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Die Influenza hat das ganze Jahr Saison

Lesezeit: 7 Minuten

Influenzaviren sind extrem anpassungsfähig. Eine europaweit durchgeführte Studie zeigt, welche Virustypen derzeit dominieren, und warum es so schwer ist, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln.


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Influenzainfektionen haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Vor allem in der Sauenhaltung und in der Ferkelaufzucht kann die Erkrankung große wirtschaftliche Schäden verursachen. Hinzu kommt, dass der Erreger das Immunsystem nachhaltig schädigt und dadurch den Weg für andere bakterielle und virale Begleitkeime ebnet, die viele Betriebe bereits gut im Griff hatten.


Darüber hinaus geht von Influenzaviren eine Zoonosegefahr aus. Das heißt, dass Schweine Menschen und umgekehrt Landwirte ihre Schweine mit dem Erreger infizieren können. Das kann sich sogar zu einer länderübergreifenden Pandemie ausweiten.


In der Praxis beobachtet man unterschiedliche Verlaufsformen: Der klassische, akute Verlauf ist meist kurz aber heftig. Bei einigen Schweinen tritt plötzlich hohes Fieber auf. Die Tiere wirken abgeschlagen, fressen nicht und leiden häufig unter Nasenausfluss. Das Ganze kann mit oder ohne Husten und Atembeschwerden einhergehen.


Verminderte Fruchtbarkeit


Eine gleichzeitige Infektion mit anderen Atemwegserregern kann das Krankheitsbild erschweren und eine intensive antibiotische Behandlung erforderlich machen. Es kommt zu Lungenentzündungen oder plötzlichen Todesfällen. Immer häufiger verlaufen Influenza-infektionen aber auch schleichend und unauffällig. Äußerlich sieht man den Tieren meist kaum etwas an. Die Tierhalter bemerken, dass sich die Fruchtbarkeitsleistung ihrer Sauen allmählich verschlechtert oder die Aufzuchtferkel unter Atemwegsproblemen leiden und in ihrer Entwicklung zurückbleiben.


Neue Daten aus Dänemark und den USA zeigen, dass ein einmal in den Bestand eingeschlepptes Virus über viele Monate im Bestand zirkulieren kann, wenn der Bestand groß genug ist, also genügend viele Ferkel produziert. In diesem Fall bildet sich eine nicht mehr abreißende Infektionskette zwischen Sauen und Ferkeln verschiedener Altersstufen.


Offenbar können auch sehr junge Saugferkel bereits infiziert werden. Sie erkranken jedoch nicht, wenn durch die Biestmilch eine mütterliche Immunität vermittelt wurde. Spätestens nach acht bis zwölf Wochen, wenn die maternale Immunität nachlässt, sind die Ferkel wieder voll empfänglich für den Erreger. Die verminderte Leistungsfähigkeit wirkt sich mitunter bis in die Mast aus.


Schweine als Mischgefäße


Influenzaviren sind extrem anpassungsfähig. Das Virus dringt in die Wirtszellen ein und vermehrt sich dort. Bei der Vervielfältigung seiner genetischen Information macht das Virus jedoch gewollt viele Fehler. Die Folge: Aus einem in die Wirtszelle eingedrungenen Elternvirus können 1000 Nachkommen entstehen, von denen keines mit dem elterlichen Erreger identisch ist. Das ist vorteilhaft für das Virus, denn es kann sich auf diese Weise sehr flexibel an neue Wirte und Umweltbedingungen anpassen. Vorsorgliche Impfungen werden dadurch jedoch erschwert.


Schweine spielen im Infektionsgeschehen der Influenza eine zentrale Rolle: Sie können sich nicht nur mit den eigenen, arttypischen Influenzaviren infizieren, sondern auch mit Grippeviren, die vom Menschen oder Vögeln abstammen. Das Schwein wirkt hier wie eine Art Mischgefäß.


Wenn eine Wirtszelle des Schweines zeitgleich von zwei unterschiedlichen Influenzaviren infiziert wird, können diese Viren ihr genetisches Material untereinander austauschen. Auf diese Weise entsteht ein ganz neuer Virustyp mit unvorhersehbaren Eigenschaften. Dazu kann auch die Fähigkeit gehören, die Artengrenze zu überspringen. Durch diesen Austausch gab es in der Vergangenheit immer wieder Vermischungen zwischen Schweine-, Vögel- und menschlichen Influenzaviren. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat ein vermutlich von Enten stammender aviärer Virustyp das klassische, menschliche H1N1-Virus der „Spanischen Grippe“ vollkommen verdrängt. Dieser neue, aviäre Virustyp ist bis heute in den europäischen Schweinebeständen noch weit verbreitet (siehe Übersicht 1).


Durch genetischen Austausch mit einem menschlichen H3N2-Grippevirus entstand 1984 der Schweinesubtyp H3N2, der bis heute in einigen europäischen Ländern regional, aber dort mit erhöhter Erkrankungsrate verbreitet ist. Zehn Jahre später entstand aus dem H3N2 und einem menschlichen H1N1-Virus der neue Schweinesubtyp H1N2. Und im Jahr 2009 kam mit dem menschlichen pandemischen Subtyp H1N1pdm ein vierter Subtyp ins Spiel.


Der Erregernachweis und die Erregerbestimmung werden durch die schnelle Anpassungsfähigkeit des Influenzavirus erschwert. Die Anzucht des Erregers aus Nasen- oder Rachentupfern spielt dabei inzwischen so gut wie keine Rolle mehr. Denn das Verfahren ist zeit- und materialaufwendig. Auch serologische Untersuchungen von Blutproben eignen sich nicht, um die Ursache akuter Atemwegserkrankungen abzuklären, da vom Immunsystem gebildete Antikörper frühestens nach zehn bis 14 Tagen nachweisbar sind.


Für den zeitnahen, direkten Nachweis von Influenzaviren wird bei akuten Atemwegserkrankungen daher die Methode der Real time quantitativen PCR (RT-qPCR) empfohlen. Dazu verwendet man Nasentupfer, die an lebenden Schweinen entnommen werden oder Wischtupfer aus den Lungenbronchien, die man bei der Sektion von verdächtigen, verendeten Tieren gewinnt.


Aktuell vier Virustypen


Um herauszufinden, welche Virusvarianten aktuell in Europa Probleme bereiten, hat ein europäischer Forschungsverbund von Virologen, dem auch das Friedrich-Loeffler-Institut und Impfstoffhersteller IDT/Ceva angehörten, von April 2015 bis Januar 2018 in siebzehn europäischen Ländern insgesamt 18313 Nasentupferproben in 2457 schweinehaltenden Betrieben gewonnen und untersucht. Dabei wurden nur Schweine beprobt, die Anzeichen einer Atemwegserkrankung aufwiesen. Das Ergebnis: Etwa ein Drittel der untersuchten Schweine trug das InfluenzaA-Virus in sich. In nahezu zwei Drittel aller untersuchten Bestände wurde mindestens ein viruspositives Tier gefunden.


Interessant ist auch, wann sich das Influenzavirus im Jahresverlauf nachweisen lässt. Während die Grippe beim Menschen vor allem zwischen Weihnachten und Ostern auftritt, weist die Influenza beim Schwein keine Saisonalität auf. Hier bereitet sie inzwischen zu allen Jahreszeiten Probleme.


Der H1N1-Virustyp, der in den 70er Jahren aus Influenzaviren von Vögeln entstanden ist, spielt in Europa nach wie vor eine große Rolle. Er ließ sich in nahezu zwei Drittel aller viruspositiven Proben nachweisen. Die Bedeutung des Schweinesubtyps H3N2 nimmt dagegen stetig ab. Im gleichen Maße gewinnt allerdings der pandemische Virustyp (H1N1pdm) an Bedeutung.


Das bestätigen auch die Ergebnisse einer vom Impfstoffhersteller Ceva im 1. Halbjahr 2019 durchgeführten Studie (siehe Übersicht 2). Hier betrug der Anteil der positiven Nachweise des pandemischen Virustyps bereits rund 20%, Tendenz weiter steigend. Besonders häufig verursacht der pandemische Virustyp H1N1pdm dabei Fruchtbarkeitsstörungen (79,8%), wie die Übersicht 3 verdeutlicht. Auf Rang zwei und drei folgen Fieber (62,8%) und Husten (61,2%).


Variabilität nimmt zu


Fakt ist, dass die Variabilität der Influenzaviren beim Schwein enorm zugenommen hat. Insgesamt wurden bei der Untersuchung 31 verschiedene Genotypen des Erregers gefunden. Das zeigt, dass es in den europäischen Schweinepopulationen eine Vielzahl unterschiedlicher InfluenzaA-Varianten gibt, die zwar genetisch ähnlich sind, sich aber dennoch in Details unterscheiden.


In der Humanmedizin treffen sich die Experten der Weltgesundheitsorganisation deshalb zweimal jährlich, um zu entscheiden, welche neuen Virustypen in den jeweils aktuellen Grippeimpfstoff aufgenommen werden. Dazu ist nur eine Zulassungserweiterung erforderlich. Beim Schwein gibt es diese Möglichkeit leider nicht: Nach jeder Veränderung muss der Impfstoff ganz neu zugelassen werden. Das ist teuer und zeitaufwendig.


Bestandsspezifisch impfen?


Alternativ wird an Schweineimpfstoffen geforscht, die eine breitere Immunantwort bewirken. Das kann durch den Zusatz geeigneter Hilfsstoffe (Adjuvantien) geschehen, die die Wirkung der Impfstoffe verstärken. Oder durch eine gezieltere Auswahl von Impfstämmen, die in der jeweiligen Region bzw. im jeweiligen Bestand (bestandsspezifische Impfstoffe) eine Rolle spielen.


Für die Influenza gibt es zurzeit in Deutschland weder eine gesetzliche Melde- noch eine Anzeigepflicht. Daher existieren weder behördlich gelenkte Überwachungsprogramme noch einheitliche Bekämpfungsstrategien.


Die labordiagnostische Auswertung, welche Virusvarianten sich wo nachweisen lassen, und gezielte Impfungen sind und bleiben daher die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen. Es wird vermutlich keine flächendeckenden Schutzimpfungen geben. Denn um eine belastbare Impfdecke zu erzeugen, müssten 95% aller Schweine gegen den jeweils aktuellen Erreger geimpft werden. Das gelingt aufgrund der schnellen Anpassungsfähigkeit jedoch nicht.


Schutz vor Erkrankung


Influenzaimpfungen, die zurzeit vor allem bei Sauen durchgeführt werden, können daher auch nicht verhindern, dass sich immer wieder empfängliche Tiere mit dem Erreger infizieren. Sie können jedoch dafür sorgen, dass die Erkrankung nicht zum Ausbruch kommt. Außerdem tragen sie dazu bei, die Zoonosegefahr für den Menschen zu reduzieren, indem die Menge des zirkulierenden Virus verringert wird. Denn die Schweinepopulation stellt aufgrund der schnellen Anpassungsfähigkeit des Erregers ein riesiges Reservoir für zoonotische und möglicherweise pandemische Influenzaviren dar.


henning.lehnert@topagrar.com


Unsere Autoren


Prof. Dr. Timm Harder, Dr. Annika Graaf, Institut für Virusdiagnostik des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems

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