Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Influenzaviren haben oft die Finger im Spiel

Lesezeit: 7 Minuten

Influenzaviren können an verschiedenen Erkrankungen beteiligt sein. Der folgende Praxisfall zeigt, dass man dem wahren Verursacher oft nur mit detektivischem Gespür auf die Schliche kommt.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Influenza ist zurzeit die häufigste und bedeutendste Virusinfektion, mit der wir in unserer Schweinepraxis zu kämpfen haben“, bringt es Dr. Alexander Maas auf den Punkt. Maas ist einer der beiden Geschäftsführer der Praxis Vivet in Geseke in Ostwestfalen.


Das Tückische sei, so Maas, dass sich das Krankheitsbild der Influenza in den letzten Jahren deutlich verändert habe. Sie komme inzwischen nicht mehr nur saisonal vor, sondern ganzjährig. Zudem treten die klassischen Verlaufsformen zunehmend in den Hintergrund. Immer häufiger beobachten Dr. Maas und seine Kollegen stattdessen schleichende, unauffällige Verläufe.


Influenza als Wegbereiter


Oftmals schwächen die Influenzaviren (SIV) das Immunsystem der Schweine dabei so stark, dass andere Erreger wie PRRS- und Circoviren oder bakterielle Keime wie Streptokokken plötzlich wieder große Probleme bereiten – Erkrankungen, die man durch Impfungen und hohe Biosicherheitsstandards längst im Griff zu haben glaubte.


Das macht auch die Ursachensuche so schwierig. Welcher Erreger ist die Henne und welcher das Ei? Welcher Erreger verursacht tatsächlich die Probleme, und welcher Keim ist dafür nur der Wegbereiter? Das gilt auch für den folgenden Praxisfall. Im Frühjahr 2020 kam ein größerer Ferkelvermarkter aus der Region auf die Vivet-Tierärzte zu. Der Vermarkter vermittelt seit etlichen Jahren Ferkel aus einer Sauenanlage in Sachsen-Anhalt mit 1 700 Sauen an zehn bis 15 Mäster in NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.


Die Sauenanlage gibt die Tiere bereits als Babyferkel ab. Der Vermarkter transportiert sie dann zu sechs Ferkelaufzuchtbetrieben in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie Thüringen und vermittelt die Mastläufer später an die Mastbetriebe.


Massive Atemwegsprobleme


Das arbeitsteilige System funktionierte lange Zeit ohne größere Probleme. In letzter Zeit kam es in einem der Aufzuchtbetriebe jedoch zu massiven Atemwegsproblemen. Die Tiere husteten bellend. Im fortgeschrittenen Stadium folgten Krankheitssymptome, die auf eine Circoinfektion schließen ließen. Die Tiere kümmerten, und die Verlustrate stieg auf bis zu 7%. Auch die Haut-Nierenform (PDNS) der Erkrankung war zu beobachten.


In den nachgeschalteten Mastbetrieben setzten sich die Probleme fort. In den Blutproben, die der betreuende Tierarzt zog, wurde eine hohe Circo-Viruslast vom Typ PCV2b nachgewiesen, obwohl die Ferkel in der Sauenanlage gegen PCV2 geimpft worden waren.


„Auffallend war, dass aber auch die anderen Aufzucht- und einige Mastbetriebe über leichte Atemwegsprobleme berichteten“, erinnert sich Dr. Maas. Nichts dramatisches, die Verluste waren nicht erhöht, aber die Tiere waren gesundheitlich nicht so stabil wie man das gewohnt war. Das Problem war, dass fast alle Betriebe in der Kette von anderen Tierärzten betreut wurden.


Um der Sache auf den Grund zu gehen, wandte sich der Vermarkter deshalb an die Tierärzte in Geseke. Sie sollten als „neutrale Instanz“ herausfinden, ob die Ferkelvermarktungskette ein grundsätzliches PCV2-Problem hat. Der Vermarkter wollte wissen, ob die Ursache vielleicht schon beim Ferkelerzeuger zu suchen sei und ob er langfristig noch mit dem Sauenhalter zusammenarbeiten könne.


Befunde ausgewertet


Im ersten Schritt wertete Dr. Maas die von den Berufskollegen vorliegenden Befunde aus. Ergebnis: Alle waren PRRS- und APP-negativ. Die aus einem Aufzuchtbetrieb und von mehreren Mastbetrieben vorliegenden Untersuchungsergebnisse wiesen eine hohe PCV2-Viruslast auf. Influenzaviren ließen sich hingegen nur in einem Aufzuchtbetrieb nachweisen. Von fünf Proben war nur eine einzige positiv.


Daraufhin besuchte der Tierarzt einen der betroffenen Mäster. Er berichtete, dass die Mastläufer kurz nach der Anlieferung akute Atemwegsprobleme hatten. Etliche Tiere verendeten sogar, einige mit deutlichen PDNS-Symptomen. „Bis zu meinem Besuch hatten sich die Tiere zwar halbwegs wieder erholt. Einzelne Schweine blieben in ihrer Entwicklung jedoch deutlich zurück“, erinnert sich Dr. Maas.


Um zu klären, ob es in der Vermarktungskette ein generelles Circoproblem gab, zog Dr. Maas daher in allen Aufzuchtbetrieben am Ende der Flatdeckphase Blutproben und ließ sie auf PCV2 untersuchen. Auch die beim Ferkelerzeuger am Ende der Säugephase gezogenen Blutproben gehörten dazu. Die Laborergebnisse zeigten, dass Circoviren kein generelles Problem in der Kette waren. Denn nur in dem bereits bekannten Aufzuchtbetrieb 1 ließ sich PCV2b nachweisen. Der Ferkelerzeuger impfte zudem sowohl gegen Circoviren und Mykoplasmen.


Immunsystem massiv gestört


„Wir kamen deshalb zu dem Schluss, dass Circoviren nicht die Ursache für das unterschwellige Hustenproblem sein können“, berichtet der Geseker Tierarzt. „Wir vermuteten vielmehr, dass das Immunsystem der Tiere zum Zeitpunkt der Impfung durch andere Erreger so weit beeinträchtigt war, dass die Impfung nicht 100-%ig wirkte.“


Doch welche Erreger kamen dafür infrage? PRRS-Viren konnten es nicht sein, denn die wurden in keiner Probe nachgewiesen. „Bei allen weiteren Untersuchungen haben wir uns daher auf das Influenzavirus konzentriert“, schildert Dr. Maas das weitere Vorgehen.


Im dritten Schritt galt es zu klären, ob die Influenza in allen Produktionsstufen eine Rolle spielt und ob sich in allen Betrieben der Kette der gleiche Virustyp nachweisen ließ. Alle vorhandenen Proben aus den Aufzucht- und Mastbetrieben wurden daraufhin noch einmal auf Influenzaviren untersucht.


Und siehe da: In allen Aufzuchtbetrieben ließen sich am Ende der Flatdeckphase SIV-Antikörper nachweisen. Die Typisierung ergab jedoch kein eindeutiges Bild. Es wurden sowohl Antikörper gegen den Virusstamm H1N1 als auch gegen die pandemische Variante H1pdmN1 gefunden.


Influenza in der Sauenherde


„Wir konnten in allen Aufzuchtbetrieben Influenzaviren nachweisen, obwohl die Ställe teilweise hunderte von Kilometern voneinander entfernt lagen. Das erhärtete den Verdacht, dass das Krankheitsgeschehen doch beim Ferkelerzeuger seinen Ursprung hatte“, so Dr. Mass.


Im letzten Schritt besuchte der Tierarzt dann den Ferkelerzeuger in Sachsen-Anhalt mit seinen 1700 Sauen. „Es handelte sich um eine bestens geführte Anlage mit hohem Biosicherheits- und Gesundheitsstandard“, erinnert sich Dr. Maas. Der Bestand war PRRSV- und APP-frei. Alle Ferkel wurden während der Säugephase gegen Mykoplasmen und PCV2 geimpft. Außerdem erhielten die Sauen eine Rotlauf- und eine Impfung gegen stallspezifische Erreger.


Gegen Influenza wurden die Sauen bis zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geimpft. Lediglich die Jungsauen erhielten während der Eingliederungsphase eine Impfung mit „Respiporc FLU3“, dem Dreifachimpfstoff gegen die Influenzastämme H1N1, H2N3 und H1N2.


Klinisch war der Bestand unauffällig. Keine einzige Sau hustete. Nur einzelne Saugferkel, die kurz vor dem Verkauf standen, zeigten leichte Hustenerscheinungen. Mithilfe von Kaustricken ließ Maas bei den Saugferkeln sowie in einem 300 km entfernten Aufzuchtbetrieb, der ebenfalls zur Anlage gehörte, Speichelproben gewinnen und auf verschiedene Influenzastämme untersuchen. Außerdem wurden bei 20 Sauen stichprobenartig Blutproben gezogen.


Drei der 20 Sauenblutproben erwiesen sich als auffällig. Die Titer des pandemischen Virus waren hier höher als die der anderen Influenzastämme. Darüber hinaus konnte bereits bei den Saugferkeln SIV nachgewiesen werden. Und auch in der Aufzucht bei den sechs bis acht Wochen alten Ferkeln wurden die Labormitarbeiter fündig. Auch hier handelte es sich um die pandemische Variante. „Somit stand für mich fest, dass die Hustenprobleme im Sauenbestand ihren Ursprung hatten“, so Maas.


In Abstimmung mit dem Anlagenleiter ließ er daher die gesamte Sauenherde mit „Respiporc FLUpan H1N1“ impfen, der Vakzine gegen die pandemische Variante. Da die Aufzuchtbetriebe im Rein-Raus-System gefahren wurden, waren bald erste Erfolge sichtbar. Sowohl der Husten als auch die Circoprobleme verschwanden wieder.


Das Fazit von Dr. Maas: „Die Influenza kann das Immunsystem der Schweine so stark schädigen, dass andere Infektionskrankheiten wieder aufflammen.“ Dazu gehören PRRS- und Circo- ebenso wie Streptokokkeninfektionen. „Bei jedem nicht eindeutigen Krankheitsgeschehen müssen wir daher auch immer die Influenza als möglichen Auslöser in Betracht ziehen“, so Dr. Maas. Allerdings lasse sich die pandemische Variante oft schwer nachweisen.


Biosicherheit beachten!


„Die Influenzaimpfung der Schweine ist wichtig. Mit ihr allein bekommen wir das Virus, das auch über die Luft übertragen wird, aber nicht in den Griff“, ist Dr. Maas überzeugt. Mindestens ebenso wichtig seien Hygiene- und Biosicherheitsmaßnahmen wie ein striktes Rein-Raus, eine sorgfältige Reinigung und Desinfektion, das Optimieren der Arbeitsabläufe sowie ein gelenkter Tierverkehr, der das Überschneiden von Treibe- und Transportwegen konsequent vermeidet.


Bei der pandemischen Virusvariante komme hinzu, dass das Virus jederzeit auch vom Mensch auf die Schweine übertragen werden kann. Tagtäglich bestehe daher die Gefahr, dass der Erreger vom Betriebsleiter oder einem Mitarbeiter eingeschleppt wird. „Grippeimpfungen im Herbst sollten deshalb für das gesamte Stallpersonal Pflicht sein. Und Betreuer mit Grippesymptomen haben im Stall nichts zu suchen!“, appelliert Dr. Maas an alle, die im Schweinestall tätig sind.


henning.lehnert@topagrar.com

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.