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Kokzidien-Durchfälle früh behandeln

Lesezeit: 8 Minuten

Obwohl Toltrazuril seit Jahren zugelassen ist, treten immer wieder Kokzidien-Durchfälle bei Saugferkeln auf. Über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten berichtet Prof. Dr. Anja Joachim, Veterinärmedizinische Universität Wien.


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Gelber, cremiger Durchfall in der Abferkelbucht, teilnahmslos wirkende Ferkel und auseinanderwachsende Würfe: Das ist das typische Krankheitsbild der Saugferkelkokzidiose. Die Durchfälle, die im Verlauf der Erkrankung auch halbflüssig werden und Flocken von geronnener Milch enthalten können, werden durch den Erreger Cystoisospora suis verursacht, früher als Isospora suis bezeichnet.


Die Ferkel nehmen den Parasiten über das Maul direkt aus ihrer Umgebung auf, meist von kotverschmutzten Oberflächen. Der Erreger infiziert Zellen, die den Dünndarm auskleiden, und führt zur Zerstörung des Darmgewebes. Infizierte Tiere scheiden ihn in großen Mengen aus und sorgen so dafür, dass der Parasit im Bestand erhalten bleibt.


Junge Ferkel betroffen


Betroffen sind vor allem sehr junge Ferkel, deren Immunsystem noch nicht genügend ausgereift ist, um den Parasiten abzuwehren. Bei Ferkeln, die älter als vier Wochen sind, beobachtet man die Erkrankung und das Ausscheiden von Parasitenstadien dagegen selten.


Die eigene Mutter spielt daher für die Ansteckung der Ferkel keine Rolle. Entscheidend sind vielmehr Parasitenstadien, die von früheren, erkrankten Würfen in der Abferkelbucht ausgeschieden wurden und sich als sehr resistent erwiesen haben (siehe „Entwicklungszyklus der Kokzidien“ am Ende des Beitrags). Sie können im Stall Wochen bzw. sogar Monate lang überleben und weitere Würfe infizieren. Die Parasiten können auch durch Stallfliegen, Stiefel oder Geräte von einer Abferkelbucht zur nächsten verschleppt werden.


Der Durchfall setzt meist sehr plötzlich ein und hält bei einzelnen Ferkeln bis zu sieben Tage an. Der geschädigte Darm kann die Nährstoffe aus dem Futter nur noch eingeschränkt aufnehmen. Das führt bei den erkrankten Tieren zu verminderten Zunahmen oder sogar Gewichtsverlust – auch bei Tieren ohne Durchfall. Die betroffenen Ferkel kümmern, und die Würfe wachsen auseinander.


Darüber hinaus stört die Infektion die Entwicklung der Darmflora, vor allem bei Neugeborenen. Das kann zu einer übermäßigen Vermehrung bestimmter Bakteriengruppen führen, vor allem von Clostridien. Die Bildung von Toxinen (insbesondere durch Clostridium perfringens Typ A oder C) verschlimmert das Krankheitsbild. Es kann zu schweren, eventuell sogar tödlichen Darmentzündungen kommen, die sich durch die Gabe von Antibiotika kaum beeinflussen lassen.


Dauerhafte Schädigung


Auch nach der akuten Durchfallphase hält die Schädigung meist noch an. Ferkel, die nicht gegen Kokzidien behandelt wurden, bleiben in der Regel kleiner als ihre Wurfgeschwister und neigen zum Kümmern. Für sie besteht zudem ein erhöhtes Risiko, in der Aufzucht und Mast an einer Infektion mit Lawsonia intracellularis zu erkranken, dem Erreger der Porcinen Intestinalen Adenomatose (PIA).


Vor der flächendeckenden Markteinführung von Toltrazuril in den 1990er Jahren, dem einzigen wirksamen und in der EU zugelassenen Medikament gegen den Parasiten, konnte der Erreger in bis zu 80% aller Betriebe nachgewiesen werden. Das belegen Studien, die in verschiedenen Ländern Europas durchgeführt wurden.


Jüngste Untersuchungen aus dem Jahr 2018 zum Vorkommen von Cystoisospora suis zeigen allerdings, dass der Parasit auch heute noch weit verbreitet ist. In Süd- und Ostdeutschland konnte der Erreger in 43% der Betriebe bzw. 16% aller untersuchten Würfe nachgewiesen werden. In Österreich wurde er sogar in 71% der Betriebe und 12% der Würfe gefunden.


Nachweis über Kotproben


Einige wissenschaftliche Studien weisen zwar darauf hin, dass strohlose Haltung auf Spaltenböden das Risiko der Erregerübertragung vermindern kann. Dennoch findet man den Parasiten in allen Haltungs- und Managementformen, ganz unabhängig von der Bestandsgröße.


Ob ein Tier mit Cystoisospora suis befallen ist, kann durch Kotuntersuchungen nachgewiesen werden. Dafür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Wichtig ist nur, dass die Probennahme mehrmals erfolgt, z.B. zu Beginn der zweiten und dritten Lebenswoche der Ferkel. Durchfall und Parasitenausscheidung finden nämlich nicht immer gleichzeitig statt, und einzelne Tiere scheiden den Parasiten meist nur wenige Tage aus.


Bei einer einzigen Probennahme liegt die Nachweisrate daher lediglich bei 5 bis 30%. Durch mehrfaches Beproben lässt sich die Rate jedoch auf 50% steigern. Dazu werden in einem Wurf mehrere Einzelkotproben gezogen, vermischt und als Sammelkotprobe untersucht. Um den Parasiten sicher nachweisen zu können, müssen mehrere Würfe untersucht werden.


Die Untersuchung erfolgt mikroskopisch. Die Parasitenstadien des Erregers, die sogenannten Oozysten, sind dabei unter dem Mikroskop als runde, blau leuchtende Stellen zu erkennen. Ein Schnelltest ist bislang leider nicht verfügbar.


Um andere Durchfallursachen sicher ausschließen zu können, vor allem durch Infektionen mit E.coli, Clostridium perfringens oder Rotaviren, müssen die Kotproben anschließend weiter untersucht werden.


Behandlung mit Toltrazuril


Wird Cystoisospora suis nachgewiesen, sollte eine gezielte Behandlung mit Tol-​trazuril durchgeführt werden. Inzwischen gibt es zahlreiche Produkte, die den Wirkstoff enthalten.


Die Verabreichung erfolgt zwischen dem 3. und 5. Lebenstag mit einem Dosierspender direkt ins Maul der Ferkel. Der Grund für die frühe Behandlung ergibt sich aus der kurzen Entwicklungsdauer der Kokzidien. Schon ab dem 5. Tag nach der Infektion können Durchfälle auftreten und Parasiten ausgeschieden werden. Erfolgt die Behandlung später, lässt sich eine Erkrankung unter Umständen nicht verhindern. Es besteht dann die Gefahr, dass erneut ansteckungsfähige Parasitenstadien in die Umgebung der Ferkel abgegeben werden. ▶


Alle Ferkel eines Wurfes und die aller unmittelbar folgenden Würfe müssen einzeln behandelt werden. Das ist aufwendig, lohnt sich jedoch, wie Studien zur Wirtschaftlichkeit zeigen. Die finanziellen Einbußen durch Kokzidien können je nach Schweregrad der Erkrankung zwischen 0,60 und 3,00 € je Ferkel schwanken. Die aktuellen Behand-​lungskosten betragen dazu im Vergleich nur 0,30 €/Ferkel. Eine Behandlung lohnt sich also in jedem Fall.


Auf Hygiene achten


Neben der konsequenten Behandlung aller Ferkel mit Toltrazuril lässt sich jedoch auch vorbeugend einiges tun:


  • Zwischen den Durchgängen müssen die Abferkelbuchten gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Verwenden Sie dazu ausschließlich Mittel, deren Wirksamkeit gegen Kokzidien von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) geprüft wurde (www.desinfektion-dvg.de). Nur so gelingt es, alle Parasitenstadien im Abferkelbereich wirklich zu entfernen.
  • Der Nutzen von Probiotika zur vorbeugenden Behandlung von Saugferkelkokzidiose wurde wissenschaftlich wenig untersucht. Bisherige Studien weisen nicht darauf hin, dass sich der Verlauf der Infektion durch die Verabreichung von Probiotika mildern lässt.
  • Anders sieht es dagegen beim Kolostrum aus. Studien zum Einfluss von Biestmilch und spezifischer Antikörper gegen Kokzidien haben gezeigt, dass spezifische Immunglobuline gegen Cystoisospora suis maßgeblich den Verlauf der Erkrankung und des Durchfalls beeinflussen können. Ferkel mit hohen Antikörperspiegeln aus dem Kolostrum litten kürzere Zeit unter Durchfall und schieden weniger oder gar keine Parasitenstadien aus. Eine hinreichende Kolostrumaufnahme ist also auch für den Schutz vor Kokzidiose unerlässlich.


In neueren Studien konnten Kokzidien und Durchfälle auch in Betrieben nachgewiesen werden, die ihre Saugferkel regelmäßig mit Toltrazuril behandeln. Weiterführende Untersuchungen zeigten, dass nur zwei von 49 untersuchten Betrieben ein Desinfektionsmittel einsetzen, das nicht speziell gegen Kokzidien wirksam ist. Das zeigt, dass sowohl die Behandlung als auch die Desinfektion gegen Kokzidien offenbar nicht immer wirksam ist.


Volle Dosis ist wichtig


Woran liegt das? An mangelnder Wirksamkeit scheint es nicht zu liegen, denn sowohl in experimentellen Untersuchungen als auch in Feldstudien konnte die Wirksamkeit von Toltrazuril immer wieder nachgewiesen werden.


Als Ursachen für die reduzierte bzw. fehlende Wirksamkeit kommen daher eher folgende Gründe in Betracht:


  • Unzureichende Behandlung: Toltrazuril wird den Ferkeln bisher über das Maul verabreicht. Das birgt jedoch die Gefahr, dass einige Ferkel Teile des Medikaments erbrechen oder ausspucken. Einzelne, dadurch unzureichend behandelte Ferkel können dann trotz Behandlung große Parasitenmengen mit dem Kot ausscheiden und so die Kokzidien wieder in Umlauf bringen.
  • Späte Behandlung: Erfolgt die Tol-​trazurilbehandlung zu spät, können die Beschädigung der Darmauskleidung, die Freisetzung weiterer Parasitenstadien und die Ansiedlung schädlicher Bakterien im Darm ebenfalls nicht mehr gestoppt werden.
  • Unterdosierung: Wird Toltrazuril unterdosiert, kann es natürlich auch nur unzureichend wirken. Das ist vor allem bei zu später Behandlung und daher zu schweren Ferkeln ein Problem. Die vom Dosierer portionierte Menge ist auf die Verabreichung zwischen dem 3. und 5. Lebenstag abgestimmt. Erfolgt die Behandlung erst am 7. Lebens​tag, wird unterdosiert (siehe Übers. 1).
  • Resistenz: Es ist zwar bekannt, dass es inzwischen erste Resistenzen gegen Toltrazuril gibt. Diese Resistenzen sind bisher aber nicht weit verbreitet.


Klarheit, warum es in einem Bestand trotz Toltrazuril-Behandlung Kokzidienprobleme gibt, können Kotuntersuchungen liefern. Beispiel: Scheiden nur einzelne Tiere Kokzidienstadien aus, liegt das vermutlich daran, dass diese Tiere eine zu geringe Behandlungsdosis erhalten haben, z.B. weil sie einen Teil der Dosis erbrochen haben.


Scheidet hingegen eine große Anzahl von Tieren im Bestand Parasiten aus, ist dies vermutlich ein Indiz dafür, dass das Medikament zu spät angewendet und damit insgesamt unterdosiert wurde. Oder es ist begrenzt wirksam, weil erste Resistenzen auftreten.


henning.lehnert@topagrar.com

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