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„Drachenköpfe“ steuern die Schweinehaltung

Lesezeit: 7 Minuten

China setzt auf industrielle und vertikal integrierte Schweineproduktion. „Drachenkopf-Unternehmen“ geben als Leitbetriebe den Ton an. Aus dem Reich der Mitte berichten Jochen Noth, Dieter Staack und Uwe Trillmann.


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China – da denken die meisten an übervölkerte Großstädte, Menschen mit Mundschutz in überfüllten U-Bahnen, verstopfte Straßen, qualmende Industrieschlote, smogverpestete Luft und vergiftete Flüsse. Nur wenige wissen, dass das Reich der Mitte auch der weltweit größte Produzent von Schweinefleisch ist. Über 50 % des Schweinefleisches auf unserem Globus werden in China erzeugt.


Fleischverzehr vervierfacht:

Ziel ist die Selbstversorgung der chinesischen Bevölkerung mit Schweinefleisch. Denn für die Han-Chinesen, die über 90 % der chinesischen Bevölkerung ausmachen, ist Schweinefleisch das wichtigste tierische Nahrungsmittel. In den letzten Jahrzehnten sind immer mehr Chinesen in die Städte gezogen, wie die Übersicht 1 verdeutlicht. Und der wachsende Wohlstand – vor allem der städtischen Bevölkerung – hat den Schweinefleischverzehr deutlich steigen lassen.


Bis Ende der siebziger Jahre bestanden die chinesischen Mahlzeiten hauptsächlich aus Reis, Nudeln und Gemüse. Fleisch gab es fast nur an Festtagen wie dem Frühlingsfest. Heute dagegen liegt der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch mit 47,4 kg über dem Weltdurchschnitt. Er wird nur noch von den Industrieländern übertroffen. Innerhalb der letzten 30 Jahre hat sich der Fleischverzehr Chinas vervierfacht.


Um diese enorme Nachfrage decken zu können, hat die Schweinehaltung in China auf Wunsch der Partei- und Regierungsführung einen enormen Wandel durchlebt. Nach einer langen Phase kommunistischer Planwirtschaft und politischem Chaos wurde Ende der 70er Jahre als erstes die Landwirtschaft reformiert. Grund und Boden blieben zwar Eigentum der Dörfer. Er wurde aber unter den Bauernfamilien zur eigenen Nutzung aufgeteilt und verpachtet.


1985 stammten 95 % aller in China produzierten Schweine aus kleinbäuerlichen Betrieben, die oft weniger als einen halben Hektar Land bewirtschaften durften und im Hinterhof maximal fünf Schweine hielten. Die Tiere wurden mit Haushaltsabfällen und eigenem Getreide gefüttert.


Nach amerikanischem Vorbild:

Doch das reichte nicht, um den wachsenden Fleischbedarf der Bevölkerung zu decken. Deshalb wurde die Landwirtschaft in den 90er-Jahren nach amerikanischem Vorbild industrialisiert und vertikal integriert. Regierung und kommunistische Partei forcierten diese Entwicklung ganz massiv.


Das Jahr 2006 brachte den endgültigen Durchbruch. Damals traten in China die ersten Fälle einer sehr aggressiven Form von PRRS auf, die Produktion brach ein, und die Fleischpreise schnellten in die Höhe. Um die Versorgung der Bevölkerung mit Schweinefleisch zu sichern, reagierte die Regierung schnell. Sie förderte gezielt die großen, industriell arbeitenden Schweinehaltungs- und Verarbeitungsbetriebe.


Sogenannte Drachenkopfunternehmen übernahmen auf Weisung der kommunistischen Partei die Führung bei der Industrialisierung und Integration der Schweinehaltung. Das sind Leitbetriebe, die für die anderen Schweinefarmen die Richtung vorgeben – wie beim traditionellen chinesischen Drachentanz. Auch da gibt der Akteur mit der Drachenmaske die Richtung für die anderen Tänzer vor.


In der Regel handelt es sich bei den „Drachenköpfen“ um Unternehmen der Futtermittelproduktion, der Fleischverarbeitung oder des Fleischhandels, die ihre starke Position nutzen, um vertikale Produktions- und Vertriebsketten aufzubauen. Den Rohstoff, die Schweine, bekommen sie dabei von vertraglich gebundenen Bauern.


Im Jahre 2011 standen bereits 70 % der Schweine- und Geflügelproduktion Chinas unter der Kontrolle von Drachenköpfen. Im Reich der Mitte gab es insgesamt 110 000 Drachenkopfunternehmen und rund 110 Millionen bäuerliche Unternehmen, die von ihnen geführt wurden.


Heute geben in der Schweinehaltung vor allem drei Drachenkopfunternehmen den Ton an:


  • Die Shuanghui-Gruppe, die sich 2013 die amerikanische Smithfield-Gruppe einverleibt hat. Der Mammutkonzern produziert jährlich fast 6 Mrd. Kilogramm Schweinefleisch und beschäftigt rund 100 000 Mitarbeiter;
  • Die Jinluo-Gruppe, das größte Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen Chinas, das jährlich 150 Mio. Schweine bzw. 450 Mio. Hähnchen schlachtet und 30 000 Mitarbeiter beschäftigt.
  • Und die Yurun-Gruppe, die jährlich 13,8 Mio. Schweine schlachtet und im Tiefkühlbereich sehr aktiv ist.


Zuckerbrot und Peitsche:

Die Regie bei der Kommerzialisierung der Schweinehaltung führen die kommunistische Partei und die chinesische Regierung. Es gilt das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“. Das Zuckerbrot sind die Subventionen, Steuervergünstigungen und kostengünstigen bzw. zinsfreien Kredite, die die chinesische Regierung den Drachenköpfen gewährt. Und die Peitsche sind die staatlichen Kontroll- und Strafaktionen.


Selbstversorgung mit Fleisch:

Oberstes Ziel ist die Selbstversorgung Chinas mit Lebensmitteln. Ebenso wie für Reis, Mais und Weizen wird auch für Schweinefleisch ein Selbstversorgungsgrad von 95 bis 99 % angestrebt. Beim Schweinefleisch ist das bereits gelungen, der Importanteil ist mit 1,4 % sehr gering. Er beschränkt sich in erster Linie auf Schlachtnebenprodukte wie Schweineschwänze, Pfötchen und Ohren. Die sind auf westlichen Märkten nur schwer verkäuflich, werden in China aber als Delikatesse gehandelt.


Ein anderes Bild zeigt sich auch beim Stallbau. Der überwiegende Teil der chinesischen Schweine wird inzwischen nicht mehr im Hinterhof, sondern in modernen, großen Farmen gehalten wie Übersicht 2 verdeutlicht. Gebäudehülle und technische Einrichtung sind allerdings nicht mit europäischen Maßstäben zu vergleichen. Häufig handelt es sich um große Einraumställe mit Tunnellüftung nach ameri-kanischem Vorbild. Zum Teil werden die Gebäude auch mit Schwerkraft belüftet. Alles mit wenig Technik und ohne Steuerungsmöglichkeit.


Aufzucht- und Mastställe sind in der Regel mit Teilspalten ausgelegt. Die Festflächen werden von Hand abgeschoben. Die Gülle wird in Wannen gesammelt und anschließend getrennt. Für große Ställe sind Biogasanlagen vorgeschrieben. Genutzt wird aber meist nur die entstehende Wärme. Es wird kein Strom eingespeist. Die Abferkelstände für die Sauen sind hochgelegt. Im Deckzentrum und im NT-Bereich stehen die Sauen meist in Kastenständen.


Trockenfutter als Sackware:

Die großen Schweinefarmen beziehen überwiegend pelletiertes Futter als Sackware. Die Pellets werden von Hand in den Trog geschüttet, denn Arbeitskräfte sind billiger als Fütterungstechnik. Das Futter kommt aus einer der großen Futtermühlen im Land. China ist mit 9 500 Mühlen weltweit der größte Futtermittelproduzent.


Die Futtergrundlage bilden Gerste, Weizen und Mais, ergänzt durch Sojaschrot und Mineralfutter. Dabei ist China auf umfangreiche Futtermittel-importe aus dem Ausland angewiesen. Denn das Land stellt 20 % der Weltbevölkerung, verfügt aber nur über 10 % der Ackerfläche. Das macht die Futtermischungen 10 bis 15 % teurer als in Europa.


Da es keine Futtermitteluntersuchungen bzw. -kontrollen gibt, wird die Deklaration häufig nicht eingehalten. Außerdem gibt es keine Vorgaben für Schwermetalle wie Kupfer und Zink. Das führt dazu, dass die Umwelt stark belastet wird. Die Ackerbauern wollen die Gülle aus den Veredlungsbetrieben inzwischen gar nicht mehr haben, um die eigenen Böden nicht zu belasten. Da es keine Flächenbindung für die Tierhaltung gibt, hat auch China inzwischen ein ernsthaftes Gülleproblem.


Krankheitsanfällige Tiere:

Auch Leistungsförderer sind in China erlaubt und werden in großem Umfang eingesetzt. Entsprechend groß sind die Resistenzprobleme. Aufgrund schlechter baulicher Voraussetzungen und einer unzureichenden Belüftung vieler Ställe sind die Schweine sehr anfällig für Krankheiten. Zudem hapert es häufig am Management und an der Hygiene. Seit dem massivem PRRSV-Einbruch im Jahr 2006 werden alle Schweine vorsorglich gegen die Klassische Schweine-pest (KSP), die Maul- und Klauenseuche (MKS), Parvo/Rotlauf, die Aujeszky'sche Krankheit und gegen PRRSV pflichtgeimpft. Die Impfstoffe stellt der Staat.


Darüber hinaus gibt es aber auch noch einen freien Impfstoffmarkt. Je nach Bedarf lassen die Betriebsleiter ihre Tiere zusätzlich gegen die Enzootische Pneumonie, APP und Schnüffelkrankheit impfen.


Und die Genetik? Die alten chinesischen Rassen gibt es zwar noch. Man findet sie jedoch fast nur noch in den Hinterhof-Schweinehaltungen. Moderne Betriebe arbeiten zumeist mit Kreuzungssauen aus Large White und Landrasse. Wobei die Landrasse aus China stammen kann oder aus USA, Kanada bzw. Frankreich importiert wird. Als Eber werden überwiegend Duroc-Tiere eingesetzt.


14 abgesetzte Ferkel pro Sau:

Trotz moderner Genetik ist das Leistungsniveau deutlich niedriger als bei uns. Pro Sau und Jahr werden im Schnitt etwas weniger als 14 Ferkel abgesetzt. Und im Maststall liegen die mittleren Zunahmen bei rund 600 g pro Tier und Tag.


Das liegt zum Großteil daran, dass bei Management und Betreuung der Schweine nicht alles optimal läuft. Es mangelt an gut ausgebildeten Herdenmanagern und Mitarbeitern. Das leitende Management befindet sich oft in der Hand von Investoren oder Personen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. Und die Mitarbeiter sind größtenteils ungelernt.


Das Problem: Die Arbeit in der Schweinehaltung ist in China gesellschaftlich nicht sehr angesehen. Es ist schwierig, engagierte Mitarbeiter zu finden. Mit qualifiziertem Personal könnte die chinesische Schweinehaltung viel produktiver und wirtschaftlicher arbeiten. Hier gibt es noch reichlich Verbesserungspotenzial! -lh-

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