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„Das Futter muss die Schweine beschäftigen!“

Lesezeit: 9 Minuten

Landwirt Martin Stodal hält einen Teil seiner Schweine mit intaktem Ringelschwanz. Um Schwanzbeißen zu reduzieren, setzt er auf ein Beschäftigungsfutter.


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Wer unkupierte Schweine halten will, steht vor vielen Herausforderungen. „Schweine mit intaktem Ringelschwanz signalisieren viel schneller als kupierte Tiere, wenn es Probleme im Stall gibt“, weiß Martin Stodal aus Erfahrung. Der Ferkelerzeuger und Mäster aus Creglingen in Baden-Württemberg hält bereits seit 2010 einen Teil seiner Schweine mit intaktem Ringelschwanz. Gibt es z.B. Probleme mit Zugluft oder fällt eine Tränke oder die Fütterung aus, bemerkt Martin Stodal das bei unkupierten Schweinen innerhalb von kurzer Zeit.


Das etwas nicht stimmt, erkennt der Landwirt an den herunterhängenden, eingeklemmten oder nervös wedelnden Ringelschwänzen der Schweine. Von 2015 bis 2019 hat er an den Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz teilgenommen und war Teil des Netzwerks 3 und 4 „Aufzucht und Haltung unkupierter Schweine“. In dieser Zeit hat Martin Stodal viele Maßnahmen erprobt, um Schwanzbeißen im Bestand zu reduzieren. Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) geförderte Vorhaben hat zum Ziel, neue Erkenntnisse aus der Forschung mithilfe von Modellbetrieben zügig in die landwirtschaftliche Praxis zu bringen.


Duroc bringt Ruhe


Bereits bei den Jungsauen achtet Martin Stodal darauf, nur unkupierte Tiere einzustallen. Zudem ist dem Landwirt ein gesundes und glänzendes Haarkleid mit kräftigen Borsten wichtig. Die Wahl der Ebergenetik spielt aus Stodals Sicht eine entscheidende Rolle für den Ringelschwanz-Erfolg. Der Schweinehalter ist davon überzeugt, dass ein Piétrain-Eber mit sehr hohen Magerfleischanteilen auf der Vaterseite der Ferkel dafür sorgt, dass die Tiere unruhig sind und dazu neigen, die Buchtengenossen zu beknabbern.


Bei der Auswahl der Ebergenetik experimentiert der Schweinehalter mit Sperma vom spanischen Duroc. In jeder 36-er Sauengruppe belegt er je sechs Sauen mit Duroc-Sperma. Die Ringelschwänze der Nachkommen bleiben dann unkupiert und sollten rosafarben, gut durchblutet und ohne Nekrosen sein. „Bei den Duroc-Ferkeln herrscht Ruhe mit Schwanz- und Ohrverletzungen und die Tiere sind robuster“, berichtet Martin Stodal. Das Fleisch der eingekreuzten Duroc-Schweine vermarktet der Landwirt gesondert.


Weniger Weizen


In puncto Fütterung hat der Schweinehalter im Betrieb einiges auf den Kopf gestellt. „Das gesamte Futter muss den Schweinen Beschäftigung bieten und für Ruhe im Darm sorgen“, lautet Martin Stodals Motto. Wenn der Darm stabil und beschäftigt ist, bleibt auch der Schwanz der Schweine intakt, ist der Landwirt überzeugt. „Weisen die Schweine bis zu einem Gewicht von 50 kg keine Verletzungen an Schwanz oder Ohren auf, laufen sie auch pro-blemlos bis zur Schlachtreife durch“, so der Landwirt. Die alten Breiautomaten im Flatdeck hat er durch eine Trockenfütterung ausgetauscht. „Bei der Trockenfütterung sind die Ferkel viel länger mit der Futteraufnahme beschäftigt und produzieren mehr Speichel. Das kommt ihnen dann bei der Verdauung zugute“, so der Landwirt. Im Maststall sind Breifutterautomaten eingebaut.


Der wichtigste Punkt in der Fütterung ist für Martin Stodal, dass das Getreide möglichst mykotoxinfrei ist. Toxinbinder lassen sich zwar einfach und effektiv ins Futter mischen. Sie sind aber auch sehr teuer. Als Alternative setzt der Landwirt einen Getreidereiniger ein, der den Toxingehalt im Getreide auf mechanische Weise reduzieren soll. Das Gerät wird vor dem Mahlvorgang auf die Getreidemühle gesetzt.


Als weitere Vorbeugemaßnahme gegen Schwanzbeißen hat sich für Martin Stodal zudem erwiesen, den Weizenanteil in der Ration abzusenken. Im Ferkelfutter setzt er nur noch maximal 5% Weizen ein, in der Mast liegt der Anteil bei höchstens 10%. Stattdessen hat er den Rohfaseranteil erhöht. Im Ferkelfutter setzt er bis zu 60% Gerste ein, in der Mast bis zu 40%. Die Futteraufnahme und die Tageszunahmen sind dadurch nicht gesunken. „Sobald ich den Weizenanteil wieder erhöhe, steigen die Schwanzläsionen wieder an“, hat der Landwirt beobachtet. Auf CCM oder Maissilage in der Ration verzichtet er wegen des Toxingehaltes komplett.


Futter auf feste Fläche geben


Bei den Saugferkeln sorgt Martin Stodal bereits ab dem dritten bis fünften Lebenstag für Beschäftigung, indem er das Absetzfutter direkt auf eine feste Fläche im Vorderbereich der Sau streut. Die Ferkel sollen das Futter gemeinsam mit der Sau aufnehmen können. Damit keine Langeweile aufkommt, achtet Martin Stodal darauf, dass die Tiere die Rüsselscheibe über den Boden schieben. Indem er das Futter auf dem Boden verteilt, regt er die Ferkel von Anfang an zum Wühlen an. Das beruhigt die Tiere.


Ab dem 14. Tag erhalten die Ferkel dann zusätzlich in einer Schale Ferkelmüsli. Die Fertigmischung besteht mitunter aus Luzernepellets, Getreide-, Obst-, und Gemüseflocken. Zusätzlich mischt der Landwirt noch Urgesteinsmehl und Pflanzenkohle bei. Das bindet Toxine und stärkt den Darm. Damit das Beschäftigungsfutter attraktiv und frisch bleibt, wird es mehrmals täglich in kleinen Mengen vorgelegt.


Erste Probleme mit Schwanzbeißen treten meist zwei Wochen nach dem Absetzen und zum Ende der Aufzucht auf. Um diesen kritischen Zeitpunkt ist Martin Stodal besonders wachsam und bietet den Ferkeln mehrmals täglich einen Mix aus Ferkelmüsli, Kurzstroh und Urgesteinsmehl in Ferkelschalen an. Der Vorteil: Bei den Rundschalen hat er alle Ringelschwänze rund um die Futterschale im Überblick für die Tierkontrolle. „Auch Luzernemehl bzw. -pellets funktionieren gut als Beschäftigungsfutter und sind auch bei herkömmlichen Gülleabflüssen kein Pro-blem“, weiß Stodal. Ein Mix aus langem Luzerne- und Gerstenstroh sorgte hingegen für verstopfte KG-Rohre.


Um die Bucht zu strukturieren, hat er einen verdunkelten Mikroklimabereich gebaut. „Ähnlich wie bei den Wildschweinen in der Natur dient Dunkelheit als Rückzugsbereich“, erklärt Stodal. Pro Bucht deckt eine Siebdruckplatte mit Vorhängen etwa ein Viertel der Buchtenfläche ab. Mit Temperaturen bis zu 30 °C dient dieser Bereich als Ruhe- und Rückzugsort, vor allem für kleinere Ferkel.


Tierbeobachtung lernen


Die Umstallung in die Mast ist für Martin Stodal eine Herausforderung. Denn der Abferkel- und Aufzuchtbereich sind Warmställe. Die Mast findet hingegen in Außenklimaställen statt. Zu Mastbeginn erhöht der Landwirt deshalb die Energiedichte in der Futterration, um Stress vorzubeugen. So können sich die Schweine leichter thermoregulatorisch an den Außenklimareiz gewöhnen.


In der Mast schwört der Praktiker auf aufgesplissenes Häckselstroh. Zusätzlich mischt er Urgesteinsmehl und Pflanzenkohle bei. Durch den Einsatz kommt es nicht nur zu weniger Problemen mit Verstopfungen im Güllesystem. „Das Urgesteinsmehl und die Pflanzenkohle binden auch Toxine und tragen so zu einer verbesserten Darmgesundheit bei“, lautet seine Erfahrung.


Unerlässlich bei der Haltung von Schweinen mit intaktem Ringelschwanz ist eine intensive Tierkontrolle. Martin Stodal ist überzeugt, dass Tierbeobachtung nicht nur die Aufgabe des Betriebsleiters ist. Auch die Mitarbeiter, Azubis und Praktikanten müssen auf dem Betrieb lernen, die Schweine zu beobachten und Tiersignale zu deuten. Bereits den Arbeitsschritt der Strohgabe nutzt der Landwirt für die Tier-kontrolle. „Wenn ich neues Stroh in der Raufe vorlege, stehen die Schweine auf und ich habe jedes Tier im Blick“, berichtet er. Für die Tierbeobachtung der Schweine mit intaktem Ringelschwanz plant er pro 70 Tiere rund fünf Minuten mehr Zeit ein.


Eine weitere Drehschraube ist das Tränkewasser. „Das Wasser muss leicht verfügbar sein“, weiß der 36-Jährige. Alte Tränkenippel hat er vom Abferkelstall bis in die Mast inzwischen durch offene Tränken ausgetauscht. Um Schwanzbeißen vorzubeugen, ist es wichtig, dass die Tiere beim Umstallen keine großen Brüche in dem erfahren, was sie kennen“, weiß er. Zusätzlich hygienisiert Martin Stodal das Wasser.


Baumwollseile besser als Sisal


Neben einem Futter, das die Schweine beschäftigt, setzt der Landwirt auch auf Beschäftigungsmaterialien. Um für Abwechslung zu sorgen, baut der Schweinehalter Wippen aus Ketten und Hölzern und hängt sie zwischen zwei Buchten. „So bleibt das Spielzeug interessant, weil es sich nicht nur hoch und runter bewegt, sondern auch noch einen akustischen Reiz bietet“, erklärt er. Wichtig ist jedoch, dass die Wippen zur Buchtenstruktur passen.


Auf keinen Fall sollte das Spielzeug wahllos in den Ruhe-, Fress- oder Tränkebereich gehängt werden! Beim Anbringen des Spielzeugs achtet der Schweinehalter auf das tägliche Handling. „Ideal ist es, wenn das Beschäftigungsmaterial vom Gang aus erreichbar ist und man nicht für jeden Seilwechsel in die Bucht steigen muss“, weiß Stodal. Organische Seile sind als Beschäftigungsmaterial sehr beliebt. Aus Erfahrung rät der Landwirt eher zu Baumwoll- statt zu Sisalseilen oder Jute. „Die Haltbarkeit bei Baumwollseilen ist einfach höher“, erklärt er. Die Spielseile knotet der Landwirt an Karabinerhaken und hängt sie in eine Kette ein. Dadurch kann er die Höhe der Seile täglich neu variieren.


Martin Stodal schätzt, dass etwa 3 bis 5% der Schweine im Betrieb aktive Beißer sind. Kommt es trotz allen Anstrengungen doch zum Schwanzbeiß-Ausbruch, macht der Landwirt im Notfall die Buchtentür auf und lässt die Schweine auf dem Treibgang rennen. Wichtig sei es, schnell Ablenkung zu schaffen und den Schweinen etwas zum Wühlen zu geben. Die Beißer separiert er sofort aus der Bucht. Auf dem Betrieb hat es sich bewährt, die Täter in eine Gruppe mit älteren Schweinen umzustallen. Im Notfall streut Martin Stodal zusätzlich tierisches Eiweiß wie z.B. Fischmehl auf die Festfläche.


Einen Königsweg gibt es jedoch nicht. Was in einem Betrieb gut funktioniert, lässt sich nicht ohne Weiteres in einen anderen Betrieb übertragen. „Man muss einfach ausprobieren, was am besten passt“, so der Schweinehalter. Und: Der Mehraufwand muss bezahlt werden. „Der Langschwanz ist möglich, er muss aber auch vom Markt honoriert werden“, fordert Martin Stodal. Mit Blick in die Zukunft wünscht sich der Landwirt, alle Schweine mit intaktem Ringelschwanz zu halten und die Tiere entsprechend vermarkten zu können. Den eingeschlagenen Weg wird der Schweinehalter weitergehen.


caroline.juecker@topagrar.com

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