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Es sah aus wie eine akute Influenza

Lesezeit: 6 Minuten

In Nordwestdeuschland macht seit zwei Jahren ein neuer, aggressiver PRRSV-Stamm die Runde, das Acro-Virus. Dr. Bernd Kruse von der Praxis Dümmerland schildert ein Beispiel aus der Praxis.


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Mit seinen 30,9 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr, einer Abferkelrate von 87,6 % sowie 12 % Saugferkel- und 1 % Flatdeckverlusten hatte Peter Brinker (Name geändert) bis vor Kurzem wahrlich keinen Grund zum Klagen. Der teilgeschlossene Betrieb im Oldenburger Münsterland mit 450 Sauen-, 2400 Ferkelaufzucht- und 2200 Mastplätzen lief rund.


Aus Sicht der Betriebshygiene bot der gewachsene Familienbetrieb zwar nicht die optimalsten Voraussetzungen. Denn rund um den Betrieb gab es zahlreiche andere Schweinehalter, der nächste Maststall war nur vierhundert Meter Luftlinie entfernt. Und auch auf dem Hofgelände mit dem Wohnhaus in der Mitte lagen alle Gebäude relativ dicht beeinander. Eine saubere Trennung der verschiedenen Produktionsbereiche war daher kaum möglich.


Umfangreiches Impfprogramm:

Um die Gefahr einer Keimeinschleppung so gering wie möglich zu halten, remontiert Brinker seine Sauen bereits seit mehr als fünf Jahren selbst. Die Jungsauen werden fernab vom Betrieb in einem Pachtstall aufgezogen und separat betreut. Und auch bei den Impfungen sorgt Peter Brinker umfangreich vor. Die Sauen werden routinemäßig gegen PRRS, APP, Parvo/Rotlauf, Influenza und Coli/Clostridien geimpft. Die Ferkel mussten dagegen bislang nur gegen PCV2 vakziniert werden.


Milde PRRS-Klinik im Flatdeck:

Das Ergebnis dieser umfangreichen Impfmaßnahmen waren bisher stabile, gute Leistungen im Abferkelstall. Dann traten plötzlich jedoch erste Probleme auf. Es begann zunächst ganz unspektakulär mit einer milden PRRS-Klinik im Flatdeck. Einige Ferkel begannen zu schniefen.


Beim Screening wurden PRRS-Viren bei Ferkeln am Ende der Flatdeck-Aufzucht festgestellt – trotz Sauenimpfung. Das passiert jedoch häufiger. Deshalb machten sich Brinker und sein Tierarzt zunächst auch noch keine Gedanken.


Dann schwappten die Probleme jedoch in die Mast über. Etliche Tiere zeigten schwere APP-Symptome, sie husteten, litten unter Atemnot, verweigerten das Futter und wirkten teilnahmslos. Bei der PCR-Untersuchung nach einer Sektion erkrankter Tiere wurde APP nachgewiesen. Ein Labor diagnostizierte eine Infektion mit dem APP-Serotyp 6, ein anderes wies den Serotyp2 nach. Alle Mastschweine wurden daraufhin zweimal mit einer konventionellen APP-Vakzine geimpft.


Die Impfung zeigte am Anfang jedoch kaum Wirkung. Die Mastschweine liefen trotzdem nicht problemlos durch. Viele mussten in der Mittel- und Endmast antibiotisch behandelt werden. Der Tierarzt schlug deshalb vor, eine bestandsspezifische Vakzine (Autovakzine) gegen APP anfertigen zu lassen.


Mit der neuen Autovakzine wurden alle Ferkel zweimal gegen APP geimpft. Und zusätzlich wurden neben den Sauen auch die Ferkel gegen PRRS vakziniert. Dadurch kam endlich wieder Ruhe in die Aufzucht und die Mast. Die Leistungen pendelten sich wieder ein – allerdings noch auf einem etwas niedrigeren Niveau als früher.


Bis zu 40 % Umrauscher!

Während sich die Situation im Flatdeck und im Maststall beruhigte, kam es nun jedoch im Sauenbereich zu massiven Problemen. Im Januar, Juni und November durchliefen den Sauenbestand drei große Abortwellen. Es gab jede Menge Frühaborte. In einigen Gruppen rauschte fast die Hälfte der Sauen um.


Die Symptome, die sich bei den frisch belegten Sauen beobachten ließen, ähnelten denen eines akuten Influenzaschubes. Einzelne Sauen fieberten und wollten nicht fressen. Direkt nach dem ersten Scannen bzw. gleich nach dem Umstallen in den Wartestall rauschten die Tiere um. Meistens handelte es sich um unregelmäßige Umrauscher, die auch nach wiederholten Besamungen nicht tragend wurden.


Um der Ursache auf den Grund zu gehen, schickten Landwirt und Tierarzt während der zweiten großen Welle Abortmaterial zur Untersuchung ins Labor. Bei der PCR-Untersuchung wurde ein PRRS-Virus mit hoher genetischer Ähnlichkeit zum Acro-Stamm nachgewiesen. Dieser neue Virusstamm wurde 2015 erstmals in Österreich diagnostiziert, gelangte dann auf unbekannten Wegen nach Nordwestdeutschland und bereitet hier in einigen Betrieben Probleme (siehe Kasten).


Bis heute ist unklar, wie der Acro-Stamm in den Betrieb von Peter Brinker gelangte. Die Genomanalyse ergab aber klar, dass der Erreger eine große Ähnlichkeit (Homologie) zu dem in Österreich gefundenen Stamm aufwies.


Gegen die extremen hohen Aborte musste schnell etwas unternommen werden, das war klar. Gemeinsam erarbeiteten deshalb Landwirt Brinker, sein Hoftierarzt und Dr. Sylvia Baier vom Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen eine Strategie, um die hohen Frühaborte möglichst schnell wieder in den Griff zu bekommen.


Maßnahmenplan gestrickt:

Das Maßnahmenpaket umfasste sieben Punkte:


  • Wie bereits erwähnt wurden neben den Sauen auch die Flatdeckferkel gegen PRRSV geimpft. Zudem wurden die Tiere doppelt gegen APP vakziniert.
  • Sowohl bei den Sauen als auch bei den Ferkeln wurde der PRRS-Impfstoff gewechselt. Der bisher eingesetzte Impfstoff mit EU-Impfstamm wurde durch eine neuere EU-Vakzine ersetzt.
  • Um die Infektionsketten im Betrieb zu unterbrechen, wurden jedem Familienmitglied, jedem Auszubildenen und jedem Angestellten feste Zuständigkeiten zugewiesen. So wurde das Hin- und Herlaufen zwischen den einzelnen Produktionsbereichen und damit die Gefahr der Erregerübertragung reduziert.
  • Die externe und interne Betriebshygiene wurde weiter verfeinert. Dazu gehören die konsequente Nutzung der Hygieneschleuse, der Umgang mit Stallbesuchern und vor allem die konsequente Bekämpfung von Schadnagern. Der letzte Punkt ist für Eigenmischer wie Peter Brinker besonders wichtig.
  • Um Sekundärinfektionen in Schach zu halten, wurde der gesamte Sauenbestand vierzehn Tage lang antibiotisch behandelt. Zusätzlich erhielten die Tiere zwei Wochen lang Vitamin C und E, um das Immunsystem zu stärken.
  • Sauen, die abortiert hatten, wurden fortan konsequent geschlachtet. Denn Tiere, die wiederholt besamt wurden, wiesen eine extrem schlechte Trächtigkeitsquote auf.
  • Landwirt Brinker achtet heute zudem auf eine konsequentere Trennung der Altersgruppen. Ferkel, die das nötige Absetzgewicht nicht auf Anhieb erreichen, wurden früher an anderen Sauen nachgesäugt und dann mit der nächsten Absetzgruppe ins Flatdeck umgestallt. Diese Tiere werden zwar nach wie vor von Schlachtsauen nachgesäugt. Anschließend kommen diese Ferkel jedoch wieder zurück zu ihren Wurfgeschwistern in den Flatdeckstall. Sie werden also in die alten Gruppen nachgestallt und nicht mit jüngeren Ferkelgruppen vermischt.


Herde wieder stabilisiert:

Die konsequente Umsetzung der beschriebenen Hygiene- und Impfmaßnahmen trug Früchte. Der Abferkelbereich stabilisierte sich gesundheitlich wieder. Inzwischen werden von den Sauen wieder große Würfe mit vitalen Ferkeln geboren. Die Umrauschquote ist mit 14 % zwar noch immer leicht erhöht, sie steigt aber nicht mehr weiter an.


Beim letzten routinemäßigen Scree-ning des Bestandes wurden 40 Blutproben gezogen, bei den Sauen, den Saug- und bei den Flatdeckferkeln. Das Ergebnis: Weder im Sauenbestand noch bei den Saugferkeln wurde PRRS-Virusmaterial gefunden. Selbst im Flatdeck war lediglich das „Impfvirus“ nachweisbar und kein PRRS-Feldvirus. Im gesamten Bestand treten zudem keinerlei klinische Symptome mehr auf. Die Kombination der ergriffenen Maßnahmen war also erfolgreich. -lh-

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