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Gemeinsam erfolgreich vermarkten

Lesezeit: 7 Minuten

Wie können Landwirte und Lebensmittelhändler gemeinsam eine regionale Vermarktungsschiene aufbauen? Darüber diskutierten die Mitglieder des Arbeitskreises „Bauern treffen Händler – Händler treffen Bauern“.


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Immer mehr Tierhalter versuchen, eine eigene Vermarktung bzw. eine regionale Wertschöpfungskette für ihr Tierwohlfleisch aufzubauen. Doch die Umsetzung ist oft schwieriger als gedacht. Zum einen muss der Tierhalter bereit sein, in der Öffentlichkeit zu stehen und seine Produkte aktiv zu bewerben. Zum anderen müssen mehrere Partner in die Wertschöpfungskette eingebunden werden. Damit am Ende die Rechnung aufgeht, muss möglichst viel vom Schlachtkörper („from Nose to Tail“) über den neuen Absatzkanal vermarktet werden.


Doch worauf kommt es beim Aufbau einer regionalen Vermarktungsschiene für Tierwohlfleisch an? Und welche Chancen bietet sie? Diesen und weiteren Fragen sind top agrar sowie die Zeitschrift Lebensmittelpraxis gemeinsam mit Supermarktbetreibern und Landwirten mit eigener Vermarktungsschiene nachgegangen. Im Rahmen einer Onlinediskussion des bunt gemischten Arbeitskreises „Bauern treffen Händler – Händler treffen Bauern“ haben sie über ihre Erfahrungen berichtet.


Regelmäßig tauscht sich der Arbeitskreis zu Themen aus, die sowohl Landwirte als auch Lebensmitteleinzelhändler betreffen. Das Ziel ist, das Verständnis auf beiden Seiten zu fördern.


Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Punkte der Diskussion für Sie zusammen.


Chancen und Perspektiven


Welche Perspektiven bietet eine eigene Vermarktungsschiene?


Antwort: Der Aufbau von geschlossenen Wertschöpfungsketten von der Geburt und Aufzucht der Tiere über die Mast, den Transport sowie die Schlachtung und Zerlegung hin zur Bedientheke ist ein langer Prozess. „Dieser kann nicht von heute auf morgen aus dem Boden gestampft werden, sondern benötigt Zeit“, weiß Rewe-Händler Lutz Richrath, der 15 Lebensmittelmärkte in Köln und im Rhein-Erft-Kreis betreibt.


Viele Verbraucher beteuern zwar, dass sie bewusster einkaufen wollen und für höhere Haltungsstandards gerne tiefer in die Tasche greifen. An der Kasse sieht die Kaufentscheidung nach Einschätzung der Händler jedoch häufig anders aus. In den Lebensmittelkonzernen sei das Thema Tierwohl zwar mittlerweile angekommen. Doch die Preiskalkulation für die Produkte biete hier wenig Spielraum nach oben, so Richrath. Denn die Preise müssten so gestaltet sein, dass der Kunde weiterhin bereit ist, mehr Geld für die Tierwohlware auszugeben.


Mehrwert kommunizieren


Wie kann der Absatz von höherpreisigen Fleisch- und Wurstprodukten gesteigert werden?


Antwort: Kommunikation und Transparenz sind laut Aussage der Lebensmittelhändler das A und O, um die Tierwohlprodukte an den Verbraucher zu bringen. „Es reicht nicht aus, einfach ein Stück Tierwohlfleisch in der Theke auszulegen“, erklärt Händler Peter Dornseifer, der mit „Dornseifers Frischemarkt“ 18 Supermärkte in der Region Sauerland, Siegerland und Bergisches Land betreibt.


Die Besonderheit dieses Fleisches muss von den Verkäuferinnen und Verkäufern hinter der Theke auch fachkompetent kommuniziert werden. „Das Personal hinter der Theke muss dem Verbraucher mit Ehrlichkeit und Begeisterung erzählen können, wieso das Tierwohlfleisch mehr kostet, als das Stück Fleisch aus dem Preiseinstiegssegment“, betont Unternehmer Dornseifer.


Um dem Kunden Fragen entlang der gesamten Wertschöpfungskette beantworten zu können, muss das Personal gut geschult werden. Einige Händler bieten in ihren Frischetheken deshalb ausschließlich die Tierwohlprodukte ihrer Erzeuger an. Die günstigeren, konventionell erzeugten Produkte können die Kunden im Selbstbedienungsregal finden.


Regionale Ware


Das Stichwort „Regionalität“ ist in aller Munde. Welche Rolle spielt der Begriff bei der Vermarktung?


Antwort: Regionalität ist ein dehnbarer Begriff, der nach Meinung der Händler nicht anhand der Kilometer-Entfernung zwischen Erzeuger und Supermarkt definiert werden sollte.


Die Erfahrungen der Lebensmittelhändler haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, die Tierwohlprodukte mit dem Zusatz „Fleisch aus der Region“ zu vermarkten. Um die Einzigartigkeit eines Produktes hervorzuheben, ist es deshalb wichtig, eine ehrliche Geschichte zu jedem Produkt zu erzählen. „Dafür ist es unerlässlich, dass der Erzeuger mit seinem Namen und seinem Gesicht hinter dem Produkt steht. Denn das erzeugt beim Verbraucher Emotionalität und Vertrauen“, fasst es Fleischgroßhändler und Landwirt Henner Schönecke aus Neu Wulmstorf in Niedersachsen zusammen.


Mit Brief und Siegel


Wie wichtig sind Qualitätssiegel und -nachweise für den Aufbau einer eigenen Vermarktung?


Antwort: Siegel machen Qualitätsstandards vergleichbar. „Sie dienen uns Erzeugern in der Argumentation als Nachweis dafür, an welchen Kriterien man sich messen lassen muss. Für die Bewerbung der Produkte eignen sich die Qualitätssiegel jedoch weniger gut“, lautet das Fazit von Ferkelerzeuger Peter Georg Witt aus Hemme in Schleswig-Holstein. Und auch die Erfahrungen der Händler zeigen, dass das beste Siegel immer noch das abgebildete Gesicht und der Familienname des Landwirts auf dem Produkt ist.


Mit Fleischqualität punkten


Wie entscheidend ist neben höheren Tierwohlstandards auch ein besserer Fleischgeschmack?


Antwort: „Im Idealfall sollte das angebotene Fleisch nicht nur einen Mehrwert beim Tierwohl bieten, sondern auch ein Genuss für den Gaumen sein“, weiß Händler Peter Dornseifer. Auch die Erfahrung von Henner Schönecke zeigt, dass der Kunde das Tierwohlfleisch beim ersten Mal aufgrund der höheren Haltungsstandards kauft. Das zweite Mal kauft er das Produkt aufgrund des Geschmackserlebnisses.


„Damit das Produkt zum Dauerbrenner wird, muss es sich also geschmacklich unbedingt von der Standardware abheben“, fasst Landwirt Peter Georg Witt zusammen. Ein Beispiel, wie dies gelingen kann, zeigt das von Witt initiierte „Ringelswin“-Projekt (siehe Zusatzinfo auf Seite S31).


Gegenseitiges Vertrauen


Das Vertrauen der Landwirte in den Handel ist angeschlagen. Wie können Erzeuger und Lebensmitteleinzelhandel wieder zueinander finden?


Antwort: Die Händler müssen sich auf ihre Lieferanten, die Landwirte, verlassen. Aber auch die Erzeuger müssen sich darauf verlassen können, dass die Händler ihre Produkte langfristig abnehmen und ihnen faire Preise zahlen. „Viele Bauern zweifeln jedoch an der Beständigkeit der Anforderungen und Zusagen des Handels“, gibt Schweinehalter Peter Georg Witt zu bedenken.


„Gegenseitiges Vertrauen zwischen Händlern und Landwirten ist jedoch der Schlüssel für eine erfolgreiche Vermarktung“, weiß Händler Peter Dornseifer. Hilfreich seien dabei kurze und transparente Wertschöpfungsketten. Händler und Landwirte sind sich einig, nicht darauf warten zu können, dass die Politik die Rahmenbedingungen in der Tierhaltung ändert. Beide Seiten müssen gemeinsam aktiv werden und als Leuchtturmbetriebe mit gutem Beispiel für andere Betriebe vorangehen.


Höhere Standards, höhere Kosten


Höhere Tierhaltungsstandards kosten mehr Geld. Sind die Kunden bereit, dafür langfristig auch mehr zu bezahlen?


Antwort: Gerade in Deutschland sind die Verbraucher beim Fleischeinkauf extrem preisorientiert – zumindest beim Schweinefleisch. „Zwar lassen sich zur Grillsaison für Rindfleisch aus Amerika/Australien zum Teil sehr hohe Verkaufspreise erzielen. Bei Schweinefleisch stößt man jedoch schnell an Grenzen“, sagt Rewe-Händler Lutz Richrath. Denn Schweinefleisch besitzt immer noch das Image der günstigen Massenware, das über Billigangebote jahrelang gefördert wurde und wird.


Nach Meinung der Bauern und Händler wird das Preiseinstiegssegment beim Schweinefleisch auch weiterhin eine Rolle spielen; ebenso wie Fleischersatzprodukte als Marktbegleiter. Damit Tierwohl-Produkte am Markt jedoch eine Chance haben, müssen Händler und Landwirte langfristig enger zusammenarbeiten, die Besonderheiten der Produkte hervorheben und diese auch in Richtung Kunden kommunizieren.


Bis dahin ist es ein langer Weg. Supermarktbetreiber und Erzeuger sind jedoch davon überzeugt, dass sich höhere Haltungsstandards und eine besondere Fleischqualität in Zukunft durchsetzen werden.


Mehrwert fürs ganze Schwein


Ein Schwein besteht nicht nur aus Edelteilen. Wie gelingt es, den kompletten Schlachtkörper von der Schnauze bis zum Schwanz als Tierwohlware zu vermarkten?


Antwort: Die Ganztiervermarktung ist ein schwieriges Thema für die Supermarktbetreiber. Das schließt auch die Wurstvermarktung mit ein. Grundvoraussetzung ist, dass der Wurstabsatz stabil bleibt. Die Händler erhöhen die Mengen an Tierwohlfleisch erst, wenn sich das gesamte Tier vermarkten lässt. Deshalb müssen die Kunden nach Ansicht der Supermarktbetreiber, stärker dafür sensibilisiert werden, dass ein Schwein nicht nur aus Schnitzeln und Filet besteht, sondern auch die Wurst dazu gehört.


„Auch deshalb ist es wichtig, dass die Mitarbeiter hinter der Fleischtheke darüber mit den Kunden ins Gespräch kommen und aufklären“, erklärt Peter Dornseifer. Der Supermarktbetreiber kooperiert aus diesem Grund beispielsweise mit einer Kochschule. Das Thema lautet: „Kochen mit fast vergessenen Teilen“.


caroline.juecker@topagrar.com

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