Mit seiner Idee, die Vorteile der Stall- und Freilandhaltung miteinander zu kombinieren, konnte er das Veterinäramt schließlich doch überzeugen. Die zweite Hürde, die er nehmen musste, war das Bauamt. Für seine mobilen Ställe benötigte der Landwirt eine Baugenehmigung und ein Immissionsschutz-Gutachten (BImSch-Gutachten). Für seine 31 ha wurden ihm schließlich 25 Mobilställe genehmigt.


Viel Tüftelei


Als der Weg schließlich frei war, legte Peer Sachteleben mit dem Bau der Mobilställe los. Beim Bau der Mobile mussten er und sein Vater erfinderisch werden, denn die Ansprüche waren hoch. Ihm war wichtig, dass die Ställe sowohl für Sauen als auch für Mastschweine genutzt werden können. Zudem sollten sie sich leicht von A nach B ziehen lassen und erlauben, dass man aufrecht in den Mobilen arbeiten kann. Jedes Mobil ist daher 180 cm hoch (siehe Übersicht auf Seite S8).


In mehreren Schritten entstand schließlich ein Stall aus Stahlblech-Isolierpaneelen und Edelstahlblechen, die auf einem Stahlchassis befestigt sind. Die planbefestigte Grundfläche in den Mobilen beträgt 15 m2 und ist in Fress-, Liege- und Aktivitätsbereiche unterteilt. Der Liegebereich ist mit Minimaleinstreu ausgestattet. Aufgrund der Größe kann Peer Sachteleben das komplette Mobil im Seuchenfall als vollwertigen Stall mit ausreichend Platz betreiben. Dazu muss er nur den Ausgang mit einem großen Brett verriegeln. Ein Fenster an der Längsseite und ein transparentes Dachfenster lassen trotzdem noch genügend Licht und Luft in den Stall. Unter dem Fenster ist zudem eine Klappe angebracht, die das Ausmisten auch von außen erleichtert.


Die Wasser- und Futterversorgung ist wettergeschützt im Mobil installiert. Das Futtersilo fasst 2 t und sitzt direkt über dem Futtertrog. Damit die Futterverluste im Stall gering bleiben, muss das Futter langsam aus dem Silo in den Trog rieseln. Hierzu hat Peer Sachteleben drei Schieber „schweinesicher“ unten am Futtersilo angebracht. Der Wassertank fasst 1250 l und ist im Mobil über dem Liegebereich der Schweine montiert. Die Abwärme der Tiere sorgt dafür, dass es im Winter keine Pro-bleme mit eingefrorenen Leitungen gibt. Eine Heizung braucht er nicht. „Die Mastschweine kommen mit einer Tankfüllung etwa 10 Tage aus, für eine Sau mit Wurf reicht der Tank für die gesamte Säugezeit“, erklärt Peer Sachteleben. Im Mobil wäre sogar Platz für bis zu 2000 l Wasser. Die von Peer Sachteleben optimierte Mobilstallhaltung hat ihren Preis. Allein die Materialkos-ten belaufen sich auf rund 16000 € pro Mobil. Seine selbst entwickelten Schweinemobile will er künftig auch zum Kauf für andere Landwirte anbieten: Kostenpunkt: 40000 €.


Den hohen Kosten stehen an anderer Stelle aber auch Einsparungen gegenüber. „Durch die mobile Haltung spare ich die Kosten für die Güllelager und die -ausbringung sowie die Kosten für die Heiz- und Fütterungstechnik“, argumentiert der Landwirt.


Ein Mobil für alle


Doch funktioniert seine Idee auch in der Praxis? Im Winter 2017 startete Peer Sachteleben den Test und stallte die ersten Ferkel ein. In elf Mobilställen hält er heute sechs Sauen, 32 Ferkel, 18 Läufer und 27 Mastschweine der Rasse Bunte Bentheimer. An den Tieren schätzt der Landwirt den ruhigen Charakter und die gute Mütterlichkeit der Sauen.


Ein Mobil dient immer als Sauenstall für die tragenden Tiere. Eine Woche vor dem Abferkeltermin stallt er die hochtragenden Sauen dann aus dem Sauenmobil jeweils in ein separates Mobil um. Im Liegebereich des Mobils ferkelt die Sau dann frei ab. Die durchschnittliche Wurfgröße liegt derzeit bei neun Ferkeln. An den Wänden im Liegebereich sind Abweisstangen angebracht, die die Ferkel vor dem Erdrücken durch die Sau schützen.


Das auch im Winter unbeheizte Ferkelnest befindet sich ebenfalls im Liegebereich und besteht aus Holzbrettern, die bei Bedarf abmontiert werden können. Unter den Abweisstangen gelangen die Tiere ins Ferkelnest. Nach dem Abferkeln setzt Peer Sachteleben eine 10 cm hohe Ferkelsperre vor die Tür nach draußen. „Wenn die Ferkel die Sperre überwinden können, sind sie reif für den Auslauf“, so Sachteleben. Pro Mobil steht den Schweinen jederzeit ein Auslauf von etwa 900 bis 1200 m2 zur Verfügung. Sau und Ferkel bleiben für acht Wochen zusammen im Schweinemobil. Nach dem Absetzen zieht die Sau zurück ins Sauenmobil für die tragenden Tiere. Im Abferkelmobil werden das Ferkelnest und die Abweisstangen mit ein paar Handgriffen abmontiert und aus dem Abferkelmobil wird ein Aufzucht- und Mastmobil. Der abgesetzte Wurf bleibt bis zur Schlachtung zusammen.


Flexibel Versetzen


Wichtig bei der Mobilhaltung ist, dass die Tiere die Fläche regelmäßig wechseln. Während die Schweine im Sommer etwa sechs Wochen auf einer Fläche bleiben können, werden die Mobilställe im Winter etwa alle drei Wochen mit dem Schlepper umgesetzt. Er benötigt rund 30 Minuten, um das Mobil mit dem Schlepper zu versetzen und den Elektrozaun ab- und aufzubauen. Beim Umsetzen der Mobilställe muss der Landwirt sehr flexibel sein. Je nach Wetterlage wühlen die Schweine den neuen Auslauf innerhalb von drei Tagen um. „Bei Dauerregen muss ich die Mobile deshalb auch schon mal nach einer Woche auf einen neuen Standort ziehen“, erklärt er. Für seine elf Mobile benötigt Sachteleben rund 1,5 ha Fläche pro Monat. Mit der Ausweitung auf 25 Mobile sind 3 ha pro Monat geplant. Durch den häufigen Flächenwechsel und regelmäßige Wurmkuren hält sich der Parasitendruck bei den Schweinen in Grenzen. „Wir fahren den Parasiten einfach davon“, erklärt Sachteleben.


Fleisch direkt vermarkten


Wichtig ist ihm auch die Vermarktung seiner Schweine. Nach etwa sieben bis acht Monaten werden seine Bunten Bentheimer von einem Metzger im Lohn geschlachtet, die weiblichen Tiere mit 120 bis 130 kg. Die Eber lässt Peer Sachteleben bereits mit etwa 80 kg schlachten, bevor sie Ebergeruch entwickeln können. Zusätzlich hält der Landwirt auch Börge. In Zukunft will Peer Sachteleben jedoch auf die Kastration verzichten und ausschließlich Eber mästen. „Für die mobile Freilandhaltung ist die Ebermast einfach die beste Wahl“, meint der Landwirt. Denn nach der Narkose sorgen die noch halb betäubten und qiekenden Ferkel für zu viel Unruhe und Stress bei der Sau und dem Wurf.


Das Fleisch der Mobilschweine vermarktet Peer Sachteleben über seinen Selbstbedienungsladen auf dem Hof. Dort bietet er Frischfleisch, Grillfleisch oder Wurstwaren an. Über einen Online-Shop verschickt er zudem Wurstwaren an weiter entfernte Kunden. Auch andere Bio-Hofläden in der Umgebung vermarkten seine Produkte bereits. Welchen Erlös Peer Sachteleben pro kg erzielt, darüber schweigt er.


In Zukunft will der Landwirt die Vermarktung und Schlachtung weiter ausbauen. Waren es 2018 gerade einmal 25 geschlachtete Schweine, so sollen es im kommenden Jahr gut 100 Tiere werden. Wenn möglich, will Peer Sachteleben die Tiere dann auf dem Hof schlachten lassen. Dafür will Peer Sachteleben einen eigenen Schlachtraum einrichten, um das gesamte Schwein, insbesondere die Schwarte und die Knochen, noch besser verwerten zu können.


caroline.juecker@topagrar.com

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