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Die ASP befeuert die Schweinepreise

Lesezeit: 8 Minuten

Die Afrikanische Schweinepest in Asien heizt weltweit die Schweinepreise an. Doch was droht, wenn die Seuche auch uns erreicht? top agrar sprach mit dem Marktexperten Dr. Albert Hortmann-Scholten.


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Entwickelt sich die Afrikanische Schweinepest zu einer globalen Bedrohung für die Schweinehaltung?


Hortmann-Scholten: Eindeutig ja. Ausmaß und Entwicklungsgeschwindigkeit, mit der sich die Virusinfektion in den Wild- und Hausschweinebeständen ausbreitet, sind beängstigend. In vielen Regionen Osteuropas kommt das ASP-Virus inzwischen endemisch vor, dasheißt, es ist hier dauerhaft anzutreffen. Dazu gehört unter anderem auch Polen. Da es in absehbarer Zeit keinen Impfstoff gegen die ASP geben wird, werden wir möglicherweise jahrzehntelang mit dieser Seuchenbedrohung leben müssen.


In China hat sich das Virus rasend schnell verbreitet. Wie wirkt sich das auf die Schweineproduktion im Reich der Mitte aus?


Hortmann-Scholten: Offiziell haben die chinesischen Behörden nur etwa 170 ASP-Ausbrüche bestätigt. Insider gehen aber von weitaus mehr Fällen aus. Inzwischen wurde der Erreger in allen für die Schweineproduktion maßgeblichen Provinzen sowohl bei Haus- als auch bei Wildschweinen nachgewiesen. Durch den hohen Anteil unprofessioneller Hinterhofhaltungen, in denen das Verfüttern von Lebensmittelabfällen gang und gäbe ist, verbreitet sich der Erreger rasend schnell.


Da inzwischen wahrscheinlich auch große Teile der im Auftrag der Regierung eingefrorenen Schweinefleischreserven mit ASP-Viren infiziert sind, ordnen die Behörden die rigorose Vernichtung von Fleischbeständen an. Damit ist vorgezeichnet, dass Schweinefleisch in China in wenigen Monaten zu einem äußerst knappen Gut wird.


Hinzu kommt, dass sich die Sauenbestände durch umfangreiche Keulungsmaßnahmen inzwischen um mindestens 20% verringert haben. Vor einiger Zeit hat die niederländische Rabo-Bank Prognosen veröffentlicht, wonach in China in diesem Jahr mit einem Produktionsrückgang von 25 bis 35% bzw. umgerechnet 150 bis 200 Mio. Schlachtschweinen zu rechnen ist. Mittlerweile schätzen Insider den möglichen Produktionsrückgang sogar noch wesentlich größer ein.


Wie sich das auf den chinesischen Schweinefleischmarkt auswirkt, lässt sich derzeit kaum absehen. Fest steht, dass Chinas Schweinefleischeinfuhren bereits im Mai ein neues Rekordniveau erreicht haben. Es wurden etwa 45% mehr Schweinefleisch und genießbare Nebenprodukte eingeführt als im Mai des vergangenen Jahres.


Entscheidend wird sein, wie schnell China seine ursprünglichen Produktionskapazitäten wieder aufbauen kann. Möglicherweise hat das Land momentan gar nicht die finanziellen Mittel, um das zu tun. Ich persönlich rechne mit einem Zeitraum von mindestens sieben bis acht Jahren, bis die Produktionsmengen des Jahres 2017 wieder erreicht werden.


Welchen Einfluss hat das auf die internationalen Schweinepreise?


Hortmann-Scholten: China produzierte bislang mindestens die Hälfte aller weltweit gehaltenen Schweine. Sollte es in diesem Jahr in der Volksrepublik zu einem Produktionsrückgang von 40% kommen, fehlen global ein Fünftel des bisher produzierten Schweinefleisches. Das führt zu massiven Preissteigerungen.


Viele Verbraucher werden deshalb auf alternative Proteinquellen umsteigen. Bereits jetzt ist auch bei Geflügel- und Rindfleisch ein Preisanstieg zu erkennen. Und indirekt werden auch der Milch- sowie der Eiermarkt beeinflusst.


Aktuell bekommen die chinesischen Schweinefleischerzeuger etwa 2,75 €/kg Lebendgewicht (LG). Im 1. Halbjahr 2020 könnte der Engpass beim Schweinefleisch noch einmal deutlich zunehmen. Die japanische Nomura-Bank hat deshalb für den Winter 2020 eine Preisprognose von 4,35 €/kg LG herausgegeben.


Wenn Deutschland weiterhin ASP-frei bleibt, könnte die dann am Weltmarkt entstehende Sogwirkung den Schweinepreis in ungeahnte Höhen klettern lassen. Gut möglich, dass bei uns in Kürze die 2 €-Grenze „geknackt“ wird.


An der Preishausse können die deutschen Schweinehalter jedoch nur so lange teilhaben, wie Deutschland selbst ASP-frei bleibt.


Hortmann-Scholten: Das ist richtig. Spanien, Dänemark, die Niederlande und Deutschland sind in besonderer Weise von Drittlandsexporten abhängig. Bei einem tendenziell sinkenden Eigenverbrauch erwarten wir für Deutschland in diesem Jahr einen Schweinefleisch-Selbstversorgungsgrad von 120 bis 122%. Da die Schlachtunternehmen große Teile des Schlachtkörpers nur noch im Drittlandexport verwerten können, bleibt der asiatische Markt extrem wichtig.


Unternehmen, die die begehrte Lizenz zur Vermarktung von Schweinepfoten haben, erzielen z.B. einen zusätzlichen Exporterlös von 4 €/Tier. Leider dürfen das zurzeit nur drei Schlachtunternehmen in Deutschland. Ziel muss es sein, dass noch mehr Schlachtbetriebe Exportlizenzen für China bekommen. Spanische und französische Unternehmen sind hier wesentlich erfolgreicher, nicht zuletzt dank intensiver politischer Unterstützung.


Wie stark könnte der Schweinepreis bei einem ASP-Ausbruch in Deutschland einbrechen?


Hortmann-Scholten: Das Ausmaß des Preisverfalls bei einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest bei Haus- oder Wildschweinen in Deutschland lässt sich schwer vorhersagen. Erfahrungen aus Belgien zeigen jedoch, dass der Preis für Schlachtschweine nach dem ASP-Ausbruch im September 2018 um 0,35 €/kg Schlachtgewicht (SG) gesunken ist. Und für ein 20 kg-Ferkel erhielten die Sauenhalter gerade mal noch 8 €/Tier, während hiesige Ferkelerzeuger zur gleichen Zeit 35 € je Ferkel erzielten


Inzwischen hat sich zwar die Marktsituation komplett gedreht, sodass aus heutiger Sicht nicht mehr ganz so gravierende Preisänderungen zu erwarten sind. Auf ganz erhebliche Marktturbulenzen müssen wir uns aber dennoch einstellen.


Bei einem ASP-Ausbruch bei Wildschweinen gibt es für die Vermarktung von Hausschweinen aus gefährdeten Gebieten seit letztem Jahr einige Erleichterungen. Welche sind das?


Hortmann-Scholten: Die deutsche Schweinepestverordnung wurde im letzten Jahr mehrfach angepasst, zuletzt am 16. Dezember 2018. Danach gilt, dass Hausschweine aus einem Betrieb im gefährdeten Gebiet nicht in andere Bundesländer, einen EU-Mitgliedsstaat oder in ein Drittland verbracht werden dürfen.


Allerdings gibt es neuerdings Ausnahmen. Die Schweine dürfen in andere Betriebe oder in eine Schlachtstätte innerhalb Deutschlands verbracht werden, wenn sie seit ihrer Geburt bzw. zumindest innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Transport im Herkunftsbetrieb gehalten wurden. Zudem müssen sie innerhalb von zehn Tagen vor dem Verbringen virologisch und maximal 24 Stunden vor dem Transport klinisch mit negativem Ergebnis auf die Afrikansiche Schweinepest untersucht worden sein.


Das Verbringungsverbot gilt auch dann nicht, wenn die Schweine aus einem Betrieb stammen, der mindestens zweimal jährlich von der zuständigen Behörde klinisch auf ASP untersucht wird und die über 60 Tage alten Schweine virologisch mit negativem Ergebnis auf ASP untersucht werden.


Diese Ausnahmeregelungen sind auf jeden Fall zu begrüßen. Sie sind jedoch mit erheblichen Untersuchungskosten für die Produzenten verbunden. Abgesehen von der Frage, ob im Ernstfall die vorhandenen Laborkapazitäten überhaupt ausreichen, könnten Vermarktungskosten von zusätzlich 15 € je Schlachtschwein anfallen.


Gibt es Schätzungen, wie hoch der Gesamtschaden im Falle eines ASP-Ausbruchs in Deutschland ausfallen könnte?


Hortmann-Scholten: Die ökonomischen Schäden eines ASP-Ausbruchs lassen sich schwer beziffern, zumal sie auch den in der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereich betreffen. Zudem umfassen die durch veterinärrechtliche Schutzmaßnahmen ausgesprochenen Restriktionen wesentlich größere Gebiete und die verhängten Sperren dauern länger an als bei der Klassischen Schweinepest (KSP).


Wenn man das alles berücksichtigt, könnte für die Bundesrepublik im Falle eines ASP-Ausbruchs ein volkswirtschaftlicher Gesamtschaden in Höhe von bis zu 100 Mrd. € entstehen – je nachdem, wie lange das Seuchengeschehen anhält.


Was kann die Politik tun, um die mit einem Seuchenausbruch verbundenen Handelsrestriktionen abzumildern?


Hortmann-Scholten: Da wir in der Bundesrepublik jederzeit mit einem ASP-Ausbruch bei Wild- oder Hausschweinen rechnen müssen, sollte man die „Friedenszeiten“ nutzen, um jetzt ohne Zeitdruck entsprechende Vereinbarungen mit Drittländern auszuhandeln. Besonders wichtig ist dabei für uns der chinesische Absatzmarkt.


Bereits ausgestellte Veterinärzertifikate sollten so angepasst werden, dass auch im Falle eines ASP-Ausbruchs bei Wildschweinen Schweinefleischexporte möglich sind. Darüber hinaus sollten jetzt bürokratische Erleichterungen ausgehandelt werden. Ein Beispiel dafür ist das Projekt zur elektronischen Zertifizierung (E-Zertifizierung). Hier werden die derzeit in Papierform ausgestellten Veterinärzertifikate durch elektronische Dateien ersetzt, was den Prozess deutlich beschleunigt.


Zahlreiche Schweinehalter haben bisher keine Ertragsschadenversicherung abgeschlossen. Sollte der Staat diese Versicherungen bezuschussen?


Hortmann-Scholten: Viele deutsche Landwirte können aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation ihren Tierbestand nur mit finanzieller Unterstützung des Staates gegen Ertragsschäden versichern, die im Verlauf eines Seuchenzuges entstehen können.


Das ist jedoch wichtig, denn die Tierseuchenkassen erstatten immer nur einen Teil der unmittelbar durch den Seuchenausbruch auf einem Schweinebetrieb entstehenden Schäden. Nicht entschädigt werden hingegen die entgangenen Deckungsbeiträge, wenn die Produktion aufgrund von Seuchensperren eingeschränkt oder für einige Zeit komplett eingestellt werden muss.


Durch die Ertragsausfälle können viele Betriebe finanziell schnell in eine existenzbedrohende Schieflage geraten. Hier besteht ein erhebliches Risikopotenzial, auf das andere EU-Staaten bereits reagiert haben – auch bei Ertragsausfällen infolge von Dürreperioden.


Bayern und Niedersachsen folgen diesem Beispiel und setzen sich für eine staatliche Unterstützung der sogenannten Mehrgefahrenversicherungen in der Landwirtschaft ein. Bayern will z.B., ähnlich wie in Österreich, eine öffentliche Beihilfe von Bund und Ländern organisieren, bei der Landwirte nur noch 50% der Versicherungsprämien für Mehrgefahrenversicherungen (ohne Hagel) bezahlen müssen.


Andere Länder gehen einen anderen Weg und verzichten auf die Erhebung einer Mehrwert- bzw. Versicherungssteuer bei sogenannten Mehrgefahrenversicherungen. Auch das ist eine Möglichkeit, die Risiken von Ertragsausfällen in der Landwirtschaft abzupuffern.


henning.lehnert@topagrar.com

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