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Kupierverzicht: Das kommt auf Sie zu

Lesezeit: 8 Minuten

Mit dem „Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht“ soll das vorsorgliche Kupieren von Ferkelschwänzen in Deutschland eingeschränkt werden. top agrar erklärt, was Sie jetzt beachten müssen.


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Schwanzbeißen ist seit Jahrzehnten ein hartnäckiges Problem in der Schweinehaltung, gegen das sowohl konventionell als auch ökologisch wirtschaftende Betriebe bislang kein Patentrezept gefunden haben. In Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) werden deshalb die meisten Ferkelschwänze vorsorglich gekürzt.


Rechtlicher Hintergrund


Diese Praxis verstößt jedoch gegen geltendes Tierschutzrecht. Denn das routinemäßige Kupieren der Ferkelschwänze zur Verhinderung von Schwanzbeißen ist durch EU-Recht seit 1991 verboten (RL 2008/120/EG des Rates). Das Kupieren von Ferkelschwänzen ist in der EU nur im Einzelfall erlaubt und auch nur dann, wenn trotz anderer Maßnahmen gegen Schwanzbeißen die Unerlässlichkeit des Kupierens dargelegt wird.


Auf nationaler Ebene sind diese Vorgaben im Tierschutzgesetz (TierSchG) geregelt. Demnach ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen verboten. Das Verbot gilt jedoch nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist (TierSchG §5 und 6). Dann dürfen bei unter vier Tage alten Ferkeln die Schwänze ohne Betäubung gekürzt werden. Davon macht die Mehrheit der Landwirte Gebrauch. Die Unerlässlichkeit dieses Eingriffs muss der zuständigen Behörde jedoch glaubhaft dargelegt werden. In der Regel bestätigte bisher der Tierarzt, dass der Betrieb die Mindestanforderungen einhält, Maßnahmen zur Optimierung umsetzt und das Kupieren somit zurzeit unerlässlich ist.


EU will Änderungen


Die bisherige Vorgehensweise soll nun auf Druck der EU-Kommission geändert werden. Die Mitgliedstaaten sollen beim Verzicht auf das Schwanzkupieren endlich vorankommen. Die Kommission will prüfen, ob Anpassungsbedarf bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht besteht und hat neben Italien, Spanien, Dänemark und den Niederlanden auch Deutschland im Februar 2018 im Rahmen eines Audits überprüft. Ergebnis: Die bereits ergriffenen Maßnahmen der Länder sind nicht ausreichend. Seitdem verschärft die Kommission den Druck auf die Mitgliedsländer und fordert sie auf, Aktionspläne vorzulegen. Die deutschen Agrarminister der Bundesländer haben daraufhin im Januar 2018 den „Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht“ auf den Weg gebracht.


Der Aktionsplan gilt für alle Produktionsstufen und betrifft Ferkelerzeuger, Aufzüchter und Mäster gleichermaßen. Ziel ist es, den Anteil unkupierter Schweine schrittweise zu erhöhen. Der Aktionsplan soll zudem Rechtssicherheit für die Landwirte und Behörden schaffen, unter welchen Bedingungen das Kupieren weiterhin zulässig ist. Die konkrete Umsetzung des Aktionsplans liegt bei den einzelnen Bundesländern. In etwa zwei Jahren soll der Aktionsplan evaluiert werden.


Ab Juli deutschlandweit


Ab dem 1. Juli 2019 tritt der Aktionsplan Kupierverzicht deutschlandweit in Kraft. Dann gilt: Bis zum 1. Juli 2019 müssen Schweinehalter eine sogenannte Tierhaltererklärung vorhalten und bei ihrem zuständigen Veterinäramt abgeben. Betriebe, die weiter kupieren (Ferkelerzeuger) oder das Kupieren wegen Schwanzbeißproblemen im eigenen Betrieb veranlassen (Aufzüchter, Mäster), müssen darin die Unerlässlichkeit für das Schwänzekürzen nachweisen.


Mit dem Aktionsplan kommen erhebliche Mehrbelastungen auf die Schweinehalter zu. Denn die Tierhaltererklärung kann nur ausgefüllt werden, wenn zuvor eine Risikoanalyse erstellt, die Schwanz- und Ohrverletzungen vermerkt, und geeignete Optimierungsmaßnahmen festgelegt wurden.


Diese Optionen gibt es


Im Rahmen des Aktionsplans haben die Landwirte künftig zwei Möglichkeiten:


  • Ferkelerzeuger, die weiterhin kupieren wollen oder Mäster, die weiterhin kupierte Tiere einstallen müssen (Option 1) haben zunächst eine betriebsindividuelle Risikoanalyse durchzuführen. Dafür sind die Schwanz- und Ohrverletzungen der letzten zwölf Monate zu dokumentieren und geeignete Verbesserungsmaßnahmen wie z.B. die Gabe von Raufutter einzuleiten.


Weiter kupiert werden darf dann nur, wenn nachgewiesen ist, dass mehr als 2% der Tiere Verletzungen an Schwanz oder Ohren aufweisen. Die Informationen münden dann in die Tierhaltererklärung, die ein Jahr gültig ist. Zeigen die Verbesserungsmaßnahmen Wirkung und sinken die Beißprobleme unter 2%, muss der Schweinehalter schrittweise in den Kupierverzicht einstiegen. Tritt innerhalb von zwei Jahren immer wieder Schwanzbeißen im Bestand auf, muss der Schweinehalter mit einem Tierarzt oder einem Berater einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Risikominimierung beim Veterinäramt vorlegen.


  • Bei Option 2 entscheidet sich der Schweinehalter direkt für den Einstieg in den Kupierverzicht, indem er eine Kontrollgruppe mit unkupierten Tieren hält. Dabei gilt, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens 1% der Mastplätze mit unkupierten Schweinen belegt sein müssen. Zudem müssen die Langschwänze dauerhaft gekennzeichnet sein, z.B. über ein farbiges Dornteil in der Ohrmarke. Auch bei dieser Option sind Verletzungen an Schwanz- und Ohren zu dokumentieren und Optimierungsmaßnahmen einzuleiten. Es wird auch empfohlen, eine Risikoanalyse zu erstellen.


Für Ferkelerzeuger- und Aufzüchter gibt es hinsichtlich der Zahl der Langschwänze übrigens keine Vorgaben. Die Anzahl der unkupierten Tiere bemisst sich lediglich an den Mastplätzen des Betriebes, der in den Kupierverzicht einsteigen will.


In der Lieferkette sollten Schweinehalter die konkreten Bedingungen (Anzahl, Kennzeichnung, Zustand der Tiere) am besten vorab schriftlich vereinbaren und den Zustand der unkupierten Tiere auf dem Lieferschein vermerken. Nach wiederholter erfolgreicher Haltung von Schweinen mit Ringelschwänzen (weniger als 2% Verletzungen) muss der Schweinehalter den Anteil der unkupierten Tiere im Bestand schrittweise erhöhen.


Risikoanalyse durchführen


Die Hauptaufgabe der Landwirte wird jetzt das Erstellen der Risikoanalyse und das Ausfüllen der Tierhaltererklärung sein. Landwirte sollten mit dem Thema nicht leichtfertig umgehen. Denn bei einer Kontrolle ist die Risikoanalyse der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Im Rahmen der Risikoanalyse wird der Zeitraum der letzten zwölf Monate für die Dokumentation der Verletzungen berücksichtigt. Die Risikoanalyse wird dabei entweder vom Schweinehalter erstellt oder kann in Zusammenarbeit mit einem Berater bzw. Tierarzt erfolgen. Für jede Produktionsstufe und VVVO-Nr. muss eine separate Analyse erstellt werden. Folgende Faktoren sind zu beurteilen:


  • Schwanz- und Ohrverletzungen: Einmal in sechs Monaten sind die Verletzungen bei Saug- und Aufzuchtferkeln sowie bei Vor- und Endmastschweinen anhand einer Stichprobe zu erfassen. Als Schwanzverletzung wird eine deutlich sichtbar blutende Wunde, Kruste oder Schwellung angesehen. Als Ohrverletzung gilt eine deutlich sichtbar blutende Wunde oder Kruste am Ohr. Aus den vergangenen zwölf Monaten wird dann ein Mittelwert der Verletzungen berechnet. Für Mastbetriebe soll es in Zukunft auch möglich sein, die Schlachtbefunde für die Erfassung der Verletzungen heranzuziehen.
  • Beschäftigungsmaterialien: Es wird erfasst, wie viele Tiere das Material nutzen, ob die Materialien organisch, essbar oder bearbeitbar sind und ob sie permanent oder als regelmäßige Einzelgabe zur Verfügung stehen.
  • Stallklima: Hier wird nachgefragt, ob in den letzten zwölf Monaten ein Stallklimacheck vom Fachmann oder ein zweimaliger interner Check durchgeführt wurde und ob es Anzeichen von Atemwegsproblemen gab.
  • Gesundheit und Fitness: Es werden Angaben zu Schlachthofbefunden, Tierverlusten und der tierärztlichen Bestandsbetreuung gemacht.
  • Wettbewerb um Ressourcen: Bei diesem Punkt werden die Nettobuchtenfläche, die Futter- und Wasservorlage sowie das Tier-Fressplatz-Verhältnis abgefragt. Zudem ist anzugeben, ob es zu Konkurrenzsituationen am Futtertrog kommt.
  • Ernährung: Hier werden Angaben zu Futtermittel- und Tränkewasseruntersuchungen sowie zur externen Futterberatung gemacht.
  • Struktur und Sauberkeit der Bucht: Bei diesem Punkt notiert der Unternehmer, welche Strukturelemente es in der Bucht gibt, ob die Schweine die Funktionsbereiche annehmen und wie sauber die Bucht ist.


Weg der Tierhaltererklärung


Nach der Risikoanalyse füllt der Schweinehalter die Tierhaltererklärung (Übersicht 1) aus und kreuzt zunächst Nr. 1 an. Damit bestätigt er, dass er die Risikoanalyse durchgeführt und ggf. Optimierungsmaßnahmen eingeleitet hat. Kauft ein Betrieb kupierte Tiere aus Fremdbetrieben zu, muss vom Fremdbetrieb eine Tierhaltererklärung mitgeliefert werden.


In Übersicht 2 können Sie anhand einiger Praxisbeispiele verfolgen, welchen Weg die Tierhaltererklärung zwischen Ferkelerzeuger, Aufzüchter und Mäster nehmen muss. Ist z.B. das Kupieren für einen Ferkelerzeuger, Aufzüchter oder Mäster unerlässlich, bestätigt er dies auf der Erklärung und kreuzt Nr. 2a an. Liefert dieser „2a-Betrieb“ seine kupierten Schweine an einen Betrieb in der Lieferkette ohne Beißprobleme („2b-Betrieb“), dient eine Kopie seiner Tierhaltererklärung dem Abnehmerbetrieb als Nachweis, dass das Kupieren unerlässlich war.


Hat ein Betrieb selbst keine Beißprobleme, bekommt aber kupierte Tiere aus einem „2a-Betrieb“ in der Lieferkette, kreuzt dieser Betrieb in der Tierhaltererklärung Nr. 2b an. Ein „2b-Betrieb“ benötigt auf jeden Fall vom vor- oder nachgelagerten „2a-Betrieb“ die Tierhaltererklärung, dass das Kupieren dort unerlässlich war.


Wählt ein Betrieb die Option 2 und damit den Einstieg in den Kupierverzicht, muss der Betriebsleiter auf der Tierhaltererklärung lediglich Nr. 3 ankreuzen.


Importferkel einbeziehen


Vom Aktionsplan Kupierverzicht sind übrigens auch Importferkel betroffen. Denn in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden ähnliche Aktionspläne umgesetzt. In Dänemark ist dies bereits im Gesetz verankert. So muss z.B. ein deutscher Mäster, der dänische Importferkel einstallt, ab dem 1. Juli 2019 dem dänischen Ferkellieferanten ebenfalls eine Tierhaltererklärung aushändigen. In den Niederlanden wird derzeit an einem Aktionsplan gefeilt.


Kann ein Mastbetrieb, der kupierte Importferkel aufstallt, die Unerlässlichkeit nicht darlegen, muss sich das zuständige deutsche Veterinäramt nach § 16 TierSchG an die zuständige Behörde im Herkunftsland richten.


Weitere Informationen und Hinweise zum Aktionsplan, zur Tierhaltererklärung und zur Risikoanalyse finden Sie im Internet unter der Webadresse www.ringelschwanz.info. Dort können Sie auch Mustervorlagen herunterladen und Praxisbeispiele für Optimierungsmaßnahmen finden.


caroline.juecker@topagrar.com

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