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Kastration mitlokaler Betäubung

Lesezeit: 6 Minuten

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Bei jeder Alternative zur betäubungslosen Kastration lässt sich ein Haar in der Suppe finden:


  • Die Ebermast scheint mengenmäßig schon jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht zu haben. Das zeigen die jüngsten Preisabschläge für Eber deutlich;
  • Bei der Impfung gegen Ebergeruch bleibt – abgesehen vom zusätzlichen Aufwand – die Skepsis, ob der Verbraucher das Verfahren wirklich akzeptiert;
  • Bei der Inhalationsnarkose mit Isofluran gibt es nach wie vor große rechtliche Hürden;
  • Und die Vollnarkose per Nadel ist hinsichtlich der Praktikabilität nur bedingt für den breiteren Einsatz nutzbar.


Deshalb ist es für die deutschen Ferkelerzeuger – insbesondere für die kleineren Betriebe – wichtig, jede mögliche Lösung weiterzuentwickeln. Es wäre fahrlässig, die Kastration von Ferkeln unter Lokalanästhesie, den sogenannten 4. Weg, von vornherein auszuschließen.


Woher kommen die Vorbehalte? In Norwegen und Schweden ist die Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration bereits gang und gäbe. Und wenn es die Landwirte in Schweden hinbekommen, die Spritze für die örtliche Betäubung nach einer Schulung vorschriftsmäßig selbst zu setzen, sollte das sicherlich auch deutschen Ferkelerzeugern gelingen!


Bei anderen Themen zum Tierschutz, wie z.B. beim Kupierverzicht, wird Schweden immer wieder als Vorbild genannt. Ausgerechnet beim Kastrationsverfahren soll das jetzt plötzlich anders sein?


Auch Dänemark will die lokale Betäubung durch den Landwirt vorantreiben. Und in den europäischen Arbeitsgruppen zur Ferkelkastration wird immer stärker auf die Lokalanästhesie gesetzt. Nicht auszudenken, welche Marktverwerfungen es geben wird, wenn die Lokalanästhesie bei uns geblockt, bei unseren Nachbarn aber zugelassen wird.


Auch gegenüber dem Verbraucher lässt sich die Lokalanästhesie gut kommunizieren. Denn jeder hat schon mal eigene Erfahrungen mit der örtlichen Betäubung gemacht, beim Zahnarzt oder bei anderen ärztlichen Eingriffen.


Zugegeben: Bei der Frage nach der Wirksamkeit geben die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse zur Lokalanästhesie keinen Grund zur Euphorie. Doch sind die Ergebnisse repräsentativ bzw. vergleichbar? Erstens ist umstritten, wie man Schmerz richtig misst. Und zweitens kamen in den bisherigen Untersuchungen unterschiedliche Mittel und Verabreichungsformen zum Einsatz.


Bleibt die Frage der Zulassung: Für die lokale Betäubung beim Schwein steht – wenn auch nicht für diesen Einsatzzweck – in Deutschland bereits jetzt der Wirkstoff Procain zur Verfügung. Und im Klein- und Haustierbereich sowie bei Pferden wird der Wirkstoff Lidocain erfolgreich eingesetzt. Während beim Procain lediglich eine Indikationserweiterung vorgenommen werden müsste, damit das Mittel durch den Landwirt eingesetzt werden darf, wäre der Weg für das Lidocain bis zur Zulassung beim Schwein sicherlich beschwerlicher.


In früheren Untersuchungen wurden die Narkosemittel direkt in den Hoden verabreicht. Inzwischen setzt man darauf, sie neben die Hoden und Samenstränge ins Gewebe zu injizieren. Das ist deutlich weniger schmerzhaft für die Tiere.


Mit anderen Worten: Es gibt noch viel Klärungsbedarf rund um die lokale Betäubung. Wichtig ist, dass Landwirte, Tierärzte und Politiker dazu an einem Strang ziehen! Wir sollten uns nicht von vornherein bestimmten Verfahren verschließen, die sich anderswo bewährt haben. Denn jede einseitige Verschärfung würde die Wettbewerbsfähigkeit der ohnehin gebeutelten deutschen Ferkelerzeuger weiter verschlechtern.


Auf der Suche nach Alternativen zur betäubungslosen Kastration stützt sich die Hoffnung der Landwirte jetzt auf den 4. Weg, die Kastration mit lokaler Betäubung. Das Verfahren ist aber umstritten, denn man muss davon ausgehen, dass bereits die Injektion Schmerzen verursacht und der Kastrationsschmerz nicht bei allen Tieren kontrolliert werden kann.


Zur Erklärung: Vor dem Kastrieren werden den Ferkeln 0,5 ml eines Lokal-anästhetikums verabreicht, möglichst in die untere Hälfte des Hodens. Man(n) sollte sich klar machen, dass der Hoden der kleinen Ferkel insgesamt nur ein Volumen von etwa 1 ml aufweist. Es werden also rund 50% des Gewebes durch die Injektion verdrängt.


Zur Betäubung der Schnittstelle wird das Mittel zusätzlich in die Haut des Hodensäckchens und/oder in den Samenstrang oberhalb der Leistenspalte der Ferkel injiziert. Bislang ist für die Anwendung beim Schwein nur das verhältnismäßig schwach wirksame Procainhydrochlorid zugelassen, dessen Schmerzausschaltung zudem erst nach 5 bis 10 Minuten einsetzt. Eine nach Tierschutzgesetz notwendige Zulassung für die Ferkelkastration gibt es bislang nicht.


Mit dem Lidocainhydrochlorid steht zwar auch ein Mittel zur Verfügung, dass bereits nach 1 bis 5 Minuten wirkt. Lidocain ist bislang aber nicht für die Anwendung beim Schwein zugelassen. Und ob es sich für eine Pharmafirma lohnt, das teure Zulassungsverfahren zu durchlaufen, ist fraglich.


Fakt ist, dass die Anwendung der Lokalanästhesie im Hodengewebe sowie in der Haut zu einem Anstieg des Stresshormons Serumcortisol führt. Der Wert ist sogar deutlich höher als bei der bislang üblichen betäubungslosen Kastration, wie Untersuchungen der Schweineklinik in München zeigen.


Hier wurde 2007 unter anderem die Gewebeverträglichkeit der beiden Medikamente geprüft. Das für die Anwendung beim Schwein zugelassene Procain reizt danach das Gewebe aufgrund seines niedrigen pH-Wertes noch stärker als Lidocain. Es entsteht ein brennender Schmerz, der bis zum Einsetzen der lokalen Betäubung spürbar ist. Und obwohl das Lidocain deutlich gewebeverträglicher ist, war auch hier der Stresshormonspiegel eine Stunde nach dem Kastrieren signifikant erhöht.


Das zeigt, dass die lokale Betäubung zu einer starken Stressreaktion führt und das Verfahren daher keine wirkliche Alternative zur Kastration in Vollnarkose ist – egal, welchen Wirkstoff man dabei verwendet. Die scheinbar simple Durchführbarkeit der örtlichen Betäubung entsprechend den derzeit laufenden Versuchen mit einer Injektion in die Schnittstelle am Scrotum und in den Samenstrang beruht auf einem Irrtum oder soll den Verbraucher sogar bewusst täuschen.


Zum Kastrieren müssen die Ferkel sicher fixiert und die Injektionsstelle gereinigt bzw. desinfiziert werden. Allein das löst schon erheblichen Stress aus. Zudem ist es aufgrund der anatomischen Verhältnisse bei Ferkeln, die noch keine 7 Tage alt sind, nicht einfach, den Samenstrang richtig zu treffen und hier eine fach- und tierschutzgerechte lokale Betäubung durchzuführen.


Beinahe zwangsläufig trifft man bei der Injektion versehentlich auch den Hoden selbst. Und es besteht die Gefahr, dass Lokalanästhetikum in die dortigen Blutgefäße zu spritzen. Dadurch kann es zu einer extremen Kreislaufbelastung und zu Todesfällen bei den Ferkeln kommen.


Das alles zeigt, dass die Anästhesie zur Kastration – auch die örtliche Betäubung – wie in Norwegen in der Hand des Tierarztes bleiben muss!


„Es ist fahrlässig, den 4. Weg von vornherein auszuschließen.“


„Die Anästhesie muss in der Hand des Tierarztes bleiben!“

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