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Neue Dysenterie-Stämme: Harmlos oder gefährlich?

Lesezeit: 6 Minuten

Eine neue Variante von Dysenterie-Erregern sorgt für Irritation. Unsere Autoren erklären, worauf Sie achten sollten, wenn Sie dysenterieunverdächtige Schweine einstallen wollen.


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Die Dysenterie gehört zu den verlustreichsten Erkrankungen in der Schweinemast. Die typischen Krankheitssymptome sind zementfarbener oder blutig-schleimiger Kot und Leistungseinbußen bis hin zu Tierverlusten.


Trotz sofortiger Antibiotikabehandlung kommt es häufig zu erneuten Krankheitsschüben. Deshalb versuchen immer mehr Mäster, Ferkel aus dysenterieunverdächtigen Beständen zu beziehen. Für Jungsauenvermehrer und Ferkelerzeuger ist die Unverdächtigkeit daher inzwischen ein wichtiges Verkaufsargument geworden.


Ferkel plötzlich positiv


Auch Ferkelerzeuger Klaus Kintzel (Name geändert) aus dem Emsland legte großen Wert darauf, seinen neuen Stall ausschließlich mit Sauen zu bestücken, die das Bakterium Brachyspira hyodysenteriae, den Verursacher der Dysenterie, nachweislich nicht in ihrem Dickdarm tragen. Er kaufte die Tiere daher bei einer Zuchtorganisation mit Hochgesundheitsstatus, die ein Dysenterie-Monitoring durchführt.


Umso schockierter war er, als es beim nächsten Ferkelverkauf eine Dysenteriereklamation gab. Einer seiner Mästerkunden hatte nach der Ankunft der Mastläufer Kotproben gezogen und per Polymerase-Kettenreaktion (PCR) auf Brachyspira hyodysenteriae untersuchen lassen. Das Ergebnis war positiv.


Schon begann der Streit: Hatten die Ferkel den Erreger tatsächlich aus dem Bestand von Klaus Kintzel mitgebracht? Oder hatten sie sich erst bei ihrer Ankunft im Mastbetrieb infiziert? Und wenn sie den Erreger mitgebracht hatten, konnte Kintzel seinerseits den Jungsauenvermehrer haftbar machen? Würde die Ertragsschadenversicherung, die er gegen Dysenterie für seinen neuen Bestand abgeschlossen hatte, für den Schaden aufkommen? Und würde die Versicherungssumme für eine Sanierung sowie einen Neuanfang reichen?


Neue Erreger-Variante


Um die Einschleppungsquelle ausfindig zu machen, wurden in allen drei Beständen stichprobenartig Kotproben bei den Tieren gezogen. Und siehe da: Aus einzelnen Proben aller drei Bestände konnte im Labor tatsächlich Brachyspira hyodysenteriae angezüchtet werden. Mithilfe moderner molekularbiologischer Verfahren ließ sich sogar belegen, dass der Erreger mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Jungsauenvermehrer über den Ferkelerzeuger bis zum Mäster weitergereicht worden war.


Es fiel jedoch auf, dass es sich in allen drei Beständen um eine neue Variante des Erregers handelte. Während Brachyspira hyodysenteriae normalerweise die roten Blutkörperchen in den im Labor verwendeten Nährmedien schnell und zahlreich zum Platzen bringt, war die neue, hier nachgewiesene Erreger-Variante dazu nur bedingt in der Lage.


In der Fachsprache heißt das, dass der neue Erregertyp nur eine schwache Hämolyse zeigte. Um ihn von herkömmlichen Dysenterieerregern mit starker Hämolyse zu unterscheiden, wird der neue Erregertyp deshalb auch als schwach hämolysierende Variante des Bakteriums Brachyspira hyodysenteriae bezeichnet.


Offen ist allerdings, ob die neue Erreger-Variante auch krank macht oder ob sie nur eine harmlose Variante des seit Langem bekannten Bakteriums ist. Denn in den Betrieben war bis zum Nachweis des Erregers keinerlei Dysenterieproblem aufgetreten.


Bisher hatten Experten angenommen, dass alle Brachyspira hyodysenteriae-Stämme eine starke Hämolyse zeigen. Gerade dadurch unterscheiden sie sich von anderen Bakterien der gleichen Gattung, die ebenfalls im Darm vorkommen, aber keine Dysenterie auslösen (siehe Übersicht).


In den letzten Jahren wurden am Institut für Mikrobiologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover insgesamt in 22 bisher dysenterieunverdächtigen Zucht- und Ferkelerzeugerbetrieben bei Monitoringuntersuchungen Brachyspira hyodysenteriae-Bakterien nachgewiesen. In zwei Herden handelte es sich dabei um die stark hämolysierende Variante des Erreger, also den klassischen Dysenteriekeim. In den übrigen 20 Herden fand man dagegen die neue, schwach hämolysierende Variante des Bakteriums.


Monitoring anpassen!


Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Dysenteriemonitoring? Um zu verhindern, dass unerkannte Trägertiere den Dysenterieerreger innerhalb der Produktionskette verschleppen, reicht es nicht, beim Monitoring allein darauf zu achten, ob in den Vermehrungs- und Ferkelerzeugerbetrieben blutiger Durchfall auftritt.


Ein vertrauenswürdiges Dysenterie-monitoring muss darüber hinaus auch eine mikrobiologische Untersuchung von Kot- und Darmproben beinhalten. Das kann über eine PCR-Untersuchung des Kotes geschehen oder über die kulturelle Anzucht des Erregers.


Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass in der Kot-PCR nicht zwischen der schwach und der stark hämolysiernden Variante des Erregers unterschieden werden kann. Dazu ist nur die kulturelle Anzucht in der Lage.


Wichtig: Die zu untersuchenden Kotproben sollten nicht zufällig gezogen werden (siehe Checkliste). Falls vorhanden, bevorzugt man am besten Tiere mit dünnerem Kot. Der Kot sollte frisch abgesetzt sein oder direkt aus dem After der Tiere entnommen werden. ▶


Mischproben sind auf keinen Fall zu empfehlen. Denn bei gesunden Tieren kommen die Dysenteriebakterien nur in geringen Mengen vor. Und wenn man eine schwach bakterienhaltige Probe mit Proben von gesunden Tieren vermischt, lässt sich das Bakterium aufgrund der geringen Konzentration eventuell nicht mehr nachweisen.


Wird eine Sektion erkrankter Tiere durchgeführt, können Inhalte der Spitze des Dickdarmkegels oder des hinteren Dickdarmbereichs für die Beprobung genutzt werden. Es können aber auch Schleimhautabstriche von dort entnommen werden.


Grosse Stichprobe nötig


In klinisch unauffälligen Zuchtherden mit hohem Gesundheitsstatus ist die Befallsrate gering. Sie liegt erfahrungsgemäß unter 2%. Deshalb sind in Streitfällen hohe Stichprobenzahlen erforderlich, um den Erreger zu finden. Im Fall von Klaus Kintzel sollten z.B. 90 bis 120 Kotproben gezogen werden! Für ein regelmäßiges Bestandsmonitoring untersucht man dagegen im Abstand von drei oder sechs Monaten jeweils 15 bis 25 Proben. Eine Dysenteriefreiheit lässt sich aber auch damit nicht bescheinigen, nur eine Unverdächtigkeit.


Wie zuverlässig die Aussage ist, dass eine Herde dysenterieunverdächtig ist, hängt davon ab, wie viele Proben in welchem Abstand untersucht werden und wie lange das Überwachungsprogramm schon in Kraft ist. Im Streitfall muss dem Verkäufer – unabhängig von den Monitoringergebnissen – nachgewiesen werden, dass seine Tiere bereits bei der Übernahme durch den Käufer mit dem Keim infiziert waren.


Bleibt die Frage, wie man mit dem Befund umgehen soll, wenn im Bestand die neue, schwach hämolysierende Variante des Bakteriums nachgewiesen wird. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass es sich nicht um einen einheitlichen Bakterienstamm handelt. Die Isolate aus verschiedenen Beständen unterscheiden sich und man weiß bisher nicht, ob diese Unterschiede auch Einfluss auf die krankmachende Wirkung haben.


Bisher wurden im Tierversuch nur zwei Isolate aus Belgien und Australien untersucht. Unter den jeweiligen Versuchsbedingungen konnten beide Isolate keinen blutig-schleimigen Durchfall bei den Tieren verursachen.


Das muss aber nicht automatisch auch für alle in Deutschland gefundenen, schwach hämolysierenden Feldstämme gelten. Denn auch bei den altbekannten Stämmen mit starker Hämolyse kommen Infektionen vor, die zunächst keine Krankheitserscheinungen hervorrufen, unter bestimmten Voraussetzungen dann aber doch blutigen Durchfall verursachen.


henning.lehnert@topagrar.com


Unsere Autoren


Dr. Judith Rhode und Prof. Dr. Michael Wendt, TiHo Hannover.

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