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Nord-Süd-Gefälle bei der Ebermast

Lesezeit: 5 Minuten

Die Ebermast wird noch an Bedeutung gewinnen, ist aber keine Lösung für alle.


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Eine der aussichtsreichsten Alternativen zur chirurgischen Kastration ist die Jungebermast – zumindest im Norden Deutschlands. In den letzten Jahren stieg hier die Zahl der Eberschlachtungen kontinuierlich an. Im letzten Jahr haben die drei Großen der Schlachtbranche – Tönnies, Westfleisch und Vion – zusammen 3,7 Mio. Jung-eber geschlachtet (siehe Übersicht 1). Das entspricht einem Marktanteil von gut 12%. Der Löwenanteil davon entfällt auf Tönnies, wie Übersicht 2 zeigt.


Vieles deutet darauf hin, dass sich dieser Wachstumstrend in nächster Zeit noch fortsetzen wird. Im Gespräch mit top agrar haben sowohl Tönnies als auch die Westfleisch angedeutet, dass die Tore ihrer Schlachthäuser auch künftig Neueinsteigern in die Ebermast offenstehen.


Bedingung bei Westfleisch ist allerdings, dass es sich um Vertragsbetriebe handelt. Und Dr. Wilhelm Jaeger von Tönnies ist wichtig, dass der Ausbau der Ebermast kontrolliert erfolgt: „Landwirte, die die Ebermast ausprobieren möchten, sollten rechtzeitig mit uns Kontakt aufnehmen, damit wir entsprechend planen können.“


Relativ neu im Ebergeschäft ist die süddeutsche Müller-Gruppe in Ulm. Dort schlachtet man seit einigen Monaten etwa 500 Eber pro Woche.


Mehr Fleisch, weniger Fett:

Das große Interesse an der Ebermast ist verständlich, denn in den meisten Fällen rechnet sich das Verfahren. Eber nehmen schneller zu, verwerten das Futter besser und erreichen höhere Muskelfleischanteile. Das kann bei den Direktkosten freien Leistungen in guten Jahren ein Plus von bis zu 6€ pro Masteber ausmachen. In Jahren mit niedrigen Futterkosten kann der Kostenvorteil allerdings auch schnell gegen Null schrumpfen.


Die entscheidende Frage ist allerdings, wie viel Eberfleisch der Markt verträgt. Experten schätzen, dass maximal 30% Marktanteil möglich sind. Das hängt aber stark davon ab, ob zeitnah ein sicheres Verfahren zur Geruchsdetektion am Schlachtband zur Verfügung steht und wie groß das Interesse der Verarbeiter sowie des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) an Eberfleisch ist. Bremsend wirkt zum einen die Verarbeitungs- und Fettqualität des Eberfleisches. Das Muskelfleisch der Eber entspricht zwar weitgehend dem der weiblichen Tiere und Börge, wie Untersuchungen der Hochschule Ostwestfalen-Lippe zeigen. Es besitzt aber eine etwas gröbere Struktur und weist weniger intramuskuläres Fett auf.


Zudem enthält das Fett von Ebern einen höheren Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Dadurch ist es weicher und kann bei der Verarbeitung Probleme bereiten. Es ist auch nicht so oxidationsstabil und wird daher schneller ranzig. Das kann bei der Herstellung haltbarer Rohwurst und Rohschinken zum Problem werden.


Hinzu kommen die – je nach Haltungsbedingungen – 1 bis 6% geruchs-auffälligen Tiere, die im Rahmen der Eigenkontrollen am Schlachtband aussortiert werden. „Denn eine ‚Maskierung‘ des Geruchs bei der Verarbeitung des Fleisches durch mediterrane Kräuter, Räuchern oder Schimmelaromen ist nur begrenzt möglich“, gibt Prof. Matthias Upmann vom Institut für Lebensmitteltechnologie NRW zu bedenken.


Metzger lehnen Eberfleisch ab.

Beim Verarbeiten von Eberfleisch tun sich die großen Schlachtunternehmen mit eigener Verarbeitung leichter. Bei Unternehmen mittlerer Größe stößt die Ebermast dagegen weiterhin auf Skepsis. Und das Metzgerhandwerk, das in Deutschland immerhin rund 20% des Schweinefleisches vermarktet, lehnt Eberfleisch bis jetzt komplett ab.


Die Furcht, dass „Stinker“ auf dem Schlachthof unerkannt durchrutschen, in der Ladentheke als Frischfleisch landen und dem Verbraucher ein für alle Mal den Appetit auf Schweinefleisch verderben könnten, ist gerade im Metzgerhandwerk riesengroß.


Experten schätzen die „Schlupfrate“ auf 0,5 bis 1%. Genau weiß das jedoch niemand, denn nur wenige Verbraucher beschweren sich. Und wenn, dann wird der Grund der Beanstandung nicht dokumentiert, geschweige denn weitergemeldet. Die meisten enttäuschten Käufer kehren dem Schweinefleisch nach solchen Negativerfahrungen vermutlich stumm den Rücken.


Deshalb ist es wichtig, möglichst alle geruchsauffälligen Tiere am Schlachtband herauszupicken. Im Moment geschieht das noch durch speziell geschulte „Testriecher“ (Humansensorik) am Schlachtband. Bei der Westfleisch werden die Tester z.B. von einem Unternehmen gestellt, das auch die Neu-trale Klassifizierung durchführt.


Automatische Geruchskontrolle:

Es gibt jedoch Erfolg versprechende Ansätze, die Geruchskontrolle zu automatisieren. „In einem unserer Schlachthöfe testen wir zurzeit ein Verfahren, das auf dem Prinzip der Spektroskopie beruht. Es arbeitet berührungslos und in Schlachtbandgeschwindigkeit“, berichtet Heribert Qualbrink von der Westfleisch. Die ersten Ergebnisse scheinen vielversprechend.


Anders als im Norden steckt die Ebermast im Süden noch in den Kinderschuhen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. „Die Ebermast ist für unsere Betriebe kaum geeignet, weil sie meist zu klein sind, um getrenntgeschlechtlich mästen zu können“, argumentiert Isabella Timm-Guri, Direktorin für Erzeugung und Vermarktung beim Bayerischen Bauernverband (BBV).


Aber auch die erschreckenden Auswertungen zum Thema Penisbeißen bei Mastebern, die Ende 2015 publik wurden, haben viele Landwirte und Vermarkter aufgeschreckt. Untersuchungen der Klinik für Schweine in München an 418 Schlachtebern aus süd-deutschen Versuchsbetrieben haben gezeigt, dass 82% aller Eber Verletzungen bzw. Narben am Penis aufwiesen. Im Schnitt waren es fünf pro Tier!


Untersuchungen der Universität Hohenheim an einem nordwestdeutschen Schlachthof an 321 Mastebern, die aus elf Betrieben mit unterschiedlicher Genetik stammten, bestätigen die Münchener Ergebnisse.


Die Ursache für das aggressive Verhalten sind die männlichen Hormone, die in den intakten Hoden der Tiere gebildet werden. „Eber fechten zwei- bis dreimal so viele Kämpfe aus wie Kastrate, sie reiten acht- bis zehnmal häufiger auf, und es kommt zu Penisbeißen“, umreißt Prof. Ulrike Weiler von der Uni Hohenheim das Problem.


Werden männliche und weibliche Tiere zusammen aufgestallt, wird die Hormonproduktion besonders stark angeregt. Deshalb ist es wichtig, die Tiere nach Geschlecht getrennt zu mästen. Das wird jedoch langfristig den Ferkelmarkt spalten, warnen Marktexperten.

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