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„Gleiche Spielregeln für alle“

Lesezeit: 8 Minuten

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Ferkelerzeuger steht auf dem Spiel. Chancengleichheit für alle EU-Schweinehalter fordert der neue EPP-Präsident aus Holland, Gert van Beek.


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Holländische und dänische Sauenhalter dürfen ihre Ferkel selbst betäuben und kastrieren, deutsche Ferkelerzeuger warten weiter auf Rechtssicherheit. Was sagen Sie als Präsident aller europäischen Schweinehalter (EPP) zu dieser Wettbewerbsverzerrung?


van Beek: Ich lehne nationale Alleingänge strikt ab. Für Ferkel, die innerhalb der EU gehandelt werden, müssen die gleichen Produktionsbedingungen und Spielregeln gelten. Sonst bricht in Ländern mit strengeren Vorschriften die Sauenhaltung weg. Diese Gefahr sehe ich momentan vor allem für die deutsche Ferkelerzeugung.


In den Niederlanden wurden sehr schnell praxisnahe Alternativen zur betäubungslosen Kastration zugelassen, in Deutschland diskutieren wir seit Monaten. Was machen wir falsch?


van Beek: Ich glaube, dass die deutschen Bauern wenig falsch machen. Das Problem sind die politischen Machtkämpfe in Deutschland, zwischen denen die Sauenhalter derzeit zerrieben werden. Wenn die Ferkelerzeuger der deutschen Politik wirklich wichtig sind, muss die Bundespolitik jetzt ganz schnell die Koalitionsvereinbarung rechtlich sicher umsetzen.


Man hat den Eindruck, dass die bäuerlichen Interessenverbände in Holland viel besser aufgestellt sind als die deutschen. Richtig?


van Beek: Unser Vorteil ist, dass wir uns bereits vor Jahren neu aufgestellt haben. In Holland werden die Schweinehalter nur noch durch den Produzentenverband POV vertreten. Wir haben zwar nur noch 4000 Mitglieder, durch die starke Bündelung sind wir aber durchsetzungsstark.


Mit Landwirtschaftsministerin Carola Schouten haben wir nur eine einzige Ansprechpartnerin, zu der wir zudem einen direkten Draht pflegen. So verschaffen wir uns insgesamt sehr schnell Gehör.


Kritik gibt es nicht nur beim Thema Kastration, die Veredelung steht insgesamt am Pranger. Wie gewinnen wir die Akzeptanz des Verbrauchers zurück?


van Beek: Indem wir ihm mit einfachen, klaren Botschaften erklären, was wir tun. Wenn ich dem Verbraucher erzähle, dass die Futterverwertung meiner Schweine bei 1:2,5 liegt, kann er damit nichts anfangen. Ich muss ihm sagen, dass ich Getreide verfüttere, das ich bei meiner örtlichen Genossenschaft kaufe. Genauso falsch ist es, mit 30 abgesetzten Ferkeln zu prahlen. Das finde ich als Landwirt vielleicht toll, der Verbraucher aber nicht.


Mehr Verständnis können wir auch wecken, wenn wir im Bereich Social Media besser werden. Ein spannendes Video auf YouTube ist viel effektiver als jede Plakataktion. Gut gemachte Filme werden gerne geklickt.


Die Tierwohl-Wunschliste der Bürger und Tierschützer an die Landwirte ist lang. Welche Forderungen lehnen Sie ab?


van Beek: Ich lehne keine Forderung ab, beim Tierwohl gibt es für mich nach oben keine Grenzen. Von mir aus können wir jedem Mastschwein 2 m2 Fläche zur Verfügung stellen. Entscheidend ist, dass der Verbraucher für zusätzliche Tierwohlmaßnahmen den nötigen Aufpreis zahlt, der dann auch beim Bauern ankommen muss. Wenn der finanzielle Ausgleich nicht erfolgt, ist die Schweinehaltung in Europa bald Geschichte.


Derzeit wird viel über Außenklimaställe geredet. Diese sind zwar tierfreundlich, die Emissionen sind aber größer. Der NH3-Ausstoß in Strohställen liegt z.B. um 2 kg höher. Ist das die Zukunft?


van Beek: Momentan sehe ich das noch nicht, denn in einem geschlossenen Stall ist die CO2-Bilanz insgesamt besser. In einem wärmegedämmten Stall brauchen die Schweine z.B. viel weniger Futter für den eigenen Erhaltungsbedarf. Zudem können wir den Einsatz fossiler Brennstoffe senken, wenn wir noch stärker Solarstrom einsetzen und Systeme zur Wärmerückgewinnung nutzen.


Nichtsdestotrotz sollten wir zum Thema Außenklimastall weiter forschen. Vielleicht finden wir künftig Techniken, mit denen wir auch dieses Haltungskonzept klimafreundlicher gestalten können.


In Nordwestdeutschland wird zu viel Gülle produziert. In Holland hat die Regierung bereits vor 30 Jahren Betriebe aus der Produktion herausgekauft. Das Ziel war, die Tierbestände abzubauen und die Nährstoffüberschüsse zu senken. War das der richtige Weg?


van Beek: Nein, das Programm hat sehr viel Geld gekostet und wirklich gelöst wurde das Gülleproblem in den Hotspots der Veredelung damit nicht. Viel mehr Erfolg haben wir mit der Separation. Daran forschen wir seit 30 Jahren, und die Technik funktioniert immer besser. Wir sollten diesen Weg konsequent weitergehen, denn unter dem Strich haben wir in Europa viel zu wenig Wirtschaftsdünger. Das „Düngerloch“ müssen wir derzeit durch den Zukauf von Mineraldünger aus Übersee schließen. Das ist aus Umweltgesichtspunkten auch nicht sinnvoll.


Gegen einen deutlichen Bestandsabbau spricht auch, dass dann osteuropä-ische Länder die Produktion übernehmen. Aber die sind in puncto Tierwohl und Umweltschutz noch nicht so weit wie wir in Westeuropa.


Stichwort Chancengleichheit: Droht eine Zweiklassengesellschaft in der EU mit hohen Auflagen in Westeuropa und niedrigeren Standards in Osteuropa?


van Beek: Die haben wir schon. Aus meiner Sicht sind die Unterschiede aber zumindest so lange kein Problem, wie wir nur das Fleisch betrachten, das im jeweiligen Land produziert und vermarktet wird. Da kann sich jeder selbst überlegen, welche Standards er für Inlandsware setzt.


Kritisch wird es bei Exportfleisch. Wenn Politik und Tierschützer die Produktionsvorgaben weiter drastisch verschärfen bzw. noch höhere Standards fordern, sind wir in Westeuropa auf Dauer nicht mehr konkurrenzfähig. Es sei denn, der Verbraucher ist mehrheitlich bereit, Fleisch zu kaufen, das nach westeuropäischen Standards produziert wurde. Doch den Willen sehe ich nicht.


Die Zahl der Familienbetriebe geht weiter zurück. Wird es die bäuerliche Tierhaltung bald nicht mehr geben?


van Beek: Das glaube ich nicht, Familienbetriebe sind oft top organisiert. Allerdings wird der klassische Familienbetrieb künftig anders aussehen.


Wie könnte er aussehen?


van Beek: Das Problem des Familienbetriebes mit 200, 300 oder 400 Sauen ist, dass er zu kleine Ferkelpartien anbieten kann. Wenn sich zwei oder drei Landwirte zusammenschließen und gemeinsam Waren ein- und verkaufen, wird das Modell Familienbetrieb auch in Zukunft funktionieren.


Kleinere Einheiten, die aber eng zusammenarbeiten, könnten künftig vor allem dann gefragt sein, wenn Landwirte sich an Tierwohlprogrammen beteiligen. Ich glaube, dass das Thema Bestandsobergrenze bei Labelprogrammen künftig eine große Rolle spielen wird.


Die Strukturen ändern sich nicht nur auf der Ebene der Produzenten, auch bei den Schlachtern nimmt die Konzentration immer weiter zu. Welche Folgen hat das für die Vermarktung, ist die vertikale Integration das Zukunftsmodell?


van Beek: Ob das System der vertikalen Integration die Zukunft ist, kann ich nicht sagen. Klar ist aber, dass wir Landwirte künftig enger zusammen-rücken müssen. Sonst spielen unsere Abnehmer mit uns Katz und Maus. Die integrierte Kettenproduktion kann ein Modell sein, viele Hähnchen- und Kälbermäster fahren sehr gut damit.


Eine Alternative sind Zusammenschlüsse von Bauern, ein gutes Beispiel ist das holländische Friberne-Konzept. Bei diesem verkauft eine Gruppe von Schweinehaltern selbst produziertes Fleisch in einer geschlossenen Kette. Damit im Handel keine Trittbrettfahrer aufspringen und Fleisch unter dem Friberne-Siegel verkaufen, wird in den Fleischtheken mittels DNA-Check stichprobenartig geprüft, ob die Ware tatsächlich von den Friberne-Landwirten stammt. Friberne ist für mich ein gutes Beispiel dafür, wie man mehr Durchschlagskraft gegenüber seinen Abnehmern erreicht.


Holland, Dänemark, Deutschland: Jedes Land wirbt mit eigenen Tierwohl-Labeln um die Gunst der Verbraucher. Brauchen die drei führenden „Veredelungs-Länder“ künftig ein gemeinsames Label?


van Beek: Wenn wir künftig jeden Tag ein Containerschiff voll mit EU-Tierwohl-Schweinefleisch nach Asien oder in andere Regionen exportieren, macht ein gemeinsames EU-Label sicherlich Sinn. Doch so weit sind wir noch nicht. Bislang wird das meiste Fleisch in der EU abgesetzt. Solange das so ist, sind eigene Label der bessere Weg, weil man dann mit Regionalität werben kann. Das ist für den Landwirt am Ende viel wirtschaftlicher als Exportware zu produzieren.


Gehört dem Label-Fleisch die Zukunft?


van Beek: In Westeuropa ja, in Osteuropa auf absehbare Zeit noch nicht.


Die Digitalisierung nimmt auch im Schweinestall zu, weil dadurch z.B. die Rückverfolgbarkeit des Fleisches einfacher möglich ist. Verdrängt der Computer den Bauern aus dem Stall?


van Beek: Keine Angst, der Schweinehalter ist keine aussterbende Spezies. Digitale Technik wie z.B. RFID-Ohrmarkentransponder sind sicherlich wichtig, weil man so den Weg des Schnitzels lückenlos rückverfolgen kann. Die Augen und Ohren des Bauern im Stall sind aber weiter unersetzlich. Und kein Verbraucher würde akzeptieren, wenn die Tiere nicht mehr von Menschenhand betreut werden. Im Gegenteil: Die Forderung der Gesellschaft lautet, dass wir unserer Tiere wieder intensiver beobachten.


Wer Schweinefleisch erfolgreich vermarkten will, muss ein Konzept haben. Wie wichtig ist das Thema Fleischgeschmack?


van Beek: Nachdem wir seit Jahren nur über das Tierwohl diskutieren, rückt jetzt zusehends auch das Thema Geschmack in den Mittelpunkt. Es gibt bereits sehr viele Regionalprogramme, die mit besonderem Fleischgeschmack werben. Die Produzenten suchen dabei nach neuen Alleinstellungsmerkmalen. Ich glaube, dieser Weg lohnt sich. Denn wenn das Fleisch schmeckt, zahlen die Leute dafür mehr. Lecker macht das Geld locker!


Kontakt:


marcus.arden@topagrar.com


henning.lehnert@topagrar.com

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