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Eberfleisch: Der Speck bleibt das Problem

Lesezeit: 6 Minuten

Die Ebermast ist zwar eine zugelassene Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration. Doch die Absatzchancen bleiben begrenzt. Probleme bereiten vor allem die Eberbäuche.


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Die Coronakrise beschert vielen Landwirten momentan unruhige Nächte: Niemand kann vorhersagen, welche Folgen die Virusausbreitung für den eigenen Betrieb noch haben wird. Kopfschmerzen bereitet den Landwirten aber auch das Thema Ferkelkastration. Denn auch gut acht Monate vor dem endgültigen Aus der betäubungslosen Kastration ist unklar, wie gut die künftigen Absatzchancen für Tiere sind, die mit Improvac geimpft bzw. als intakte Eber gemästet wurden.


Während sich die Abnehmer beim Thema Improvac zumindest offener als bislang zeigen, scheinen die Vorbehalte der Schlachter und Fleischverarbeiter beim Thema Eberfleisch weiterhin groß zu sein. Das hat zwei Gründe:


  • Erstens kann Eberfleisch unangenehme geschlechtsspezifische Geruchs- und Geschmacksabweichungen aufweisen. Das Problem tritt je nach Untersuchung bei 1,5 bis 2% der Schweine auf. Die Ursache sind unter anderem die Androstenon-, Skatol- und Indolgehalte, diese Stoffe reichern sich im Fettgewebe an.
  • Zweitens ist der Speck von Jungebern im Biss zäh bis unzerkaubar, während das in den Fettzellen gespeicherte Fett eine weiche Konsistenz aufweist und leicht ranzig wird. Das liegt zum einen daran, dass bei Jungebern die angelegten Fettzellen nur mit wenig Fett aufgefüllt werden. Dadurch steigt der Bindegewebsanteil und der Speck wird zäh. Zum anderen führt die meist fütterungsbedingte geringe Speckauflage zu einem höheren Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Diese sogenannten Pufa’s (Polyunsaturated Fatty Acids) können negative Auswirkungen auf die Produktqualität haben. Insbesondere die Haltbarkeit des Fleisches kann leiden.


Auffällig ist bei Jungebern zudem das Magerfleisch. Es ist häufig etwas dunkler, grobfaseriger und weist tendenziell höhere pH-Werte auf als das Fleisch von Börgen. Zudem fehlt häufig die Marmorierung. Die Besonderheiten in Bezug auf das Magerfleisch haben bislang allerdings zu keinerlei Abwertungen bei Verkostungen geführt. Auch die Abnehmer sehen darin kein größeres Problem.


Forderungen an Eberfleisch


Die Schlacht- und Verarbeitungsindustrie hat bereits mehrfach betont, dass sie Eberfleisch nur dann in größerem Stil abnimmt, wenn bestimmte Mindestkriterien für die Schlachtkörper der Jungeber erfüllt sind. Dazu zählen:


  • Der Schinken muss ein Mindestmaß von 12 bis 22 mm Speck aufweisen. Das ist vor allem für die Schinkenhersteller immens wichtig.
  • Das Schweinefleisch darf beim Verkauf keine Geruchs- und Geschmacksabweichungen aufweisen. Für den Schlachthof bedeuten diese Forderungen einen hohen innerbetrieblichen, logistischen Aufwand. Denn jeder Eberschlachtkörper muss einer Geruchsprobe unterzogen und geruchsauffällige Schlachtkörper sicher aussortiert werden.
  • Die Fettqualität ist für die weitere Verarbeitung des Fleisches extrem wichtig. Das gilt insbesondere für die Verarbeitung zu Dauerwaren. In diesem Zusammenhang spielt der Pufa-Wert eine große Rolle, der den Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren darstellt. Er darf höchstens 15% (15 g pro 100 g Fettsäure) betragen. Höhere Werte beeinflussen die Haltbarkeit und Schnittfestigkeit der Verarbeitungsprodukte negativ.
  • Die Iodzahl beschreibt den Gehalt an ungesättigten Fettsäureresten in den Glyceriden. Der Wert muss unter 70 liegen.


Sowohl die Pufa-Werte als auch die Iodzahl können vom Landwirt beeinflusst werden. Denn beide Kennzahlen hängen maßgeblich davon ab, wie die Tiere gefüttert wurden. In Futtermischungen für Jungeber dürfen Futtermittel mit hohen Polyensäurengehalten nur in begrenztem Rahmen eingemischt werden. Dazu zählen unter anderem pflanzliche Fette und Maisprodukte.


Speckqualität bleibt Problem


Im Rahmen des EIP-Projekts „Verzicht auf die Kastration beim Schwein – Einführung und Etablierung der Ebermast in die Wertschöpfungskette Schwein“ wurde in der LSZ Boxberg in Baden-Württemberg untersucht, ob sich wichtige Fleisch-Qualitätsparameter verändern, wenn die Jungeber erst mit 105 kg Schlachtgewicht (SG) verarbeitet werden. Die Überlegung dahinter war unter anderem, dass möglicherweise die Speckauflage steigt, wenn die Schweine deutlich schwerer geschlachtet werden. Die Fütterung der Tiere erfolgte auf Basis der üblichen Standardrationen für die Ebermast.


Der Bauch bereitet Sorge


Trotz der Veränderungen in puncto Fütterung und Schlachtgewicht waren die Ergebnisse ernüchternd. Zwar führten die höheren Schlachtgewichte dazu, dass die Speckauflage im Schinken tatsächlich zunahm. Die Sensorik des Specks war aber mangelhaft. Sowohl der Speck als auch das wenig marmorierte Magerfleisch waren zäh.


Keine Probleme gab es hingegen im Hinblick auf den Geschmack. Der typische Ebergeruch trat trotz der hohen Schlachtgewichte weder bei frischem noch gebratenem Fleisch auf. Bei der Verkostung von Schwarzwälder Schinken z.B. gab es keine Probleme.


Bei einem Teil der Tiere wurden die Schlachtgewichte auf 110 kg angehoben. Wie auch in anderen Versuchen wurden die Bäuche dieser Schweine später zu Frühstücksspeck verarbeitet, sogenanntem Bacon. Auch hier zeigte sich, dass Eberfleisch ein Qualitätsproblem hat. Das Fett wurde von den Testpersonen sowohl im rohen als auch im gebratenen Zustand als zäh bis unzerkaubar, gummiartig und schwammig beschrieben. In rohem Zustand traten beim Schneiden des Schinkens in Scheiben zudem Risse im Fett auf. Beim Braten lief das Fett teilweise aus.


Erschwerend kam hinzu, dass der Speck bei der Baconproduktion vorher nicht weggeschnitten werden konnte. Das ist technisch nicht möglich.


Auffällig war auch, dass der Speck bzw. das Fett bei den Jungebern, anders als üblich, deutlich ungleichmäßiger über die Körperpartien hinweg verteilt ist.


Duroc-Eber keine Alternative


Im Rahmen des Projektes wurde auch überprüft, wie Fleischerzeugnisse von reinrassigen Piétrain- und Duroc-Ebern, die mit weiblichen Tieren der Rasse DE x DL angepaart wurden, hinsichtlich der Verarbeitungs- und Genussqualität abschneiden. Die Ergebnisse aus der Analytik sowie der Verkostung entsprechender Bacon-Produkte sind in der Übersicht dargestellt.


Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Einsatz von reinrassigen Duroc-Ebern nicht zu empfehlen ist. Ein großes Problem sind hohe Gehalte an Androstenon und Skatol in den verarbeiteten Bäuchen. Bei fast allen Proben lagen die Androstenonwerte deutlich über dem Grenzwert von 2500 ng/g (Nanogramm je g) Bauchfleisch. Deutlich besser schnitten die Nachkommen der Piétrain-Eber ab. Die Androstenongehalte lagen auf wesentlich niedrigem Niveau.


Beim Skatol war das Bild uneinheitlicher. In einer Probe der Duroc-Linien waren die Werte sehr gering, in zwei Proben lagen sie hingegen deutlichst über dem Grenzwert von 250ng/g Nanogramm je g Bauchfleisch. Festzuhalten bleibt somit, dass der Bauch nach wie vor das Hauptproblem bei der Verarbeitung von Jungeberfleisch ist.


Auch die Pufa-Werte sowie die Iodzahlen waren bei beiden Eberlinien insgesamt unbefriedigend. In keiner einzigen Probe lagen die Ergebnisse unter den Grenzwerten.


marcus.arden@topagrar.com


Unsere Autorin


Miriam Hecht, Projektleitung EIP-Ebermast

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