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„Hohe Leistungen allein sind nicht die Zukunft“

Lesezeit: 7 Minuten

Warum Spaniens Schweinehalter Verbrauchern mehr Einblick in ihre Produktion gewähren sollten, warum künftig nicht mehr nur die Leistung zählt und was die Thermodesinfektion leistet, haben wir bei der OPP-Group erfahren.


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Für viele Sauenhalter ist die Zahl der abgesetzten Ferkel pro Sau und Jahr nach wie vor die alles entscheidende Produktionskennzahl. Das ist kein Wunder, schließlich hängt hiervon maßgeblich der wirtschaftliche Erfolg des Betriebes ab. „Genauso habe ich früher auch gedacht. Doch inzwischen sind für mich die Themen Tiergesundheit, Tierwohl, Fleischqualität und Produktsicherheit viel wichtiger. Hohe Leistungen allein sind nicht die Zukunft“, betont Dr. Joan Sanmartin Suñer.


Der gelernte Tierarzt ist Gründer der spanischen OPP-Group. OPP steht für „Optimal Pork Production“, das Unternehmen gehört zur spanischen Piensos Costa-Gruppe. In der Integration stehen 120000 Sauen in 650 Betrieben.


Kunde gibt die Richtung vor


Der Auslöser für das Umdenken von Joan Sanmartin Suñer war ein verändertes Verbraucherverhalten, das er beobachtete. „Der spanische Verbraucher achtet beim Einkauf im Supermarkt immer mehr darauf, wie das Schwein beim Landwirt gehalten wurde und ob das Stück Fleisch oder die Wurst gesundheitlich unbedenklich ist. Wir müssen dem Rechnung tragen, die Produktqualität optimieren und die Haltungsform unserer Schweine überdenken. Denn nur wenn die Produktion im Einklang mit den Wünschen unserer Kunden steht, werden wir erfolgreich sein“, ist der spanische Unternehmer sicher.


Suñer ist zudem davon überzeugt, dass sich die Betriebe gegenüber dem Verbraucher viel stärker öffnen müssen. „Wir Landwirte müssen künftig wie Spitzenrestaurants arbeiten. In Edelrestaurants werden die Gerichte in offenen, vom Besucher jederzeit einsehbaren Küchen zubereitet“, zieht Suñer einen Vergleich zur Spitzengastronomie.


Dass der Tierarzt seine Vorstellungen nicht nur in schöne Worte fasst, sondern auch danach handelt, hat Suñer bereits bewiesen. Vor zehn Jahren baute er die Albesa Ramadera Farm mit gut 3300 Sauen in der Nähe der spanischen Stadt Lleida auf. Die Farm dient einerseits zur Schulung landwirtschaftlicher und tierärztlicher Fachkräfte und steht Masterstudenten für Forschungszwecke offen. Andererseits lädt Suñer regelmäßig Verbraucher ein, die sich vor Ort ein Bild von der Produktion machen können.


Damit trotz des hohen Besucheraufkommens keine Krankheitskeime in den Betrieb eingeschleppt werden, hat sich der Tierarzt dazu entschlossen, die Gäste virtuell durch seinen Betrieb zu führen. Das funktioniert wie folgt: Die Besuchergruppe sitzt oberhalb des Wartestalls in einem geschlossenen Schulungsraum. Per Funkverbindung delegieren die Gäste einen Mitarbeiter des Unternehmens durch den Stall, der eine Videokamera in der Hand hält. Dieser filmt die Stallbereiche, die die Besucher zu sehen wünschen. Fragen beantworten Dr. Suñer und sein Team direkt. „Dadurch, dass wir uns gegenüber dem Verbraucher öffnen und ihm zeigen, wie wir produzieren, geben wir unseren Produkten ein Gesicht. Und deshalb sind wir auch so erfolgreich“, ist Suñer stolz auf das bislang Erreichte.


Besonders gut kommt bei den Besuchern die Gruppenhaltung im Wartestall an. Suñer war einer der ersten spanischen Unternehmer, die auf Gruppenhaltung umgestellt haben. „Meine Abnehmer forderten von mir neue Ansätze für mehr Tierwohl“, erinnert sich der Unternehmer.


Thermodesinfektion der Lkw


Momentan probieren Dr. Suñer und sein Team die Gruppenhaltung im Abferkelstall aus. Fallen die Ergebnisse nach der Testphase positiv aus, wollen sie beim nächsten größeren Umbau auch hier die Haltungsform ändern. Die erste wichtige Erkenntnis ist, dass die Gruppenhaltung im Abferkelstall nur in stabilen Sauengruppen funktioniert. In Wechselgruppen herrscht zu viel Unruhe. Und das ist gerade rund um den Geburtszeitraum Gift für die Sauen. ▶


Besonders großen Wert legt Tierarzt Suñer auf das Thema Antibiotikareduktion. „Antibiotika gehören nicht in die Fleischproduktion, sie sollten der Humanmedizin vorbehalten bleiben, sagen mir Verbraucher häufig“, berichtet Veterinärmediziner Suñer.


Um den Antibiotikaverbrauch zu senken, setzt er auf den Ausbau der Biosicherheit. „Das Infektionsrisiko sinkt um 85%, wenn wir die Betriebe nach außen richtig abschotten“, hat Suñer herausgefunden. Zur Abschottung gehören für ihn zuerst die klassischen Maßnahmen wie Einzäunung, Hygieneschleuse, Schadnagerbekämpfung usw.


Darüber hinaus hält der Tierarzt die Fahrzeugdesinfektion für wichtig. „Wir wissen, dass zum Beispiel PRRS-Viren hauptsächlich über Transportfahrzeuge verbreitet werden“, erklärt Suñer. Doch leider ist die Desinfektion der Fahrzeuge schwierig. Chemische Desinfektionsverfahren sind nicht 100%ig sicher, da es zu Verdünnungseffekten kommen kann, die Einwirkzeiten oft zu kurz sind und die Mittel gerade bei niedrigen Temperaturen oft nicht richtig wirken. Hinzu kommt, dass chemische Mittel die Umwelt belasten können.


Suñer hat deshalb ein thermisches Desinfektionsverfahren für Fahrzeuge entwickelt, dass sogenannte DrySist-Verfahren. Bei diesem wird der Lkw zunächst gründlich mit Wasser gewaschen, anschließend fährt er in eine Thermobox. Dort wird das Fahrzeug 30 Minuten lang auf mindestens 70°C aufgeheizt. Mehrere Infrarot-Thermokameras überwachen den Prozess. Zusätzlich wird ein Desinfektionsmittel versprüht, das in schwer zugängliche Bereiche des Lkw wie z.B. die Achslager eindringt.


Nach der Thermodesinfektion erhält der Fahrer per Mail einen elektronischen Beleg auf sein Handy, das er an seinen nächsten Kunden weiterleiten kann. „Für mich ist die Thermodesinfektion der wichtigste Schlüssel bei der Antibiotikareduktion, weil wir damit Infektionsketten effektiv unterbrechen können“, ist Suñer von dem System überzeugt. Mittlerweile wird das Verfahren auch in Häfen zur Dekontamination von Seecontainern eingesetzt.


Dass Suñers Konzept zu funktionieren scheint, beweist die Tatsache, dass in einem Forschungsprojekt der OPP-Group mit 20000 Sauen bereits 85% der Mastschweine ohne Antibiotikaeinsatz aufgewachsen sind.


Künstliche Intelligenz nutzen


Den Anteil der antibiotikafrei produzierten Schweine will der spanische Unternehmer in Zukunft deutlich erhöhen. Wichtig ist Suñer dabei, dass er Zahlen an die Hand bekommt, die ihm zeigen, ob die Maßnahmen greifen. Die OPP-Group hat dazu extra ein Expertenteam mit der Entwicklung eines Management-Softwaresystems beauftragt, mit dem alle wichtige Daten papierlos erhoben und gespeichert werden können. Das sogenannte „Farm‘s Mother-System“ ist ein webbasiertes Tool, in das u.a. Fütterungs-, Klima- und Gesundheitsdaten einfließen.


Besonders stolz ist Tierarzt Suñer auf die V-Etic-Spritze, die er gemeinsam mit dem deutschen Spritzenhersteller Henke-Sass, Wolf entwickelt hat. Bei V-Etic wird jede Behandlung elektronisch aufgezeichnet und in einer Datenbank gespeichert. Tragen die Tiere eine elektronische Ohrmarke, verknüpft das System die Tiernummer und die Behandlung. „Dank der elektronischen Aufzeichnungen wissen wir immer mit 100%iger Sicherheit, welches Tier wir wie behandelt haben. Gleichzeitig sinkt die Arbeitszeit, und die Elektronik liefert uns die Belege, die wir für Kontrollbehörden brauchen“, freut sich Suñer.


Beim Thema Elektronikeinsatz sieht Joan Sanmartin Suñer die Landwirtschaft noch ganz am Anfang der Entwicklung. Er und sein Team denken bereits weiter, sie befassen sich seit einiger Zeit intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Ihr Ziel ist, dass bestimmte Entscheidungsstrukturen des Menschen vom Computer nachgeahmt werden. „Ich möchte unsere Computer künftig so programmieren können, dass sie Probleme im Stall auch nachts selbstständig erkennen und lösen“, so Suñer.


Potenzial sieht der Tierarzt vor allem beim Thema intakter Ringelschwanz. „Wenn wir mithilfe von intelligenten, computergestützten Kameraüberwachungssystemen Schwanzbeißprobleme künftig frühzeitiger erkennen als heute, kommen wir bei diesem heiklen Thema einen großen Schritt voran. Intelligente Computer können z.B. das Stallklima zu jeder Zeit selbst nachjustieren, das Angebot an Beschäftigungsmaterial verändern oder den Landwirt umgehend über sein Smartphone warnen, wenn sich Probleme anbahnen“, gibt Suñer Einblicke in seine Zukunftsvision.


marcus.arden@topagrar.com


marcus.arden@topagrar.com


In Spanien ist das Integratorenmodell die klare Nummer 1. Doch wie rechnen die Integratoren mit den Landwirten ab und wohin entwickelt sich Spaniens Schweinehaltung in Zukunft? Alle Infos dazu lesen Sie in der top agrar-Ausgabe 12/2019 ab Seite S 4.

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