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„Für einzelne Betriebe kann das eine Alternative sein“

Lesezeit: 5 Minuten

Familie Molitor aus Warendorf-Hoetmar hat die Injektionsnarkose auf Anregung ihres Tierarztes im Stall getestet. Das Verfahren hat sie überzeugt, sie würden gern dabei bleiben.


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Einige unserer Kunden möchten ihre männlichen Ferkel auch nach dem Jahreswechsel gern weiter kastrieren, um bei der Ferkelvermarktung flexibel zu bleiben. Sie können sich aber nicht mit der Isoflurannarkose anfreunden. Den einen ist die Anschaffung der Narkosegeräte zu teuer. Andere fürchten um ihre Gesundheit, weil das Narkosegas leberschädigend sein soll“, begründet Tierarzt Jan-Bernd Lammers aus Warendorf-Freckenhorst, weshalb er sich in letzter Zeit intensiver mit der Injektionsnarkose beschäftigt. Sein Argument: Warum soll das, was bei der Operation von Bruchferkeln prima klappt, nicht auch bei der Narkose kleinerer Saugferkel funktionieren?


Lammers entwickelte daher ein Konzept, wie sich die Injektionsnarkose arbeitswirtschaftlich in die Betriebsabläufe seiner Tierarztpraxis und die seiner Sauenhalterkunden integrieren lässt. Dann startete er Narkoseversuche in zwei Kundenbetrieben bei jeweils einem Abferkeldurchgang.


Vertretbare Kosten


„Es funktionierte prima und war auch von den Kosten her für beide Seiten vertretbar“, fasst der Tierarzt seine ersten Erfahrungen zusammen. Daraufhin hat er das Narkoseverfahren in weiteren vier Kundenbetrieben getestet. Und einige von ihnen haben ihm bereits signalisiert, dass sie die Injektionsnarkose auch nach dem Jahreswechsel gern anwenden wollen.


Zu ihnen gehört auch Bernhard Molitor, der gemeinsam mit seiner Frau Margret und seinem Sohn Jens im westfälischen Warendorf-Hoetmar einen Ferkelerzeugerbetrieb mit 300 Sauen, eigener Ferkelaufzucht und 50 ha Ackerland bewirtschaftet. Die Ferkel gehen an feste Mäster in der Region.


Die Ferkelbetäubung mit dem Narkosegas Isofluran ist für Bernhard Molitor keine Alternative. „Da es schwierig ist, mit dem Narkosegerät in den Abteilen zu arbeiten und wir nicht über genügend freie Arbeitskapazitäten verfügen, um die Ferkel aus dem Abteil zu bringen, auf dem Gang zu kastrieren und wieder zurückzufahren, kommt die Isofluranbetäubung für uns nicht in Frage“, argumentiert der 59-Jährige. Deshalb war er schnell bereit, gemeinsam mit Tierarzt Lammers die Injektionsnarkose in seinem Betrieb zu testen.


Etwas später kastrieren


Die Sauenherde von Familie Molitor ist in acht Gruppen mit jeweils 40 Tieren unterteilt. Bei der Betäubung per Injektionsnarkose werden die männlichen Ferkel erst gegen Ende der ersten Lebenswoche kastriert. „Noch besser wäre es meiner Meinung nach, den Eingriff erst in der zweiten Lebenswoche vorzunehmen. Denn dann vertragen sie die Narkose besser. Das ist vom Tierschutzgesetz aber nur in Ausnahmefällen erlaubt“, bedauert Lammers.


Den genauen Termin sprechen Molitor und die Tierarztpraxis kurzfristig ab. „Entscheidend ist, dass die Narkose vom Landwirt gut vorbereitet wird und sich alle an die vereinbarten Termine halten“, nennt Jan-Bernd Lammers die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Injektionsnarkose.


Nach der Geburt erhalten die Ferkel zunächst eine Eisenspritze und werden gegen Mykoplasmen sowie Circoviren geimpft. Den weiblichen Ferkeln werden in diesem Arbeitsgang auch gleich die Ohrmarken eingezogen. „So können wir am Kastrationstag die männlichen Ferkel schneller herausfischen“, erläutert Jens Molitor das Procedere.


Am Kastrationstag kündigt Lammers sein Eintreffen 30 Minuten vorher telefonisch an. Die Molitors trennen daraufhin die Ferkelnester mit 40 cm hohen Brettern ab und setzen die männlichen Ferkel hinter die Abtrennung. Ein Ferkel wird gewogen und mit einem Viehzeichenstift gekennzeichnet. Das Gewicht des Tieres schreiben Molitors mit Kreide an die Buchtenwand. „Das hilft mir, das Gewicht der Tiere besser zu schätzen, damit jedes Ferkel die passende Narkosedosis erhält“, erläutert der Tierarzt.


Narkose im Ferkelnest


Zum Betäuben verabreicht Lammers den männlichen Ferkeln die Narkosemittel im Ferkelnest. Dazu wechselt er nach jedem Wurf die Injektionsnadel. Sobald fünf Würfe behandelt wurden, kontrolliert er noch einmal die Narkosetiefe und dosiert bei Bedarf etwas Narkosemittel nach.


Etwa zehn Minuten nach der Injektion haben die Ferkel die optimale Narkosetiefe erreicht, sodass Molitors mit dem Kastrieren beginnen können. Anschließend werden die Schnitte mit Wundspray versorgt.


In einem zweiten Arbeitsgang werden dann die Ohrmarken eingezogen und die Ferkel erhalten eine Meloxicamgabe, um den Schmerz nach der Operation zu mildern. Anschließend kommen die männlichen Ferkel zurück ins warme Ferkelnest. „Bei einem gut eingespielten Team dauert das reine Kastrieren von 150 Ferkeln so kaum länger als eine Stunde“, berichtet Lammers.


Bestandsbesuch kombinieren


Im Anschluss an die Narkose absolviert Tierarzt Lammers dann auch gleich den ohnehin fälligen Bestandsbesuch, sodass sich die Anfahrtskosten auf beide Kostenblöcke verteilen, die Narkose und die Bestandsuntersuchung. Während und am Endes seines Durchgangs kontrolliert der Tierarzt immer wieder die kastrierten Ferkel.


„Spätestens nach drei Stunden sind alle Ferkel wieder fit, sodass wir die Abtrennung der Ferkelnester entfernen können. Vorher füttern wir die Sauen noch einmal, damit sie sich nach der Mahlzeit ablegen, bevor wir die Ferkelnester öffnen. Durch diese Vorgehensweise haben wir bei der Injektionsnarkose bisher noch kein einziges Ferkel verloren“, schildert Jens Molitor seine Erfahrungen.


„Unterm Strich könnte die Kastration unter Injektionsnarkose inklusive der Medikamente, der Leistungen des Tierarztes und des Lohnanspruches des Landwirtes etwa 4 € pro kastriertem Ferkel kosten, hat der Tierarzt kalkuliert. Allerdings müsste dafür noch die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT)ergänzt werden. Denn da wird für die Narkose eines Ferkels derzeit pauschal 6,41 € berechnet.


„Da der Tierarzt natürlich nicht immer den Bestandsbesuch oder eine andere Tätigkeit mit einem Kastrationstermin verbinden kann, muss es auch für die Aufwachkontrolle eine Lösung geben. Warum sollte die nicht der Landwirt übernehmen – natürlich nach gründlicher Einweisung durch den Tierarzt“, regt Tierarzt Lammers an. Hier benötigen Tierarzt und Landwirt dringend Rechtssicherheit.


Entscheidend ist zudem, dass die Tierarztpraxis personell gut aufgestellt ist, um die Dienstleistung Injektionsnarkose überhaupt anbieten zu können. „Gerade daran hapert es zurzeit aufgrund des Mangels an Tierärzten jedoch in vielen Praxen. Daher wird die Injektionsnarkose sicherlich nicht für die breite Masse der Betriebe geeignet sein, die ihre Ferkel weiter kastrieren wollen. Aber sie ergänzt die anderen drei zugelassenen Kastrationsalternativen um ein ein weiteres Verfahren und kann für einzelne Betriebe eine echte Alternative sein“, argumentiert Tierarzt Lammers.

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