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„Mit Tierwohl kann man Geld verdienen!“

Lesezeit: 6 Minuten

Wo stehen deutsche Sauenhalter und Mäster im internationalen Vergleich? Bleiben wir trotz steigender Auflagen im Geschäft? top agrar fragte Albert Vernooij, Chefanalyst der Rabobank, die auf den internationalen Agrarmärkten bestens vernetzt ist.


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Die Ferkel- und Mastschweinepreise haben sich nach einer langen Durststrecke endlich erholt. Wie sieht Ihre Prognose für die nächsten Monate aus?


Vernooij: Ich rechne in der EU bis zum Jahresende mit weiterhin auskömmlichen Ferkel- und Mastschweinepreisen. Mein Optimismus basiert auf der Tatsache, dass die Ferkelerzeuger ihre Herden deutlich abgestockt haben. Der EU-Sauenbestand sank zwischen Frühjahr 2015 und 2016 um mehr als 4%, der Rückgang bei den trächtigen Tieren fiel mit 4,6% sogar überdurchschnittlich hoch aus.


Der Bestandsabbau wird sich auch im Jahr 2017 bemerkbar machen. Wir werden bei den Mastschweinen zwar einen leichten saisonalen Preisdruck zum Jahreswechsel erleben, aber auf einem recht guten Niveau. Die Kurve bei den Ferkelpreisen dürfte weiter nach oben zeigen.


Den deutschen Veredlern fehlen Entwick-lungsperspektiven, weil die Politik sie ausbremst. Welche Folgen hat die Blockadehaltung für den Standort Deutschland?


Vernooij: In Deutschland werden jährlich 60 Mio. Schweine geschlachtet. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Wir werden allerdings andere Strukturen auf der Erzeugerstufe bekommen. „Kleine“ Betriebe mit 300 Sauen oder 1000 Mastplätzen, die noch vor wenigen Jahren wettbewerbsfähig waren, scheiden aus. Sie können die steigenden Kosten nicht mehr kompensieren.


Einen Produktionsrückgang erwarte ich allerdings nicht, da die biologischen Leistungen im Schnitt um 0,4 Ferkel pro Sau und Jahr weiter steigen. Die Schlachter brauchen sich also keine Sorgen um die Auslastung ihrer Haken zu machen. Ich schließe jedoch aus, dass die Schlachtzahlen noch weiter steigen.


Steht Deutschland mit dem Problem der Blockadehaltung in Europa allein da?


Vernooij: Nein. Auch in den Niederlanden und in Dänemark verschärfen die Regierungen die Umweltgesetze. Zudem rückt der Tierschutz immer mehr in den Fokus. Das einzig positive ist, dass man sich mittlerweile auf Ministerebene über neue Maßnahmen abstimmt, um die Chancengleichheit zu wahren.


Sehen wir in Zukunft mehr vertikal integrierte Produktionsmodelle?


Vernooij: Diese Art der Produktion wird auch in Europa zunehmen. Im Gegensatz zu den USA oder Brasilien, wo der Farmer nur seinen Stall und seine Arbeit zur Verfügung stellt, wird es in Europa aber nicht nur ein Integrationsmodell geben.


Das liegt an der speziellen Struktur des Veredlungssektors in Nordwesteuropa. Die europäischen Betriebe sind viel kleiner und extrem auf eine Produktionsstufe fokussiert – Ferkelerzeugung, Aufzucht, Mast. Zudem ist die Produktvielfalt bei Fleisch- und Wurstwaren in Europa viel größer. Die Ansprüche an die Produktqualität sind ganz anders als in Übersee.


Beide Aspekte muss man bei der Entwicklung von europäischen Integrationsmodellen berücksichtigen. Ich glaube, die Integration wird wie folgt aussehen: Vertragsbauern schließen sich in Erzeugergemeinschaften zusammen oder sie binden sich per Vertrag an einen Schlachthof. Sie liefern dann die Rohstoffe für ein bestimmtes Vermarktungskonzept.


Besteht durch die Integration nicht die Gefahr, dass der Landwirt nichts mehr zu sagen hat?


Vernooij: Das glaube ich nicht. Letztendlich funktioniert Integration nur, wenn sich beide Seiten über die Ziele einig sind.


Spanien ist an den europäischen Schwergewichten Deutschland, Holland und Dänemark vorbeigezogen und mittlerweile größter Schweinefleischproduzent in Europa. Was können die Spanier besser als wir?


Vernooij: Die spanischen Schweinehalter produzieren günstiger als die Betriebe in Nordwesteuropa. Zudem sind die Umweltauflagen dort niedriger. Diese Vorteile nutzen die spanischen Landwirte für weitere Wachstumsschritte.


In Deutschland, Holland und Dänemark ist Wachstum derzeit kein Thema. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie wir die Produktion und die Nachfrage stabilisieren. Zudem müssen wir Antworten darauf finden, wie wir mit den steigenden Anforderungen seitens der Politik und der Verbraucher umgehen.


Haben wir die Antwort nicht schon gefunden? Wir arbeiten doch sehr stark in Richtung Tierwohl, richtig?


Vernooij: Das Thema Tierwohl ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie sich Märkte verändern. In Zukunft werden Schweinehalter die Wahl zwischen verschiedenen Verdienstmodellen haben. Auf der einen Seite werden wir weiter die normale Produktion sehen, die auf die Bedienung der Exportmärkte abzielt. Die Herkunftskennzeichnung wird dabei immer wichtiger, da sie für Qualität steht.


Auf der anderen Seite wird die Produktion unter Tierwohl-Aspekten zulegen. Auch wenn sich viele nordwesteuropäische Schweinehalter derzeit noch schwer damit tun: Tierwohlware zu verkaufen ist eine Chance. Damit lässt sich künftig Geld verdienen.


Tierwohl heißt auch, dass männliche Ferkel nicht mehr betäubungslos kastriert werden. In Deutschland ist das bereits gesetzlich verankert. Welche Absatzchancen sehen Sie für Eberfleisch auf den internationalen Märkten?


Vernooij: Ich glaube, dass sich Fleisch von intakten männlichen Tieren international vermarkten lässt. Allerdings muss 100%ig sichergestellt sein, dass keine geruchsauffällige Ware geliefert wird. Die Industrie wird entsprechende Lösungen liefern.


Hinzu kommt, dass die Abnehmer in Osteuropa und Asien auf Dauer kaum noch Alternativen haben werden. Denn auch in anderen Ländern werden in Zukunft männliche Tiere gemästet. Selbst in den USA, wo das Thema Tierwohl noch in den Kinderschuhen steckt, hat die Diskussion begonnen.


Wie abhängig sind wir von den Ausfuhren ins Reich der Mitte? Es heißt, wenn China nicht kauft, sinkt unser Schweinepreis.


Vernooij: China importierte im ersten Halbjahr 2016 rund 1,4 Mio. t Schweinefleisch. Am Jahresende dürften es 2,7 Mio. t sein, das wäre ein neuer Rekord. In unserer Langzeitprognose gehen wir davon aus, dass China auch im Jahr 2020 auf nennenswerte Importmengen angewiesen sein wird.


Meine chinesischen Kollegen in Hongkong berichten, dass die heimischen Produzenten lange Zeit unter Preisdruck gestanden haben und viele Betriebe ausgestiegen sind. Neuinvestitionen kompensieren den Rückgang nur teilweise. Derzeit sind die Preise zwar wieder besser, der Sauenbestand steigt aber nur langsam an.


Wie entwickelt sich die Schweineproduktion in den USA und Kanada?


Vernooij: In beiden Ländern wächst die Produktion, weil die Futterpreise günstig sind und die Binnennachfrage stabil ist. Zudem wird gerade in den USA verstärkt in Schlachtkapazitäten investiert.


Die Entwicklung in Übersee heizt den Wettbewerb auf den Exportmärkten weiter an. Die europäischen Produzenten sollten sich daher genau überlegen, ob man noch weiter expandiert, oder wie bereits erwähnt mehr „Klasse statt Masse“ produziert. Viel wird auch von den Wechselkursen abhängen. Sollte der Euro in Zukunft wieder an Wert gewinnen, wird sich das sofort negativ auf unsere Exportchancen auswirken.


Schauen wir etwas südlicher. Was entwickelt sich in Brasilien?


Vernooij: Brasilien baut seine Produktion seit Jahren langsam aber kontinuierlich aus. Weil den Brasilianern aber der Binnenmarkt fehlt, konzentrieren sie sich auf den Export. Russland bedienen sie bereits und nach China liefern die Brasilianer jetzt ebenfalls. Ich erwarte weitere Steigerungen bei der Produktion und im Export. Das Volumen bleibt aber begrenzt.


Vernooij: Brasilien baut seine Produktion seit Jahren langsam aber kontinuierlich aus. Weil den Brasilianern aber der Binnenmarkt fehlt, konzentrieren sie sich auf den Export. Russland bedienen sie bereits und nach China liefern die Brasilianer jetzt ebenfalls. Ich erwarte weitere Steigerungen bei der Produktion und im Export. Das Volumen bleibt aber begrenzt.


Das Interview führte top agrar-Redakteur Marcus Arden

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