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Keine illegale Gülle aus Holland!

Lesezeit: 8 Minuten

Holland hat seine Gülle-Exporte nach Deutschland binnen weniger Jahre verdreifacht. Viele Transporte sind illegal. Jetzt schlagen Schweinehalter und Wasserwerke in der Grenzregion Alarm.


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Den Schweinehaltern in Grenznähe zu den Niederlanden stinkt es gewaltig. Schuld ist der rasant steigende Export holländischer Gülle in ihre Region. So rollten allein im letzten Jahr mehr als 60 000 Lkw mit Gülle, Hähnchenmist oder Hühnertrockenkot über die Grenze! Auf diesem Weg kamen mehr als 25 Mio. kg Stickstoff und 20 Mio. kg Phosphor in die Bundesrepublik.


Keine Frage: Dass Wirtschaftsdünger aus niederländischen Veredlungsregionen in deutsche Ackerbaugebiete gefahren werden, ist legitim und senkt die Düngekosten. Doch der Export holländischer Gülle scheint zusehends außer Kontrolle zu geraten. So kamen 2009 fast 2 Mio. t Wirtschaftsdünger aus den Niederlanden zu uns. Das ist nahezu dreimal so viel wie drei Jahre zuvor (siehe Übersicht 1). Zudem verdichten sich die Hinweise, dass viele Gülle-Transporte illegal über die Grenze kommen.


Hohe Güllekosten machen den Export lukrativ


Motor für die rasant steigenden Exporte ist der gewaltige Nährstoffüberschuss der Niederlande. Vor allem in Veredlungsregionen sind Ackerflächen knapp und teuer. Es wundert nicht, dass die Holländer horrende Preise für die Abgabe ihrer Wirtschaftsdünger an die Güllebörse bezahlen müssen.


Besonders dramatisch war die Situa-tion 2008, als die Landwirte für die Abgabe von 1 m3 Schweinegülle im Schnitt satte 20 € berappen mussten! Doch auch in den Jahren zuvor war die Gülleabgabe extrem teuer (siehe Übersicht 2).


Der Gülle-Export in die Bundesrepublik ist daher ein willkommenes Ventil, um den hohen Nährstoffdruck abzulassen. Zumal die Kosten für die Gülleverwertung bei uns mit 6 bis 8 €/m3 deutlich niedriger sind. Kein Wunder, dass das Gros der niederländischen Gülle-Exporte (80 %) nach Deutschland geht. Die übrigen Ausfuhren erfolgen zu gleichen Anteilen nach Belgien und Frankreich.


Exportgülle heizt unsere Pachtpreise an


Die deutschen Schweinehalter im Grenzgebiet haben dafür wenig Verständnis. Denn auch in hiesigen Veredlungsregionen sind Gülleflächen teuer. „Jedes Kilogramm Stickstoff aus den Niederlanden heizt bei uns die Preise für Pachtflächen und die Gülleverwertung weiter an“, betont August Rietfort, Vorstandsmitglied der ISN-Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.


Und der Flächenbedarf zur Verwertung holländischer Gülle ist enorm. Legt man den letztjährigen Import von 20 Mio. kg Phosphor, einen P-Entzug von 80 kg/ha und einen P-Überschuss von 20 kg/ha zu Grunde, blockieren holländische Nährstoffe bei uns 200 000 ha Ackerfläche!


Natürlich ersetzt die Importgülle auch Mineraldünger. „Doch oft konkurrieren holländische Gülle-Exporteure im Grenzgebiet mit deutschen Güllebörsen. Das treibt die Kosten in die Höhe. Oder hiesige Güllebörsen verlieren ihre Abnehmer ganz, weil die Niederländer höhere Preise bieten“, stellt Rietfort heraus.


Hinzu kommt das Seuchenrisiko. Denn mit dem Wirtschaftsdünger können Krankheiten verschleppt werden. Um das zu verhindern, darf z. B. nach Niedersachsen nur Hühnertrockenkot exportiert werden. Die Einfuhr von Rinder- oder Schweinegülle ist verboten.


Nordrhein-Westfalen hat die Einfuhr von Wirtschaftsdüngern weniger stark beschränkt. So darf auch Rinder- und Schweinegülle aus dem Ausland nach NRW eingeführt werden. Vor dem Transport muss diese jedoch mindestens eine Stunde auf 70° C erhitzt werden, um Keime abzutöten. Außerdem dürfen die aufnehmenden Betriebe in NRW selbst keine Klauentiere (Schweine, Rinder etc.) halten. Wollen nordrhein-westfälische Betriebe mit Klauentieren Gülle importieren, muss diese auf 133° C erhitzt und bei 3 bar drucksterilisiert werden.


Die Hygienisierung der Gülle verursacht zwar zusätzliche Kosten. Insgesamt bieten die nordrhein-westfälischen Einfuhrbestimmungen aber mehr Spielraum als in Niedersachsen. Dies dürfte neben dem hohen Nährstoffbedarf rheinländischer Ackerbaugebiete der Hauptgrund sein, warum rund 90 % der niederländischen Gülle-Exporte in NRW landen.


Ist jeder zweite Gülle-Transport illegal?


Letztlich sind die offiziellen Statistiken zum Gülle-Export aber nur die halbe Wahrheit. So ist es inzwischen ein offenes Geheimnis, dass erhebliche Mengen Wirtschaftsdünger illegal über die Grenze nach Deutschland geschafft werden.


Wie groß das Problem ist, zeigt der rheinländische Kreis Heinsberg. Der Kreis hat im letzten Jahr 16 holländische Gülletransporte überprüft. In acht Fällen wurden Bußgeldverfahren eingeleitet, weil die Niederländer keine Einfuhrgenehmigung vorweisen konnten. Das heißt: Jeder zweite Gülletransport war illegal!


Auch in Niedersachsen geht man davon aus, dass in erheblichem Maße holländische Wirtschaftsdünger ohne Genehmigung ins Land kommen. Dazu ein Insider: „Schwarze Schafe unter den Exporteuren beantragen z. B. eine Genehmigung für 200 t, fahren dann aber 600 t Wirtschaftsdünger über die Grenze. Das fällt selten auf. Denn die Kontrollen auf deutscher Seite erfolgen – wenn überhaupt – nur stichprobenweise.“


Die Gefahr, dass Wirtschaftsdünger ohne Genehmigung zu uns kommen, ist also groß. Zumal illegale Ausfuhren für die Exporteure verlockend sind. Denn so können über die genehmigten Mengen hinaus zusätzliche Nährstoffe in Deutschland abgesetzt werden. Außerdem fallen die Kosten für die Genehmigung und die Hygienisierung der Gülle weg.


Im Gegensatz zu Deutschland wird die Ausfuhr von Wirtschaftsdüngern in die Niederlande streng überwacht. Hierzu sind alle niederländischen Transportfahrzeuge mit einem GPS-Sender ausgestattet, so dass ihr Standort jederzeit abrufbar ist. Zudem werden alle Daten zum Herkunfts- und Zielort der Wirtschaftsdünger, den Mengen und enthaltenen Nährstoffen bei einer Behörde (Dienst Regelingen) zentral erfasst.


Den Haag kann auf diese Weise lückenlos nachverfolgen, dass überschüssige Nährstoffe das Land wirklich verlassen. Nach der Grenze endet die Überwachung jedoch. Denn mit Verlassen der Niederlande dürfen die Fahrer das GPS-Gerät ausschalten.


Auf deutscher Seite ist die Überwachung der Gülle-Exporte wesentlich ungenauer. So hat z. B. in NRW die Landwirtschaftskammer bis Ende 2009 nur erfasst, ob der aufnehmende Betrieb laut Nährstoffbilanz freie Kapazitäten hat. Zudem wurde geprüft, dass Schweine- und Rindergülle ohne Drucksterilisation nur in Ackerbaubetriebe gelangt. Die Genehmigung für die Gülle-Einfuhr erteilte dann das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz.


Anlieger und Wasserwerke laufen Sturm


Nicht erfasst bzw. geprüft wird hingegen, welche Nährstoffmengen tatsächlich über die Grenze kommen. Im Gegenteil: Seit 2008 haben es schwarze Schafe un-ter den Exporteuren sogar noch leichter. Denn seit der Anpassung deutscher Gesetze an das EU-Recht fallen Wirtschaftsdünger nicht mehr unter das Abfallrecht. Die Folge: Die früher im Rahmen der so genannten Notifizierung vorgeschriebenen Angaben zu Menge, Ort und Zeit der Gülle-Exporte sind weggefallen.


In den betroffenen Regionen wächst aber der Widerstand gegen Gülle-Importe. „Die Einfuhr von Wirtschaftsdüngern wird in NRW viel zu lasch überwacht“, kritisiert Ulla Meurer, Landtagsabgeordnete der SPD aus dem Kreis Heinsberg.


Dass dringender Handlungsbedarf besteht, zeigen auch die Messungen verschiedener Wasserwerke in Grenznähe. So schlägt u. a. das Wasserwerk Gangelt im Kreis Heinsberg Alarm, weil die Nitratbelastung im Grundwasser massiv ansteigt. Da es sich vor allem um Standorte nahe der holländischen Grenze handelt, sieht man einen direkten Zusammenhang mit der Gülle aus Holland.


Um das Problem in den Griff zu bekommen, hat Nordrhein-Westfalen Anfang 2010 den Entwurf einer neuen Verbringungsverordnung für Wirtschaftsdünger in den Bundesrat eingebracht. Ziel ist, die überbetriebliche Verwertung von Wirtschaftsdüngern lückenlos nachverfolgen zu können. Die geplante Verordnung soll bundesweit gelten und Gülle-Importe einschließen.


NRW verschärftImport-Vorschriften


Zudem hat NRW zum Jahreswechsel die Genehmigung der Gülletransporte aus benachbarten Mitgliedsstaaten angepasst. Antragsteller ist jetzt nicht mehr der Exporteur, sondern der aufnehmende Betrieb. Bei diesem prüft die Landwirtschaftskammer, welche zusätzliche Nährstoffmenge nach guter fachlicher Praxis aufgenommen werden kann. „Der Landwirt trägt dann die Verantwortung, dass nur die genehmigte Nährstoffmenge auf seine Fläche gelangt, erklärt Dr. Jons Eisele, der im Landwirtschaftsministerium für Düngerecht zuständig ist.


Wie erfolgreich die Maßnahme ist, kann man erst nach der diesjährigen Güllekampagne sagen. Spannend wird es vor allem im Herbst. Dann ist der Gülle-Druck in den Niederlanden aufgrund der langen Sperrzeiten besonders groß.


Auch in Niedersachsen macht man sich über die Eindämmung illegaler Nährstoff-Einfuhren Gedanken. Dazu Jelko Djuren, Experte für Düngerecht bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen: „Optimal wäre die Erfassung aller Transporte über die elektronische Datenbank Traces der Europäischen Union. Ob Traces illegale Einfuhren gänzlich stoppen kann, muss der Praxiseinsatz zeigen.“


Bei der Einführung effektiver Kontrollsysteme gilt es keine Zeit zu verlieren. Denn die Lage spitzt sich weiter zu. So greifen ab 2015 in den Niederlanden verschärfte Normen für die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern.


Die Rabobank hat kalkuliert, dass dadurch jährlich 14 Mio. kg Phosphor und 26 Mio. kg Stickstoff zusätzlich „untergebracht“ werden müssen. Dies entspricht einem zusätzlichen Bedarf an Gülleflächen von mehr als 150 000 ha – Flächen, die die Niederlande nicht haben.


Fazit


Die Niederlande haben ihren Export von Wirtschaftsdünger kräftig hochgeschraubt. Fast 2 Mio. t Gülle, Hähnchenmist und Co. kamen allein letztes Jahr zu uns. Deutschen Betrieben im Grenzgebiet stinkt das gewaltig. Denn die Export-Gülle heizt die Pachtpreise weiter an. Hinzu kommt: Viele Gülle-Transporte sind illegal. Nordrhein-Westfalen hat die Einfuhrbestimmungen für Wirtschaftsdünger daher verschärft. Jetzt müssen weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrollen folgen.


Fred Schnippe

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