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Kastrieren ohne Stress

Lesezeit: 5 Minuten

Wie praktikabel ist die Kastration männlicher Ferkel unter Vollnarkose mit dem Narkosegas Isofluran? Familie Ries aus Südhessen hat das Narkosegerät „Porc-Anest 3000“ in ihrem Stall getestet. Ramona Schneichel schildert die Erfahrungen.


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So entspannt und stressfrei haben wir noch nie kastriert“, sagt Susanne Ries, die einen Familienbetrieb mit 300 Sauen im Wochenrhythmus im südhessischen Münster bei Dieburg bewirtschaftet.


Schon seit längerem verfolgt sie die Diskussionen über das Ende der betäubungslosen Kastration und über die möglichen Alternativen für die Zukunft. Gemeinsam mit Berater Wilfried Brede vom Serviceteam Alsfeld (STA) und den bestandsbetreuenden Tierärzten der Tierklinik Dr. Schneichel hat sie jetzt das Betäuben der Ferkel mit Isofluran getestet. Da das Arzneimittel derzeit noch nicht für die Anwendung bei Schweinen zugelassen ist, wurde es für den Einsatz bei der Kastration umgewidmet. Zudem muss nach deutschem Recht bei der Narkose ein Tierarzt anwesend sein.


30 Sekunden mehr pro Wurf:

Susanne und Thomas Ries teilen sich die Arbeit im Abferkelstall. Jede Woche werden bei durchschnittlich 170 Ferkeln am fünften Lebenstag folgende Maßnahmen durchgeführt: Schmerzmittelgabe bei den männlichen Ferkeln 15 bis 30 Minuten vor dem Kastrieren, Eisen-Injektion und Mykoplasmen-Impfung bei allen Ferkeln, Kastrieren der männlichen Ferkel im Kastrationsständer mit Emaskulator, einem Gerät zum Abquetschen der Hoden und der Nadelwechsel bei den drei Spritzen. Der Zeitaufwand für die oben genannten Arbeitsschritte liegt bei knapp acht Minuten pro Wurf. „Nun wollten wir natürlich wissen, wie es aussieht, wenn wir die Ferkel betäuben“, sagt die Landwirtin. Die Betäubung erfolgte mit dem Inhalations-Narkosegerät „Porc-Anest 3000“, das über drei Ferkelplätze verfügt (siehe Kasten auf Seite S24). Das aus der Schweiz stammende System wird in Deutschland von der niedersächsischen Raiffeisen-Warengenossenschaft Heidesand eG vermarktet.


Kein Zappeln, kein Schreien:

Nach einer technischen Einweisung durch Vertriebsleiter Lutz Lütjens und der fachlichen Unterweisung durch den Tierarzt startete Ferkelerzeugerin Ries mit ihrem Mann Thomas den ersten Durchgang. Schnell hatten sich die beiden mit dem Narkosegerät angefreundet. Der Arbeitsablauf sah mit Porc-Anest wie folgt aus: Schmerzmittelgabe bei den männlichen Ferkeln 15 bis 30 Minuten vor dem Kastrieren, Einspannen der Ferkel in das Narkosegerät und nach jeweils 90 Sekunden Betäubungszeit Kastrieren mit dem Emaskulator. Alle anderen Maßnahmen wie die Eisengabe und die Mykoplasmenimpfung erfolgten wie bisher.


Das Fixieren der Ferkel in den Halterungen am Narkosegerät stellte für die Sauenhalter kein Problem dar. „Wir spannen die Tiere in normaler Körperhaltung ein und drehen sie danach in Rückenlage“, erläutert Susanne Ries.


Sobald das Ferkel inklusive Betäubungsmaske in das Gerät geschoben wird, löst ein Kontakt aus und das Isofluran-Luftgemisch strömt in die Maske. 90 Sekunden lang atmen die Tiere das Gemisch ein, dann sind sie betäubt. Auf einem Display hat man die Narkosedauer immer im Blick.


„Das Kastrieren ist aufgrund der absolut ruhigen Lage der Ferkel stressfrei für Mensch und Tier“, lobt die Sauenhalterin. Kein Zappeln, kein Schreien oder sonstige Störungen beeinflussen den Arbeitsgang. „Somit ist die Gefahr, Fehler zu machen, die später zu Schmerzen oder Folgeproblemen führen könnten, deutlich geringer“, ist Berater Wilfried Brede überzeugt, der den Praxistest fachlich begleitet hat.


Nach fünf Durchgängen stand fest, wie viel Zeit die zusätzliche Narkose in Anspruch nimmt: Ehepaar Ries benötigte zirka 0,5 Minuten mehr pro Wurf. „Damit könnten wir gut leben. Denn so entspannt haben wir noch nie kastriert“, stellt die Landwirtin fest.


Besonders beeindruckt waren alle Beteiligten von dem schnellen Aufwachen der Ferkel nach der Narkose. „Nach cirka 2,5 Minuten gehen die Ferkel schon wieder ans Gesäuge der Sau. Das ist ein großer Vorteil des Verfahrens“, betont Berater Brede. Er war anfangs skeptisch, ob die Isofluran-Narkose wirklich praxistauglich ist. Doch nach dem letzten Durchgang ist das Verfahren für ihn eine echte Alternative.


Bestandstierarzt Dr. Klaus Wenzel sieht ebenfalls Vorteile in der Isofluran-Narkose. „Die Ferkel sind beim Kastrieren absolut ruhig, dadurch verringert sich das Risiko für Fehler“, sagt er. Die kurze Aufwachphase und der zügige Gang ans Gesäuge seien zudem Voraussetzung für eine gute Wundheilung. Ein Schmerzmittel müsse aber auch bei diesem Narkoseverfahren vorher verabreicht werden, um eine sichere Schmerzausschaltung zu erzielen.


Narkose durch den Landwirt?

Nach fünf Durchgängen mit dem Narkosegerät ziehen Susanne und Thomas Ries sowie alle am Projekt Beteiligten ein positives Fazit: Das Handling des Gerätes ist einfach, das Einspannen der Ferkel wird schnell zur Routine. Die Tiere sind nach 90 Sekunden vollkommen ruhig, sodass das Kastrieren sehr sicher und stressfrei erfolgen kann. Nach nur durchschnittlich zweieinhalb Minuten sind die Ferkel wieder wach und saugen.


Die Kosten für das im Betrieb Ries getestete Gerät „Porc-Anest 3000“ liegen bei 7850 € plus 430 € für den Rollwagen. Optional können auch noch ein Aktivkohlefilter und ein Batteriebetrieb für 950 € eingebaut werden. Weitere Kosten entstehen für das Narkosegas. Eine Flasche mit 250 ml reicht für die Betäubung von bis zu 350 Ferkeln und kostet zurzeit etwa 80 bis 90 €, das heißt, es fallen zirka 23 bis 25 Cent variable Kosten pro Ferkel an.


„Trotz der Kosten würden wir uns für dieses Verfahren entscheiden. Die Ruhe beim Kastrieren und die Vitalität der Ferkel nach dem Eingriff haben uns überzeugt. Auch die Wundheilung geht schnell vonstatten“, sagt Susanne Ries.


Es gibt allerdings auch zwei Punkte, die klar gegen das Verfahren sprechen:


  • Isofluran ist noch nicht für den Einsatz beim Schwein zugelassen;
  • Bei der Narkose muss zwingend ein Tierarzt anwesend sein.


„Die Zulassung von Isofluran für Schweine hätte längst erfolgen können“, kritisiert Berater Brede. Schließlich stehe schon lange fest, dass ab 2019 Schluss mit der betäubungslosen Kastration sei. Inzwischen hat die Herstellerfirma Baxter die Zulassung beantragt und erwartet diese im Sommer 2018.


Bleibt die Anwesenheitspflicht eines Tierarztes. „Das ist nicht praktikabel und wäre zudem sehr kostenaufwändig“, kritisiert Susanne Ries. Sie hält es daher für sinnvoll, einen Sachkundenachweis wie in der Schweiz einzuführen, damit die Ferkelerzeuger die Narkose selbst durchführen können.

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