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Den Biofilm aus der Leitung pusten

Lesezeit: 6 Minuten

Wer die Keimbelastung im Tränkewasser nachhaltig senken will, muss dem Biofilm im Leitungssystem zu Leibe rücken. Dazu gibt es jetzt ein Verfahren, dass nur mit Druckluft und Wasser arbeitet.


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Wasser ist das wichtigste Nahrungsmittel und der preiswerteste Leistungsförderer für Schweine – vorausgesetzt, die Qualität stimmt. Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Tränkewasser in vielen Betrieben hochgradig mit Keimen belastet ist. Hart-näckige Durchfälle, die trotz Behandlung immer wieder aufflackern, können ein erstes Warnsignal sein. Oftmals bleiben die Hygienemängel aber auch lange Zeit unentdeckt. Durch Minderzunahmen und erhöhte Tierarztkosten verursachen sie jedoch erhebliche Schäden.


Entkeimen allein reicht nicht


Viele Schweinehalter sind deshalb inzwischen dazu übergegangen, das Tränkewasser zu entkeimen oder Säuren zuzusetzen, die das Keimwachstum hemmen sollen. Der eigentlichen Ursache, Biofilm-Ablagerungen in den Leitungen, rückt man damit allerdings nicht zu Leibe. Denn aus dem Biofilm können laufend Keime ins Wasser übergehen.


Als Biofilm bezeichnet man den schmierigen, grün-braunen Belag, der sich im Laufe der Zeit in Tränkeleitungen und Vorratsbehältern absetzt. Er besteht aus Mikroorganismen, ihren Stoffwechselprodukten und Bestandteilen des Wassers wie Kalk und Eisen- bzw. Manganverbindungen. Die Mikroorganismen ernähren sich aber auch von Wasserzusätzen wie Vitaminen, Zuckern und Medikamenten.


Der Biofilm ist ein idealer Nährboden für Schadkeime – vor allem, wenn Teile absterben oder durch Biozide geschädigt sind. Hier können sich die Keime gut vermehren. Der Belag schützt sie zudem vor Hygienemitteln, die dem Tränkewasser vorsorglich zugesetzt werden.


Ausgangsbasis für den Keimbewuchs können auch die Wasserrohre selbst sein. Weichmacher und Antioxidantien, die dem Kunststoff bei der Herstellung zugesetzt werden, dienen den Bakterien als Nahrungsgrundlage. Je wärmer das Wasser ist und je geringer die Durchflussrate, desto größer ist die Gefahr der Biofilmbildung. Flatdeckställe sind besonders gefährdet.


Ziel muss es daher sein, den Biofilm möglichst vollständig aus den Leitungen zu entfernen. Nur so gelingt es, den Bakterien den Nährboden zu entziehen. Einige Schweinehalter reinigen die Leitungen daher nach jedem Durchgang beziehungsweise mindestens einmal jährlich chemisch. Dafür verwenden sie unter anderem Melkmaschinenreiniger. In den meisten Fällen keimt der Biofilm trotz chemischer Behandlung früher oder später jedoch wieder auf.


Mit „Luftmolchen“ die Leitung schrubben


Als Alternative wird seit einiger Zeit ein so genanntes „Impuls-Spülverfahren“ angeboten, bei dem die Leitung nur mit Hilfe von Luft und Wasser gesäubert wird – völlig ohne Chemie und Rückstände.


Das Verfahren funktioniert ganz einfach. Mit Hilfe eines Computers werden impulsartig Druckluftblasen in die Leitung „geschossen“. So genannte „Luftmolche“, die den gesamten Querschnitt der Leitung ausfüllen, wandern dabei im Wechsel mit Wasser durch die Leitung. Durch die impulsweise Luftfreigabe wird der Wasserblock beschleunigt. Dadurch entstehen an den Rohrwänden Verwirbelungen, die die Rohrwände von allen lösbaren Ablagerungen befreien.


Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber anderen Molchsystemen: Der Luftmolch passt sich jedem Rohrdurchmesser an, benötigt keine Molch-Schleuse und kann nicht in der Leitung stecken bleiben. Zudem sollen Beschädigungen des Rohrsystems weitgehend ausgeschlossen sein. Denn das Verfahren arbeitet mit abgesenktem Druck, der unterhalb des Netzdrucks bleibt, der normalerweile in der Leitung herrscht. Das Verfahren eignet sich laut Hersteller für alle Rohrdurchmesser ab ¼ Zoll.


Grundreinigung oder laufende Pflegereinigung


Grundsätzlich lassen sich zwei Stufen der Reinigung unterscheiden:


Eine Grundreinigung wird bei starken Ablagerungen im Leitungssystem empfohlen. Sie erfolgt einmalig bzw. in großen Zeitabständen durch eine Spezialfirma. Die Firma reist zu diesem Zweck mit Spezialfahrzeugen an, in denen sich die Computer- und die Kompressortechnik befinden. Von hier wird die Druckluft computergesteuert in die Tränkeleitung eingespeist.


Bei Eigenwasserversorgung erfolgt der Zugang direkt hinter der Pumpe, wobei hier unbedingt ein Rückschlagventil vorhanden sein muss. Bei der Versorgung mit Stadtwasser wird die Luft direkt hinter der Wasseruhr eingespeist. Auch hier ist ein Rückschlagventil erforderlich.


Der Zeitaufwand hängt von der Intensität der Ablagerungen, vom Leitungsmaterial und vom Aufbau des Leitungssystems ab. Kunststoffleitungen lassen sich relativ flott reinigen. Bei Metall dauert es aufgrund möglicher Korrosion erfahrungsgemäß länger. Und wenn das Leitungsnetz sehr verzweigt ist, nimmt das Reinigen ebenfalls mehr Zeit in Anspruch. In der Regel dauert es einen halben bzw. einen ganzen Arbeitstag. Wobei ein Reinigungstag rund 1 200 € plus Anfahrt kostet.


Die Tränkeleitung wird immer strangweise gespült, jeweils nur fünf bis sechs Tränken. Damit Druck und Spülwasser entweichen können, werden zuvor die Siebe aus den Tränken ausgebaut und die Nippel mit einer Wäscheklammer oder einem Holzkeil geöffnet.


Die regelmäßige Pflegereinigung hingegen erfolgt durch eine fest installierte Reinigungsanlage. Das Funktionsprinzip ist ähnlich wie bei der mobilen Großanlage. Wie häufig die Reinigung erfolgen sollte, hängt unter anderem davon ab, ob die Tränkeleitung in kühler oder warmer Umgebung verlegt wurde und ob Medikamente über die Leitung verabreicht werden.


Herzstück der Anlage ist ein Schaltkasten, der die Luftimpulse taktet. Darüber hinaus werden ein Kompressor und ein Druckkessel benötigt. Wichtig ist, dass die Luft, die der Kompressor erzeugt, ölfrei ist. Denn Öl ist ein idealer Nährboden für Mikroorganismen. Geeignet sind handelsübliche, ölfreie Kleinkompressoren. Soll ein vorhandener Kompressor verwendet werden, muss auf jeden Fall ein Vierfachfilter nachgeschaltet werden. Der Investitionsbedarf für eine derartige Anlage liegt je nach Betriebsgröße zwischen 1 500 und 3 000 €/Betrieb, zuzüglich Montage und Inbetriebnahme.


Wenn die Reinigung regelmäßig erfolgt, reicht häufig die mechanische Reinigung per Druckluft. Bei Bedarf lässt sich das Verfahren aber auch mit einer Desinfektion mit Chlordioxid oder Wasserstoffperoxid kombinieren.


Vorteil der Kombination: Die mechanische Reinigung entfernt den Großteil des Biofilms und macht die verbleibenden Keime angreifbarer für die chemischen Tränkewasser-Desinfektionsmittel.


Wir fassen zusammen


Das Tränkewasser ist in vielen Betrieben keimbelastet. Ursache sind Biofilm-Ablagerungen in den Leitungen, die den Bakterien ideale Vermehrungsbedingungen bieten. Durch Wasserdesinfektion und Säurezusatz allein bekommt man das Problem nicht in den Griff. Um den Biofilm zu entfernen, bieten einige Firmen ein Verfahren an, bei dem der Belag durch impulsartige Luftzugabe aus der Leitung geputzt wird.


Bei sehr hartnäckigen Biofilm-Ablagerungen ist zunächst eine Grundreinigung durch ein Fachunternehmen erforderlich. Im Anschluss daran empfiehlt sich eine regelmäßige Pflegereinigung mit einem fest installierten Kleingerät.


Henning Lehnert


Dr. Theodor Schulze-Horsel

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