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Hitzestress per Wärmebild messen?

Lesezeit: 6 Minuten

Hohe Temperaturen belasten Schweine. Neue Wärmebildkameras, die mit dem Smartphone gekoppelt werden, sollen Hitzestress frühzeitig erkennen.


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Deutschland wird im Sommer langsam aber sicher zum Backofen. Die Wetterdienste registrieren immer öfter Hitzetage mit Temperaturen über 25°C. Darunter leiden nicht nur die Menschen, auch bei Nutztieren führt anhaltende Hitze zu Problemen.


Bei Schweinen steigt die Körpertemperatur an heißen Tagen kontinuierlich an, früher oder später überhitzt der Körper schließlich. Die sogenannte Hyperthermie ist für Sauen, Ferkel und Mastschweine gefährlich, da Schweine im Vergleich zu vielen anderen Säugetieren überschüssige Wärme nur sehr schlecht abgeben können. Überhitzt der Körper, fährt der Organismus die Durchblutung der Haut hoch, gleichzeitig sinkt die Durchblutung der lebenswichtigen inneren Organe. Besonders kritisch sind Körpertemperaturen über 42°C. Dann droht der Hitzetod, da schwerwiegende Störungen im Zellstoffwechsel auftreten.


Neue Infrarotkameras im Test


Im Rahmen eines Forschungsvorhabens hat die FH Soest mit Unterstützung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW untersucht, ob neu entwickelte Wärmebild-Aufsteckkameras für Smartphones in der Lage sind, die Hauttemperatur der Schweine beim täglichen Stallrundgang korrekt zu messen. Wäre das möglich, könnte der Landwirt sehr schnell feststellen, ob seine Sauen, Ferkel oder Mastschweine unter Hitzestress leiden. Zusätzlich wurde eine neu entwickelte App getestet, die das rektale Fiebermessen überflüssig machen soll. Zum Einsatz kamen folgende Wärmebild-Kamerasysteme:


  • Die Aufsteckkameras „Seek Thermal Compact“ bzw. „CompactXR“ und das Produkt „Flir OnePro“. Die Geräte wurden mit dem Androidgerät Samsung Galaxy (Serie A5 und S7) sowie dem iPhone (Serie 6 bzw. 7) gekoppelt.
  • Die Kamera „Flir Lepton“, die fest im Cat S61 des Herstellers Caterpillar verbaut ist.


Die Preise für die Aufsteckkamerasysteme liegen zwischen 300 und knapp 500 €, das Handy von Caterpillar kostet inklusive Wärmebildkamera gut 800 €. Die dazugehörigen Apps findet man kostenlos im Apple- bzw. Androidstore.


Wärme- und Digitalbild


Zunächst wurde geprüft, was die verschiedenen Kamerasysteme technisch zu bieten haben. Sehr gut schnitt hier das Aufstecksystem Flir OnePro ab. Das Modell bietet u.a. die Möglichkeit, das Wärmebild vorübergehend wieder in ein normales Kamerabild zurückzuverwandeln. Wurde zum Beispiel ein Aufzuchtabteil mittels Infrarotkamera aufgenommen, kann das Bild später in der Wärmebildgalerie des Handys wieder als Digitalbild betrachtet werden. Dadurch erkennt der Landwirt Umgebungsdetails, Einzeltiere oder sonstige Besonderheiten sehr viel leichter.


Zudem besteht die Möglichkeit, sich die absoluten Temperaturen an bis zu drei Messpunkten anzeigen zu lassen. Wo genau das Gerät messen soll, entscheidet der Landwirt per Fingertipp. Nach der Aufnahme kann der Anwender in der Bildergalerie verschiedene Informationen zu den aufgenommenen Bildern abrufen. Dazu zählen unter anderem das Aufnahmedatum sowie die Minimal- und Maximaltemperatur. Die Messdaten werden in Schritten von 0,1°C dargestellt. Weitere Pluspunkte erhält die Kamera „Flir OnePro“ für den integrierten Akku. Bei voller Akkuladung konnten rund zwei Stunden Wärmebildaufnahmen gemacht werden.


Negativ fiel auf, dass die Einsatzvorbereitung der Kamera viel Zeit in Anspruch nimmt. Vor allem das Aufstecken und die Synchronisation zwischen Kamera und Smartphone dauerte. Oft erkannte das Smartphone das Kamerasystem erst nach mehrmaligem Ein- und Ausschalten. Das Problem trat übrigens sowohl bei Android- als auch bei iOS-Geräten auf.


Bei der im „Caterpillar S61“ integrierten Wärmebildkamera Flir Lepton entfällt die Synchronisation zwischen Handy und Kamera, da die Wärmebildkamera fest im Handy verbaut ist. Das ist praktisch und spart Zeit. Dafür war es nicht möglich, die Wärmebildaufnahme als normales Digitalbild darzustellen. Der Anwender hat lediglich die Möglichkeit, die Farbpalette auf dem Display zu verändern. Dadurch werden einzelne Bildbereiche besser dargestellt bzw. herausgehoben. Die Messdaten werden in 0,1°C-Schritten dargestellt.


Am schlechtesten in puncto Handling schnitten die beiden Wärmebild-Aufsteckkameras von Seek Thermal ab. Bei diesen wird nur ein Wärmebild ohne Digitaldarstellung abgespeichert. Zudem fehlt den Kameras der eigene Akku, sie nutzen für ihre Arbeit den Akku des Smartphones. Je nach Leistung des Smartphoneakkus ist der Energievorrat deshalb bereits nach kurzer Zeit aufgebraucht.


Ein weiteres Manko ist der fehlende Autofokus. Das Scharfstellen der Bilder ist nur manuell per Hand möglich. Zu ungenau ist auch die Anzeige der Messwerte. Die Daten werden nur auf 1°C gerundet dargestellt. Pluspunkte gibt es für die gute Darstellung der Minimal- und Maximaltemperaturen in Echtzeit. Blaue und rote Markierungen im Bild verdeutlichen die Unterschiede gut.


Hohe Messabweichungen


Vor dem Einsatz im Praxisbetrieb wurde überprüft, wie genau die Kamerasysteme die Temperaturen messen. Dazu wurden die Messwerte der Wärmebildsysteme unter Laborbedingungen mit den Werten eines geeichten Schwarzstrahlers bei 50°C Temperatur verglichen. Ergebnis:


  • Bei „Flir OnePro“ betrug die Abweichung im Schnitt +3 bis +8°C.
  • Bei den Modellen von „Seek Thermal“ lagen die durchschnittlichen Abweichungen zur Referenztemperatur zwischen -1 und -9°C.
  • Bei „Flir Lepton“ waren es durchschnittlich -0,3 bis -15,6°C.


Im Test zeigte sich, dass die Entfernung einen erheblichen Einfluss auf das Messergebnis hat. Wie in der Übersicht auf Seite S6 zu sehen, ist die Messgenauigkeit bei einem Abstand von 30 cm zum Messpunkt bei allen getesteten Systemen am höchsten. Bei größeren Entfernungen nimmt die Genauigkeit bei allen Geräten aber deutlich ab. Besonders negativ fiel das „Cat S61“ mit der integrierten Flir Lepton-Wärmebildkamera auf. Bei 3 m Entfernung zeigt die Kamera 35°C Temperatur an. Die Abweichung zum vom Schwarzstrahler erzeugten Temperaturwert beträgt damit satte 15°C.


Messgenauigkeit mangelhaft


Im Anschluss an die Laboruntersuchungen wurden die Wärmebild-Kamerasysteme in mehreren Praxisbetrieben eingesetzt. Dabei zeigte sich, dass Messungen in der Ferkelaufzucht generell schwierig sind, weil sich in den Buchten externe Wärmequellen mit großer Heizleistung befinden. Diese strahlen viel Wärme in alle Richtungen ab. Das führt dazu, dass die Körperoberfläche der Ferkel aufgeheizt wird. Auch ein enger Körperkontakt zwischen den Tieren verfälscht die Messergebnisse. Mit ähnlichen Problemen ist in der Mast zu rechnen.


So gut wie keine störenden Einflüsse gibt es bei der Temperaturerfassung der Körperoberfläche im Abferkelstall. Die laktierenden Sauen stehen hier einzeln im Ferkelschutzkorb. Trotzdem war das Fazit ernüchternd. Bei der Auswertung der Messergebnisse zeigten sich zwar lineare Zusammenhänge zwischen den Infrarotmessungen und der Rektaltemperatur, die Abweichungen waren aber statistisch abgesichert viel zu hoch. Die tatsächliche Körpertemperatur unterschied sich deutlich von den Messwerten.


Festzuhalten ist, dass auch neu entwickelte Aufsteckkameras für Smartphones nicht in der Lage sind, die Körpertemperatur beim Schwein korrekt zu messen. Hitzestress beim Schwein lässt sich mit solchen Geräten nicht erkennen. Geeignet sind die Systeme höchstens für die Überprüfung der Temperatur im Ferkelnest oder um Baumängel wie zum Beispiel Kältebrücken im Stallabteil bzw. Fehler an technischen Geräten zu finden.


marcus.arden@topagrar.com

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