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Notluftsysteme sorgen für Sicherheit im Stall

Lesezeit: 9 Minuten

Ein Lüftungsausfall im Schweinestall kann verheerende Folgen haben. Für den Ernstfall muss deshalb ein Notluftsystem vorhanden sein, damit den Schweinen bei Stromausfall nicht die Luft ausgeht.


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Die heißen Sommer der letzten Jahre haben die Lüftungsanlagen von zwangsbelüfteten Ställen auf eine harte Probe gestellt. Ganz brenzlig wird es jedoch, wenn sich durch Blitzeinschlag oder Stromausfall im Stall plötzlich kein Ventilator mehr dreht.


Für diese Fälle sind Alarmanlagen sowie Notluftsysteme ein absolutes Muss, um die Tiere in zwangsbelüfteten Stallanlagen im Falle eines Stromausfalls mit genügend Frischluft zu versorgen. Das schreibt auch der Gesetzgeber vor.


Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verlangt, dass in Ställen, die von einer elektrisch betriebenen Anlage belüftet werden, eine Ersatzvorrichtung vorhanden sein muss, die beim Ausfall der Anlage einen ausreichenden Luftaustausch gewährleistet, sowie eine Alarmanlage, die diesen Ausfall meldet. Die Details sind in VDE-Richtlinien und Merkblättern der DLG bzw. der Landwirtschaftskammern geregelt. Zudem ist gesetzlich festgeschrieben, dass Lüftungs- und Versorgungseinrichtungen mindestens einmal täglich auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft und eventuelle Mängel unverzüglich abgestellt werden müssen.


Welche technischen Lösungen sich als Notlüftungssysteme in der Praxis bewährt haben, hat top agrar mit Franz Strasser, Fachberater der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, sowie einigen Lüftungsfirmen diskutiert.


1. Fensteröffner


Ältere Fensteröffnungssysteme bestehen meistens aus Elektromagneten, die bei einem Lüfter- oder Stromausfall das Fenster aufkippen lassen. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass Fenster die für einen längeren Zeitraum geschlossen waren, oftmals an der Dichtung haften bleiben. Allein durch die Schwerkraft lassen sie sich nicht öffnen.


Abhilfe schaffen hier neuere Systeme, bei denen die Fenster im Notfall durch ein mechanisches Gestänge geöffnet werden. Bei einer Störung sendet die Alarmanlage ein Signal. Dieses führt dann zur Entlastung eines durch eine Feder vorgespannten, pneumatischen Druckzylinders. Das hat zur Folge, dass sich das Fenster öffnet.


„Dieses System hat den Vorteil, dass die geöffneten Fenster nach dem Stromausfall durch den pneumatischen Druckzylinder wieder automatisch und zentral geschlossen werden können“, erklärt Berater Franz Strasser. Die Federn sollten jedoch immer ausreichend gespannt sein, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten, rät der Experte.


Ein ähnliches Fensteröffnungssystem mit Druckluftzylinder, Seilzug und einem Gewicht bietet die Firma Schauer an. Ist die Temperatur im Abteil zu hoch oder gibt es einen Stromausfall, wird ein Alarm ausgelöst. Zugleich öffnet sich stromlos ein Magnetventil und die Luft entweicht aus dem Druckluftsystem. Die Fenster werden nun durch die Gewichte automatisch aufgezogen. „Ist der Alarm aufgehoben, wird erneut Druckluft aufgebaut und die Fenster schließen wieder automatisch“, erklärt Ernst Würzl von der Firma Schauer.


2. Türöffner im Zentralgang


„Notluftsysteme mit sich selbstständig öffnenden Türen haben sich in der Praxis am besten bewährt, da der Landwirt beim täglichen Kontrollgang überprüfen kann, ob sich die Stalltüren öffnen“, berichtet Strasser.


Ein derartiges Notluftsystem funktioniert wie folgt: An jeder Abteiltür wird der Sperrmechanismus der Türklinke ausgebaut und ein Elektromagnet montiert. Zusätzlich befindet sich an jeder Tür ein Schalter, der den Strom zum Magneten unterbricht. Der Schalter wird täglich bei der Tierkontrolle betätigt.


Drückt man den Schalter, wird der Stromkreis unterbrochen und die Tür wird automatisch von einem Spannseil aufgezogen, an dessen Ende ein Gewicht befestigt ist. Gewicht und Spannseil sind über eine Rolle mit der Tür verbunden. Alternativ kann die Tür auch von einem pneumatischen Zylinder geöffnet werden. Sobald der Stromkreis längere Zeit unterbrochen ist, wird parallel dazu automatisch die Alarmanlage aktiviert.


Türöffner im Zentralgang eignen sich vor allem für kleinere Betriebe. Denn für größere Anlagen mit mittig angeordnetem Zentralgang, reicht der Lüftungsquerschnitt in der Regel nicht aus, um etwa 1000 oder 2000 Schweine zuverlässig mit Frischluft zu versorgen. „Wichtig ist, dass der Zentralgang bei diesem Notlüftungssystem ausreichend belüftet wird, z.B. durch große Türen ins Freie, die ebenfalls geöffnet werden“, betont Strasser.


3. Klappen in Porendecke


Wird bei Ausfall der Lüftung keine verbrauchte Luft mehr abgesaugt, reicht bei Porendecken die natürliche Thermik im Stall in der Regel nicht aus, um ausreichend Frischluft in den Stall zu transportieren. Abhilfe können zusätzliche Zuluftöffnungen in der Porendecke schaffen.


Ausgelöst wird die Klappenöffnung über Temperaturfühler im Stall. Sobald die Ist- zu stark von der Solltemperatur abweicht, wird ein Alarm ausgelöst. Bei einem derartigen Notfall fallen die Zuluftklappen dann durch einen pneumatischen Zylinder mit Seilzug auf, sodass Frischluft ungehindert ins Abteil strömen kann. So ist der Stall zumindest notdürftig belüftet. Ist die Regeltemperatur wieder erreicht, schließt der Zylinder die Klappe automatisch.


Der Vorteil besteht darin, dass der Lüftungsquerschnitt schlagartig vergrößert wird. Dadurch gelangt bei hohen Temperaturen zusätzliche Frischluft mit wenig Widerstand in die Stallabteile. Dies führt zu einer besseren Durchlüftung. „Kritisch zu sehen ist, dass bei diesem Notluftsystem die Zuluftklappen nicht täglich kontrolliert werden und somit die Funktionsfähigkeit im Ernstfall eingeschränkt sein kann”, gibt Franz Strasser jedoch zu bedenken.


4. VRV-Lüftung


Die „Vakuum-regulierte Ventilation“ (VRV) von Hölscher und Leuschner (H+L) ist eine Klimasteuerung, die nach dem Prinzip einer Unterdrucklüftung arbeitet. An den Traufen befindet sich ein Seilzugsystem mit Zuluftklappen. Die Klappen werden pneumatisch gesteuert und kommen ganz ohne Stellmotoren aus. Kommt es zum Stromausfall oder Temperaturanstieg, strömt Luft in die Druckluftzylinder und die Klappen fahren automatisch auf. Die Druckluft wird in einem 200 l-Druckluftkessel im Vorraum gespeichert.


„Ein Vorteil dieses Systems ist, dass die Druckluft sehr einfach und sicher gespeichert werden kann“, betont Christoph Luttermann von der Firma Hölscher und Leuschner. Solange die Klappen im normalen Betrieb beim Kontrollgang auf und zu fahren, kann der Landwirt sicher sein, dass auch der Notbetrieb funktioniert. Die Abluftklappen im Zentralschacht sind ebenfalls pneumatisch gesteuert und funktionieren exakt wie die Zuluftklappen.


5. Notluftkamine


Die Abluftwege in Schweineställen mit Abluftreinigungsanlagen weisen einen erhöhten Strömungswiderstand auf. Für solche Ställe bietet die Firma Menken und Drees Notluftkamine an. Diese können abteilweise eingebaut werden. Auch ein nachträglicher Einbau ist möglich.


Nur im Ernstfall öffnet sich der ansonsten tot bzw. ungenutzte Schacht und ermöglicht eine thermische Lüftung. Ein Ernstfall liegt beispielsweise bei Stromausfall vor, wenn die Zwangslüftung und somit die Absaugung durch die Ventilatoren nicht mehr funktioniert. „Wenn die Notluftkamine sich auch bei zu hohen Stalltemperaturen öffnen sollen, kann dies zusätzlich steuerungstechnisch eingestellt werden“, betont Christoph Gottheil, von der Firma Menken und Drees.


Alternativ können Notluftkamine auch innerhalb einer Zentralabsaugung in den Abluftsammelkanal eingebaut werden. Bei diesem System werden über die Stalllänge verteilt, entsprechend der Stallgröße Notluftkamine eingebaut, die sich bei Stromausfall öffnen. Die Notluftkamine bestehen aus einer Drehklappe mit Federrückzugsstellmotoren. Solange der Federrückzugsstellmotor mit Strom versorgt wird, fährt dieser in die „Zu-Stellung“. Währenddessen spannt sich im Motor eine Feder. Im Ernstfall sorgt die Feder dafür, dass der Stellmotor automatisch und stromlos die Drehklappe öffnet.


Bei den Umweltbehörden sorgen die Notluftkamine jedoch für Skepsis. Die Notluftkamine könnten am Abluftwäscher vorbei als normale Lüftung genutzt werden, so die Bedenken. Die Lösung für das Problem ist ein einfacher Datenlogger, der genau dokumentiert, wann die Notluftkamine geöffnet wurden. Ein Vorteil dieses Systems ist, die im Bedarfsfall direkte und freie Entlüftung. Als problematisch könnte sich lediglich ein Ausfall des Stellmotors erweisen.


6. Steuerung per Batterie


Ein batteriegestütztes Notluftkonzept bietet die Firma Big Dutchman an, damit bei Stromausfall trotzdem eine ausreichende Belüftung des Stalls gewährleistet wird. Der batteriegestützte Notöffnungscomputer ist mit der Lüftung bzw. dem Klimaregler, dem Alarmgerät und dem Stromnetz verbunden. Die Batterien sind im Normalbetrieb an das Stromnetz angeschlossen und werden geladen. Zum Einsatz kommen die vollgeladenen Akkus erst im Notfall. Bei Ausfall des Klimareglers oder bei Stromausfall, tritt die Batterie in Aktion und der Notöffnungscomputer löst einen Alarm aus. Die Stellmotoren für die Zuluftventile und Abluftkamine werden dann von den Akkus im Notöffnungscomputer angetrieben und Temperatur geregelt geöffnet.


„Der Notöffnungscomputer muss mit in den Alarmkreis eingebunden sein und überprüft laufend die Kapazität und den Zustand der Batterie“, erklärt Produktmanager Heinz Südkamp von der Firma Big Dutchman. Die Akkus haben eine Nutzungsdauer von etwa fünf Jahren. Bei schwacher Akkuleistung wird ein entsprechendes Warnsignal an das Alarmgerät weitergeleitet. Zusätzlich sollten Fenster oder Öffnungen von Außenausläufen gezielt in das batteriegestützte Notöffnungssystem eingebunden werden. Die Fenster sind ebenfalls mit einem Stellmotor verbunden, der im Notfall batteriegestützt die Fenster öffnet. Die Auslauföffnungen werden nach dem gleichen Prinzip geöffnet.


7. Wenn die Lüftung versagt


Aber auch bei der Notlüftung können Probleme auftreten. So kann es z.B. sein, dass ein mechanisches Problem nicht erkannt wird und kein Alarm ausgelöst wird. Oder der Temperaturfühler im Stall wird von den Schweinen heruntergerissen und das Alarmsystem erkennt den Fühlerbruch nicht. Zudem können indirekte Blitzeinschläge ebenfalls für schwerwiegende Probleme sorgen und z.B. das Lüftungssystem stören, sodass der Notfall vom System nicht als solcher erkannt wird. Bei indirekten Blitzeinschlägen erweist sich die Fehlersuche somit als sehr schwierig.


Unter anderem kann es auch sein, dass das Steuergerät nicht unabhängig von der Lüftungsanlage geschaltet ist. Somit würde kein Alarmsignal ausgelöst, wenn ein Defekt in der Lüftungsanlage vorliegt. „Am besten ist es, das Alarmsystem unabhängig von der Lüftungssteuerung zu montieren“, rät Lüftungsexperte Strasser.


Um Probleme dieser Art möglichst zu vermeiden, müssen Notluft- und Alarmsysteme regelmäßig überprüft- und die Ursachen eines Alarms abgeklärt werden. Mit Hilfe des Anlagenbauers sollten Schweinehalter zudem einen Notfallplan für unterschiedliche Szenarien erstellen, in dem die Vorgehensweise bei Strom- oder Lüftungsausfall genau beschrieben ist. In so einem Notfallplan sollte auch der jeweilige Ansprechpartner sowie der Handwerker aufgelistet sein, der mit der Anlage vertraut ist.


Schweinehalter, die nachträglich die Sicherheit ihrer Lüftungsanlage erhöhen wollen, wenden sich am besten an die Lüftungsfirma, die ihr Lüftungssystem installiert hat. Der nachträgliche Einbau eines Notlüftungssystems ist oft kein Problem. Für welches Notlüftungssystem man sich im Endeffekt entscheidet, muss betriebsindividuell abgestimmt werden.


laura-charlott.stegemann@topagrar.com

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