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„Die Arbeitsabläufe müssen optimal organisiert sein“

Lesezeit: 6 Minuten

Wilhelm und Sebastian Schulte-Remmert haben bereits 9000 Ferkel zum Kastrieren vom Tierarzt per Injektionsnarkose betäuben lassen. Das Verfahren ist einfach und verlangt keine Investitionen.


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Auf dem „Biohof LebensWert“, den Wilhelm und Sebastian Schulte-Remmert im westfälischen Lippstadt-Dedinghausen gemeinsam als GbR bewirtschaften, werden die männlichen Ferkel bereits seit sechs Jahren vor dem Kastrieren per Injektionsnarkose in den Tiefschlaf versetzt.


„Wir haben unseren bis dahin konventionell bewirtschafteten Betrieb mit 450 Sauen im Jahr 2014 auf Bioproduktion umgestellt. Als mein Sohn nach der Ausbildung in den Betrieb einstieg, war zunächst geplant, die Sauenherde von 450 auf 800 Sauen aufzustocken und Babyferkel zu produzieren. Dazu hätten wir jedoch noch 65 ha Ackerflächen zupachten müssen, die hier in der Gegend aber kaum zu bezahlen sind“, erinnert sich der Seniorchef.


Von seinem Sohn Sebastian kam dann die Initiative, auf Bioschweinehaltung umzustellen. Die 40 ha landwirtschaftliche Nutzfläche reichten für 180 Sauen und Bioferkel waren damals wie heute gesucht. Mit dem Bioland-Verband, der sich auch um die nötigen Kontakte zu Biomästern und Metzgereien kümmerte, fanden die beiden schließlich den passenden Partner.


Da Bioland verlangte, dass die männlichen Ferkel nur betäubt und schmerzbehandelt kastriert werden dürfen, beschäftigten sich die beiden Unternehmer intensiv mit verschiedenen Verfahren der Ferkelbetäubung. „Nach Gesprächen mit dem Bioland-Verband und unserem Tierarzt Dr. Christoph Sudendey von der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Büren entschieden wir uns schließlich für die Injektionsnarkose“, berichtet Juniorchef Sebastian Schulte-Remmert.


Über 9000 Ferkel narkotisiert


Inzwischen haben Vater und Sohn jede Menge Erfahrung mit dem Narkoseverfahren gesammelt. Knapp 9000 Ferkel wurden mit der Kombination aus Ketamin und Azaperon, die per Nadel in den Nackenmuskel verabreicht wird, schon betäubt. Anfängliche Bedenken, dass die Ferkel zu lange nachschlafen, auskühlen und von der Sau erdrückt werden könnten oder das Narkoseverfahren durch die Anwesenheitspflicht des Tierarztes zu teuer sein würde, haben sich schnell zertreut.


„Entscheidend ist, dass die Arbeitsabläufe gut organisiert sind und sich alle Beteiligen an die Terminabsprachen halten, damit die gesamten Arbeitsabläufe für die Ferkel stressfrei durchgeführt werden können. Dadurch haben wir ein minimales Narkoserisiko“, betont Dr. Susanne Kleine von der Bürener Gemeinschaftspraxis.


Schulte-Remmerts praktizieren den 3-Wochen-Rhythmus. Die Sauenherde ist in acht Gruppen unterteilt. Alle drei Wochen werden rund 70 bis 80 männliche Ferkel kastriert. Die Tiere sind dann fünf bis sechs Tage alt. „Wenn die Ferkel etwas älter sind, sind sie robuster und vertragen dadurch die Narkose besser“, begründet Tierärztin Dr. Kleine den späteren Kastrationstermin. Das Kastrieren erfolgt in der Regel dienstags. Diesen Termin hat sich die Tierärztin fest im Terminkalender notiert. Um Unruhe im Stall zu vermeiden, die sich ungünstig auf die Narkose auswirken könnte, werden alle zusätzlichen Arbeiten wie das Einziehen der Ohrmarken, die Eisenspritze und die Mykoplasmenimpfung bereits einen Tag zuvor erledigt. Am Vortag kündigt die Tierärztin dann auch telefonisch an, wann sie am Kastrationstag im Betrieb eintreffen wird.


Jedes Ferkel wird gewogen


Eine halbe Stunde vor ihrer Ankunft werden die Ferkel von Schulte-Remmerts nach Geschlecht sortiert. Die männlichen Tiere werden farblich markiert und im Ferkelnest fixiert, die weiblichen Ferkel kommen zurück zur Sau. Nachdem die Tierärztin eingetroffen ist und die Injektionslösungen vorbereitet hat, werden die Ferkel mit Meloxicam behandelt, um den Schmerz nach der Kastration zu mildern. Anschließend werden sie wurfweise in Maurerkübel gesetzt, die vor jeder Abferkelbucht bereitstehen.


Alle folgenden Arbeiten werden im Dreierteam erledigt, um die Arbeitszeit der Tierärztin effektiv zu nutzen. Sebastian Schulte-Remmert holt die Maurerkübel mit den Ferkeln auf einem Rollwagen in den Zwischengang zwischen zwei Abferkelabteilen. Dort wiegt Dr. Kleine jedes Ferkel einzeln, um anhand einer selbst gefertigten Tabelle die genaue Narkosedosis zu verabreichen und setzt die behandelten Tiere in einen zweiten Kübel, der vom Juniorchef in den Stall zurückgefahren wird.


Nach cirka fünf Minuten kontrolliert die Tierärztin die Tiefe der Narkose durch den Lid- oder Zwischenklauenreflex. Anschließend beginnt der langjährige Angestellte des Betriebes, Nikolaus Doktor, mit dem Kastrieren. Die kastrierten Tiere setzt er, nachdem er die Wunde desinfiziert hat, zurück auf die 30 bis 34°C warme Bodenplatte des Ferkelnestes. Das Ganze läuft ab wie ein gut geöltes Uhrwerk.


„Das Wiegen jedes einzelnen Ferkels ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben. Bei den teilweise sehr kleinen Ferkeln ist eine genaue Dosierung aber unerlässlich“, betont Dr. Kleine. Ist sie zu gering, sind die Tiere nicht ausreichend betäubt. Und bei einer Überdosierung verlängert sich die Nachschlafphase unnötig lange.


„Die Narkosedosis schwankt von Betreib zu Betrieb und ist sogar von der Witterung abhängig“, hat Dr. Kleine beobachtet. Deshalb geht die Tierärztin, sobald sie vier bis fünf Würfe betäubt hat, kurz durch den Stall und überprüft die Narkosetiefe der Ferkel. Bei Bedarf wird die Dosis korrigiert.


Auch die Nachschlafphase wird von der Tierärztin kontrolliert. Diese Tätigkeit führt sie parallel zu den sonstigen Arbeiten im Rahmen der tierärztlichen Bestandsbetreuung durch. Dazu gehören z.B. Trächtigkeitsuntersuchungen, und das Impfen der Sauen.


70 Ferkel pro Stunde


„Die ersten Ferkel wachen bereits nach 40 Minuten wieder auf, bei den meisten dauert es jedoch 1,5 bis 2 Stunden“, berichtet Nikolaus Doktor. Nach 2,5 bis 3 Stunden sind alle Ferkel wieder so fit, dass er die Abtrennung des Ferkelnestes entfernen kann.


Das reine Betäuben und Kastrieren der 70 bis 80 Ferkel dauert kaum länger als eine Stunde. Hinzu kommen jedoch noch die Vorarbeiten fürs Sortieren und die Tierkontrolle in der Aufwachphase.


Das Problem: Nach den geltenden rechtlichen Vorgaben muss die Tierärztin auch die Nachschlafphase überwachen. Nur weil sie dies im Betrieb Schulte-Remmert mit anderen Arbeiten im Rahmen der Bestandsbetreuung kombinieren kann, bleiben die Kosten in einem vertretbaren Rahmen.


Von den knapp 9000 Ferkeln, sie seit der Betriebsumstellung mit Ketamin und Azaperon betäubt wurden, haben nur fünf die Narkose nicht überlebt. „Das waren jedoch extrem kleine und schwache Ferkel. Inzwischen haben wir dazugelernt. Die ganz kleinen Tiere stellen wir deshalb zurück und kastrieren sie erst beim nächsten Abferkeldurchgang“, berichtet Dr. Kleine.


Solange seine Tierarztpraxis die Injektionsnarkose anbietet, will der 27-Jährige deshalb diesem Narkoseverfahren treu bleiben. „Es erfordert keine großen Investitionen und funktioniert zuverlässig. Außerdem muss ich nicht zittern, dass die Technik ausfallen könnte und zeitnah kein Ersatz-Narkosegerät zur Hand ist“, lobt Sebastian Schulte-Remmert die Vorteile des Verfahrens. „Entscheidend ist nur, dass die Arbeitsabläufe gut organisiert sind und sich beide Seiten an die Terminabsprachen halten!“ ▶

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